11. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1983/84

starkes solidarisches Bewußtsein entstehen. Dieses ist deshalb von wesentlich ausgleichender Bedeutung, weil der Hunger in der 3. und 4. Welt, wie das Thema der Aus- stellung schon verr iet , auch solidarisch gemacht/betrieben wird, also erfolgreich auch nur solidarisch bekämpft wer- den kann . Von dieser im Zentrum der Woche stehenden Fasten- Selbsterfahrung ausgehend, gewinnen Analysen, Informa- tionen und Darstellungen über die zusammenhänge zwi- schen Konsum- und Hungergesellschaft immer mehr an Bedeutung. Ja man kann sagen, daß ohne die nötigen Kenntnisse der wirtschaft lichen und politischen Beziehun- gen und Entscheidungen, die Menschen zu psychophy- sisch und politisch unterdrückten Hungergesellschaften machen, jedes christlich-verantwortungsvolles Handeln auf der Seite von Schwachen und Bedürftigen bedeutungslos wird. Der gängige Spendenmarkt ist eher dazu angetan, Gewissen auf noble Art zu beruhigen, als den Sitz der wirkli- chen Probleme zu orten. Unsinnig erscheint es mir, einem Übel an der Wirkung bei- kommen zu wollen und nicht an der Ursache, d. h. in dieser wichtigen Sache nicht radikal zu werden, nicht an die Wur- zel zu gehen. Menschen, die mit der rechten Hand nehmen, was sie wol- len , und mit der linken Hand geben, was sie nicht mehr brauchen, geraten auch als Almosengeber in Verdacht. Täglich verhungern 40.000 Kinder. Europas Vieh frißt Jahr für Jahr Millionen Tonnen an wertvollen Nahrungsmitteln : Soja aus Brasilien , Maniok aus Thailand, Erdnüsse aus Senegal stehen auf dem Speiseplan. Die Hungernden der 3. Welt stehen nicht in unseren Menükarten. Dazu Papst Joh. Paul II. in seiner Ansprache in der Favella dos Alagados, Brasilien 7.7.1980: ,,Ihr müßt für das Leben kämpfen, müßt alles tun, um die Bedingungen, in denen ihr lebt, zu verbessern. Das ist eine heilige Pflicht und auch der Wille Gottes. Sagt nicht, daß es der Wille Gottes ist, daß ihr in einer Situation der Armut, der Krankheit und in schlech- ten Wohnverhältnissen lebt, die eure Menschenwürde ver- letzen. " Der Christ , der nicht um Gerechtigkeit kämpft , kämpft auch nicht für das Reich Gottes. Er verrät seinen Glauben. Er ist nicht engagiert. Er wird zum angepaßten Weichling, Spieß- bürger. Die Haltung der Gewaltlosigkeit führt den Christen dazu, die Waffen der Unterdrücker - die Lüge, demagogi- sche Propaganda, Diskriminierung, die Verletzung der Rechte des Anderen - zurückzuweisen. Als Informations- und Erfahrungsträger wurden Referenten eingeladen , die sich in den verschiedensten Bereichen des Lebens für die Sache der Befreiung unterdrückter Men- schen einsetzen: Univ. Prof. Dr. Helmut Kramer , Institut f. Pol. wiss., Wien; Vortrag und Diskussion: ,, Die Entwicklungspolitik Österreichs'' Elfie Mayr, Entwicklungshelferin in Mexiko; Vortrag und Diskussion Peter Schmidt, Journalist, Beauftragter für Amnesty- International ; Vorträge : ,,Menschenrechte in Zentral- amerika" und „Die Indianer in Süd-Amerika" Mag . Erich Hackl, Dolmetsch und Schriftsteller; Lesung ,,Poesie aus Zentralamerika" Die Bereitwilligkeit unseres Direktors und vieler Kollegen ermöglichten die Teilnahme jeder Oberstufenklasse an mindestens einer Veranstaltung. Viele posi t ive Reaktionen von Kollegen und Schülern werte ich als Zeichen der Hoffnung . Anfänge leiden weltlichem Gesetze nach am Trägheits- moment. So auch dieser Versuch pädagogischen Treibens an unserer Schule aber hat erst einmal was angefan- gen ... Alfons Radlauer --------------------- 65 ---------------------

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