11. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1983/84

■ Philemon und Baukis Es klopfte an der Tür unserer Hütte. Unsere Hütte war schon sehr alt. Genauso wie wir selbst. Ich rief: ,,Kommt herein " , und öffnete die Türe. Herein traten zwei Wanders- leute. Ich wußte nicht, daß es der herrschende Zeus und se in Sohn Hermes waren, die das Land durchstreiften , um zu prüfen, ob die Bewohner nicht hartherzig und selbst- süchtig waren . ,,Setzt euch ! Ih r seid doch sicher hungrig? Meine Frau wird euch etwas Gutes kochen. Ihr könnt auch bei uns schlafen ." Baukis, meine Frau, stellte sich an den alten Herd und kochte einen großen Kohl. Als Freude über den Besuch kochte sie sogar ein großes Stück Räucher- fleisch. Ich brachte den beiden Gesell en ein Schaff mit küh- lem Wasser, in dem sie ihre Füße entspannen konnten. Dann brachte Baukis das duftende Essen. Wir aßen alle, so viel wir konnten. Dazu tranken wir Wein, aber der Krug blieb voll. Schaudernd erkannte ich , daß Baukis und ich zwei himmlische Gäste zu Besuch hatten. Ich fiel auf die Knie und bat um Vergebung, da wir nichts Besseres auf den Tisch zu stellen hatten. Da aber fie l meiner Frau ein , daß wir ja noch eine Gans im Stall hatten. Schnell versuch- ten wir die Gans zu fangen . Die aber flatterte in die Hütte und verbarg sich hinter der Ruhestätte der ,Götter, die ich inzwischen hergerichtet hatte. ,, Laßt dem armen Tier das Leben! Euer Mahl war das köstlichste, daß wir je gegessen haben. Ja, wir kommen vom Olymp und wo llen die Men- schen testen, ob sie auch nicht herzlos sind. Ih r aber seid die ersten, die uns eine Gaststätte anboten. Darum zieht mit uns. Ihr dürft nicht in diesem Tal wohnen, wo Menschen für den anderen so wenig übrig haben.' ' Wir gingen mit den Göttern auf einen hohen Berg. Am Gipfel drehten wir uns um und sahen hohe Wogen, die das Tal und die Häuser überfluteten. Plötzlich verwandelte sich unser Haus in einen Tempel. „Hört' Ein Wunsch ist euch frei ", sprach Zeus zu uns. ,,Wir möchten in diesem Tempel als Priester euch Göttern dienen. Zur gleichen Zeit möchten wir beide sterben." 2. C-Klasse So lebten wir viele Jahre im Tempel. Eines Tages , als wir schon sehr alt waren und vor dem Tempel saßen, sah ich , wie meine Frau in eine Linde verwandelt wurde. Zur gleichen Zeit aber. wurde auch ich zu einer Eiche. In der Tiefe versch langen sich unsere Wurzeln, unzertrennlich für alle Zeit. Sigrid Wilhelm Birgit Pum - ' .~\ '· \ ....,_.j ---------------------- 72 ----------------------

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