4. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1976/77

si•e lebten in ,den Elendsvierteln der Stadt, und sie waren nicht immer so harmlos wie am Sonntag, wenn sie sich ehrli ch freute n, mir zu begegnen. Einer von ihnen legte zwei mal Feuer in der Schule und wurde dann zum Schulpsyd1ologen ~ebrad,t, ,der feststellte , daß man bis jetzt seine Intelligenz untersdiätzt habe und er in eine höhere Leistungsstufe versetzt werden müsse. Weniger aktive Sd,üler könnten kaum vom britischen Modell der Ge- samtsdmle profitieren. Wenn ich so durch -die Gänge -der Sdrnle ging und d.urd1 •die Glasfenster in di,e Klassen schaute, bot sidi fast überall ,das gleiche Bild: Lustlose Lehrer, dösende Sd,ü ler, die von 9 Uhr bi s halb vier im Ge- bäude absitzen müssen . Mit Ausnahme der obersten Leistungsstufe haben die Sd1üler ein bestürzend niedriges Niveau an Allgemeinbildung. Mittelmäßig- keit, Desinteresse und Faulheit scheinen sid1 über das Land auszubr eiten. Auch die sozialen Erwartungen erfü llt dieses Modell der Gesamtschule nidit. Die reichen Eltern sd, icken ihre Kinder, sofern diese nicht vollkommen unbe- gabt oder unwillig sind, auf beste Privatschul en oder lassen ihnen Privat- stunden geben, die ihnen das nötige Wissen vermitteln, -das sie .für gehobenere Bernfe brauchen. Das Gros der Kinder aber verkümmert in den Gesamtschulen, die sid1 zu sehr um die Minderbegabten kümmern, und die wegen ihr-er Größe, Geldmangels, Mangels an gutem Willen der Lehr-er d.ie Jugend nicht an;;prechen, ihnen kaum mehr als Lesen, Schreiben und Redinen in elementar- ster Form anbieten. Vor ,so einer Form der Gesamtsdiule sollten wir uns besser hüten. So gibt es viele junge Menschen, die nichts gelernt haben, die aus finanziellen Gründen gar nicht die Möglichkeit hatten, mehr zu lernen, und die nad1 der Schule ni chts können und •daher keine Stelle finden. Die Jugen 1 darbeitslosigkeit un1d die Jugendkriminalität wadisen ständig. Mir ging es wie dem von Amors Pf.eil Getroffenen, der -sidi gegen seinen Willen in eill verkommenes Geschöpf verlieben muß: Je länger ich in Groß- britannien lebte, desto lieber wu rden mir land und Leute, ,desto sdnnerzlidier wurde mir ,die sdirickliche soziale, wirtschaftliche und politische Situation des Landes bewußt, die sich immer weiter verschlechtert. Schon bieten sich radikale Parteien mit Hakenkreuzsymbol an, die verspreche n, Ordnung ins Land brin- gen zu wollen. Jetzt wird mir erst der wahre Sinn der Worte „God save the Queen, God save Britain" bewußt. Prof. Josef Preyer 50

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