5. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1977/78

werden, immer mehr zum Nachdenken angeregt werden, sollte wenigstens die Dichtung ein Zufluchtsort vor diesem Ansturm bleiben. Aber wenn man ein Werk eines solchen modernen „Dichters" zur Hand nimmt und ein wenig darin liest, beginnt wieder die unübersehbare Konfrontation mit immer neuen Problemen. Natürlidi finde ich es gut, wenn ein Buch eine Anregung gibt, sich über eine Linsinnigkeit, eine Grausamkeit oder Ungerechtigkeit Gedanken zu machen. Aber dies kann auch, wie so viele andere gute Dinge, übertrieben werden. Sogar vor den Gedichten wird nicht halt gemacht. Viele der heutigen sogenannten Gedichte erkennt man nur daran, daß es vielleicht neben dem Titel vermerkt ist. Sonst gleichen sie in keiner Weise einem Gedicht. Sie haben weder einen Reim noch einen Klang und sind oft nicht einmal sdiön, sondern enthalten nur radikale oder sinnlose Forderungen in Yersform „verpackt". Auch Wallner ist einer dieser Dichter, die meinen, daß ein Gedicht nicht nur shön sein muß, sondern daß es auch etwas können soll. Es muß also zu gebrauchen sein und eine Aussage machen. Ich glaube, die shönsten Gedichte sind die, die aus einem Impuls, einer Laune, oder einer Situation heraus entstehen. Diesen wohlüberlegten und aussagekräftigen Gedichten, wie zum Bei spiel jenen von Wallner, fehlt einfah der dichterishe Reiz. Ih bin keineswegs der Ansiht, daß der Dichter ausgedient hat. Im Gegenteil, ich glaube, daß die Dichter versahen sollten, ihrer eigenen Stimme zu folgen und sih niht von der neuen Art der Dihtkunst „überrumpeln" 201 lassen. Berger Dagmar, 7. A FAMILIE - WOZU? Preisgekrönte Rede der Schülerin Sabine Gattermair (8.A) Siegerin des Jugend-Redewettbewerbes von Oberösterreick In unserer Gesellshaft spukt es. Ein Gespenst hat sih eingenistet, das sih irreführenderweise Freiheit nennt. „Freiheit, Freisein ist alles", geistert es durh unsere Köpfe. Doh was Freiheit wirklih heißt, ist allgemein in Vergessenheit geraten. Oder ist sih irgend jemand bewußt, daß er, wenn er sagt, „Ih bin frei", genausogut sagen könnte „Ih bestimme mih selbst, ih bin verantwortlih für jede einzelne meiner Handlungen, ohne Ausnahme"? Ih fürhte nein. Sonst könnte wohl niemand auf die absurde, paradoxe Idee kommen, die „freie Liebe" zu propagieren, um sih damit der Verantwortung zu entziehen, die eine Ehe unweigerlih mit sih bringt. Wir sollten wenig stens den Mut aufbringen, dieses Gespenst umzubenennen in das, was es tatsählih ist: Bequemlihkeit, Entsheidungsunfähigkeit, Feigheit, Llnverbindlihkeit. Und wir sollten uns darüber klar werden, daß dieses Gespenst unsere Gesellshaft bedroht, insbesonders ihr Fundament, ihre Keimzelle, die Familie! Diese shrecklihe Unverbindlihkeit, die sih überall breit maht, ist es vor allem, die die Sheidungsziffern rapide ansteigen läßt und bewirkt.

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