11. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1983/84

einer empfindlichen Abwertung der kulturell bildenden und die Persönlichkeit eines Menschen vertiefenden Inhalte. Für den Kulturstaat Österreich wäre dies ein ausgespro- chenes Armutszeugnis. Das österreichische Gymnasium war gerade wegen de r Vermittlung der Allgemeinbildung weltberühmt. Unver- ständlich, daß man an so einem bewährten Schultyp herumexperimentiert. Dabei erscheint uns diese Bildungspolitik, führte sie tat- sächlich zur Realisierung , eine anachronistische Über- legung . Vor 20 Jahren, als man noch mit einiger Berechti- gung an Wachstum, Entwicklung und Hebung des Wohl- standes glauben konnte , hätte man verstanden, wenn in den Lehrplänen Kenntnisse und Fertigkeiten forciert wor- den wären, die auf Hebung des materiellen Standards aus- gerichtet gewesen wären. Gerade das Gegenteil war der Fall : Die Kunsterziehung hat noch nie so einen Aufschwung erlebt. Kaum ein Fach hat sich innerhalb von 2 Generationen so gewandelt. Der Stel- lenwert der Kunsterziehung in den österreichischen Schu- len wurde immer höher, bei den Schulbehörden zeigte man Verständnis für die Anliegen der Kunsterzieher und förderte das Fach mit allen Mitteln . Man erkannte, daß die „Kopflastigkeit" unserer Lehrpläne durch die musischen Fächer etwas gemildert werden kön- ne, - daß es notwendig für die Entwicklung des jungen Menschen sei, neben der Schulung des Intellekts sehr wohl auch den geistig-seelischen Bereich auszubilden. Und gerade in den beiden letzten Klassen finden wir bei dem Schüler jene Reife und Aufgeschlossenheit, die wir für die Erreichung unseres Lehr- und Bildungsziels unbedingt benötigen, gerade auf diese beiden Jahrgänge kann die musische Bildung keinesfalls verzichten . Neben der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten ist es unsere Aufgabe, den Schüler zu sensibilisieren, ihn empfänglich zu machen für optisch ästhetische Reize. Das 9 muß nicht unbedingt etwas mit Kunst zu tun haben - sicher , das Wissen über Kunst fördert den Zugang zu den schönen Dingen und die Selbsttätigkeit im Unterricht läßt künstlerische Leistungen erst im richtigen Licht erschei- nen - , aber Schönheit gibt es überall, man muß sie nur erkennen, sie muß nicht einmal etwas kosten. Das jedoch scheint bei vielen Leuten , auch bei den für die Lehrplanreform Verantwortl ichen das Problem zu sein: Schönheit ist nicht meßbar, man kann sie nicht in Zahlen ausdrücken. Vom Glück, das man beim Anblick von schö- nen Dingen empfindet , können nur die erzählen, die gelernt haben , ihre Seele zu öffnen. Nicht nur in Zeiten mit ständiger Verkürzung der Arbeitszeit ist die musische Bildung ein Beitrag zur Bewältigung der Freizeit, in allen Krisen und Nöten ist die Beschäftigung mit der Kunst ein Beitrag zur Bewältigung des Lebens. Heribert Mader Schönheits-Manifest Das schöne Land Österreich wird.immer häßlicher. Die Betonierwut der Technokraten; die Gefühllosigkeit der Politiker; die Brutalität zügelloser Produktion; die ebenso große Lüge vom Konsumglück; eine allen polititschen Lagern gemeinsame Verachtung von Geist, Vernunft und menschlichem Gefühl haben es dahin gebracht: . .. unsere Städte sind häßlich und unwirtlich geworden; ... unsere in Jahrhunderten gewachsenen Kulturland- schaften werden zerschnitten , verwüstet , zerstört; ... unwiederbringliche Naturschätze werden verbetoniert, verstümmelt, dem kommerziellen Ausverkauf preisgege- ben ; ... alle jene Tugenden sterben aus, ohne die eine Gesell- schaft nicht gedeihen kann. Verroht und verwahrlost sind

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