8. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1980/81
_zu zerstören. Auch ist es für das Gelingen eines Projekts unbedingt not- wendig, sich nach dem Entschluß der Mehrheit zu richten. Denn in unse- rer Gruppe entschied meist die Übereinkunft zwischen Schauspielern und Regisseuren. Ein autoritärer Führungsstil unserer beiden Regisseure hät- te sicher die Organisation um vieles erle ichtert, nie aber aus allen eine Gruppe werden lassen (zumindest im Bereich des „ Bühnenspiels"). Aber es ging hier um etwas anderes, um das persönliche Verhalten. Die Rollenverteilung war für den einen mehr, für den anderen weniger ei- ne Möglichkeit, persönliche Konfl ikte auszutragen oder Sympathien wir- ken zu lassen, je nach dem „ Bild ", das wir voneinander hatten. Ich will ke inem einen Vorwurf machen, denn meist geschah es unbewußt. Wir Menschen kommen nicht so leicht los von dem (Vor-) Urteil, das wir vom anderen oft sehr schnell und unbedacht bil den. Eine weitere Komponente „Andorras": Der Tod des Andri wäre nicht möglich gewesen ohne das Mitläufertum. Die meisten Andorraner waren wirklich „nicht schuld", insofern sie seine Hinrichtung akt iv unterstützt oder tatsächlich gewollt hätten. Aber sie haben auch ihr.e Steine gewor- fen auf den allgemeinen Sündenbock, ein jeder auf seine Weise und in seinem Bereich. So sind auch sie schu ld ig geworden an ihm. Das Mitläufertum. Nicht Aufmuckenwollen. Im Grunde aber Unbeha- gen. Intrige? Auch in unserer Gruppe gab es oft Situationen, in denen wir uns nicht offen aussprachen , weil wir die negativen Reaktionen der ande- ren fürchteten , weil wir Angst hatten , die Regisseure könnten es uns als unrealistisch, trotzig und arbeitsverzögernd aus legen. Begründet oder un- begründet , manchmal steckten wir zurück, um nicht abgestoßen zu wer- den. Obwohl einige Ideen uns ziem li ch vor den Kopf stießen, unterdrück- ten wir unsere Me inung , d. h., gaben wir ihr dann untereinander oft heftig Ausdruck. Nach außen hin liefen wir mit, auch wenn wir glaubten, daß manches unserer Aufführung sehr schaden würde . Doch Mißverständnis - und das war es meist - kann nur durch Reden behoben werden . Die meisten Probleme diskutierten wir aus; jedes Unbehagen aber, das wir hinunterschlucken, ist zu viel. Denn Verbergen schafft Mißtrauen. Und ich kann aus Überzeugung behaupten , daß unsere Regisseure jederzeit zu ei- ner Aussprache bereit waren , ja meist selbst dazu den Anstoß gaben ,wenn sie unterdrückten Widerstand spürten. Vorher habe ich Andri als „a llgemeinen Sündenbock" bezeichnet , so wie es die Juden waren im Dritten Reich , so wie es die Gastarbeiter sind, die uns die Arbeitsp lätze wegnehmen und dafür Läuse bringen. So wie es die Jugend ist , die die hergebrachte Ordnung nur zerst6ren will und dabei ih re Vorzüge genießt. So wie es die Lehrer sind, die prinzipiell einen welt- fremden Unterricht aufziehen und den Schü lern aufsitzen. So wie es eini- ge „ Trottel " und „Streber' ' in der Klasse sind, die die Kameradschaft da- durch zerstören , daß sie nicht „ob izahn". Dies nur ei nige Gedanken über Parallelen zum Stück von Max Frisch, die mir klar geworden sind - und zum Teil auch klar gemacht wurden, wofür ich dankbar bin. Überlegungen, die mir ebenso wic htig waren wie der Zugang zum Text. Daß ich sie nicht vergesse oder erst icke, bleibt zu hoffen. Und mir, mich zu bemühen. Michael Kerschner, 6. B 80
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