8. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1980/81
die schlechten Hobbymalerbilder. Manche gefallen mir sehr gut. Manche sind wirklich sch lecht . Der Kaffee kommt , dahinter die Mutter. Sie redet nicht mit. Das ist nichts für die Hausfrau. Ich darf schon ein wen ig mitre- den. Man spricht über Filmkameras und Hobbymalen und Politik und über den bösen Kusin und die dicke Nichte. Bekommt sie ein Baby? Der Kaffee ist ausgeze ichnet. Sie ist doch erst 17. ,,Also bei meinen Kindern könnte das nicht passieren ". Vater ist s ich da sehr sicher. Er erwartet es von uns, also werden wir ihn nicht enttäuschen , meine Schwester und ich. Wir sind aufgeklärt. Man muß aufgek lärt sein, wenn man erwachsen werden will. Der Onkel und die Tante verabschieden sich. Sie laden uns ein. Wir sagen , wir kommen , aber Vater will ja niemanden sehen am Sonn- tag. Sie steigen ins Auto , der Onkel fährt. Und ich freue mich auf meine Freundin. Dreh die Affenmusik leiser, es hat geklingelt! Wieso weiß sie das? Wenn sie es gehört hat , brauche ich doch die Affenmusik nicht leiser zu ste ll en . Ich drehe sie dennoch leiser. Es klingelt. Harry fragt , ob ich taub bin. Nein. ,, Ich habe schon sechsmal geklingelt" . ,,Die Affenmusik war so laut " . Aha. Er versteht. Ich glaube, er ist wirklich schon erwachsen. Im Zimmer ist es etwas düster. Ich mag mein Zimmer nicht besonders , weil es so düster ist. Ich möchte ein Zimmer auf der Sonnenseite. Das wurde beim Bau nicht berücksichtigt. Mein Vater wußte damal s noch nicht, daß ich die Sonne mag. Aber es können ja nicht alle Zimmer auf der Sonnen- seite liegen. Ich bin zufrieden. Harry liegt auf dem Bett, eine griechische Orgienlage. Harry liegt immer auf dem Bett , wenn er bei mir ist. Außer wenn ich auf dem Bett liege. Meine Schwester ist auch da. Er wünscht sich insgeheim, daß ich verschwinde. Meine Schwester ist die Freundin von Harry, darum besucht er mich jetzt öfter. Und er wünscht öfter, daß ich verschwinde. Ich bleibe. Es ist mein Zimmer. Heute treffe ich meine Freundin wieder. Wir küssen uns. Wir wälzen uns. Wir wä lzen uns meistens. wenn wir uns treffen , denn wir treffen uns selten . Wir wälzen uns auch auf der Straße, aber da im Stehen. Vater sagt , man soll kein Aufsehen erregen. Das ist unvorteilhaft für das Image. Man muß sich anpassen. Also wälzen wir uns im Stehen. Niemand merkt · es. Ich möchte wissen, wieviele Menschen sich in diesem Augenblick wälzen in dieser Straße. Wir küssen uns lange, wir sind noch jung. Wenn man jung ist, küßt man immer länger. Ich sage ihr, daß si e hübsch ist. Sie ist wirklich hübsch. Mit schwarzen , wirren Haaren und braunen Augen , die sehr tief sind. Man kann lange in diese Augen sehen, ohne weg- schauen zu müssen, weil man nicht tiefer blicken kann. Ihre Augen sind sehr tief und sehr braun. Sie verwendet keine Kosmetikartikel. Sie mag das nicht , weil man nicht weiß, wer hinter der Maske aus Kosmetik steckt. Auch ich mag es nicht. Das verbindet. Und wir wälzen uns. Freitag, der 13. Mein Vater sagt , die 13 ist eine Glückszahl. Er ist am 13. geboren und hat am 13. meine Mutter geheiratet. Ich habe nie Glück am Freitag, den 13. Ein Unglückstag? ,, Ruhe da hinten ", sagt der Deutschprofessor. Es ist noch immer laut. ,,Dann werde ich eben Prüfun- gen einteilen" . Roland und Thomas werden eingeteilt. Schweinerei . Auf- ruhr . Es ist immer noch laut. Warum nicht gleich Harry und ich? Also wer- den wir eingeteilt. Freitag, der 13. Vater sagt , wenn man erwachsen ist , ist man nicht aberqläubisch. Aberglaube ist kindisch. Man muß sich an der 74
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