9. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1981/82

DER MUNDART EHRE IST GERETTET Lesung von Gottfried G/echner im Gymnasium Werndlpark Ein Abend wie das Hinsinken auf eine Wirtshausbank. Hart, vorsich- tig am Beginn , immer wärmer , inniger, humorvoller und zeitvergessener der weitere Verlauf. zweistündige Dichterlesung des lnnviertler Ober- studienrates Dr. Gottfried Glechner im Bundesgymnasium Werndlpark am Abend des 7. Mai. Schon nach fünf Minuten sind die Vorurteile der Lehrer, Eltern und Schüler der Mundartdichtung gegenüber weg. Dem Menschen Glechner öffnet sich der Mensch im Zuhörer. In der Mundart , so weiß Glechner, ist alles erlaubt. Er verlegt die Aben- teuer des großen Helden Odys- seus in ein Tal im lnnviertel und läßt die Helden wie die Burschen im Wirtshaus miteinander raufen. Als Glechner auf dem Höhepunkt einer Rauferei abbrechen und zum nächsten Text übergehen will , protestiert eine zuhörende Professorin flammenden Auges . Sie hat Blut geleckt. Alles ist er- laubt. Der harmonische Mensch , der nicht nur aus seinem trocke- nen Intellekt lebt, sondern all seine Gefühle auslebt. In weiteren Texten rückt Glechner die Bedeutung einiger hoher Autoritäten unserer Zeit zu- recht. Ja, wichtig sind sie schon , durchaus, aber so wichtig , wie sie sich geben , so wichtig sind sie noch lange nicht: die Bil- dungsbürger auf ihren Bildungs- reisen von einem historischen Trümmerberg zum nächsten, die Herren Pfarrer und Bischöfe mit ihren überlangen Hochämtern , wenn man sich schon an den Kachelofen des Wirtshauses sehnt , die Herren Experten der Technik mit ihren widersprüchlichen Expertisen oder gar die Herrscher und Politiker. Denn: ,, Könige gibt es viele, Stelzhamer gibt es nur einen ." Seinem Vater errichtet er in dem schönsten Text das „ Denkmal des unbekannten Bauern ". Ein Denkmal für die ungewöhnlichen, die harmoni- schen, die wirklichen Menschen. Und er entlarvt die Hohlheit der Vereins- und Ämtermeierei . Es entsteht das Weltbild des Erich Fromm, des indischen Yogi. Die Balance zwischen Tätigkeit und Entspannung , zwischen „ den Strang durchhängen lassen, aber nicht alles hängen lassen " , wie es bei Glechner heißt. Die entsprechende Sprachform ist die Mundart. 92

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