4. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1976/77

SÜDTIROLER IMP RESSIONEN (6. D, 1. - 7. Mai 1977) Was ist eine Schulwoche gegen eine Schull a n:dwoche, noch dazu in Süd- tirol, auß erdem mit Prof. Ma,der, der in di esem herrlichen Land j,eden Stein kenn t. Di es sei ,gleich sehr .deutlich gesagt: in Südti ro l „geschi eht " Unter richt , und zwar in einer all es um fasse nden Weise, wi·e er leider im schuli schen Alltag ni e geschehen kann. Man lernt ohne „Jemen " zu mü ssen, ,durch Anschauen, Begreifen - und begeift. Geschichtliches, K1.111stgeschichtliches, Geographisches, Geologisches, Politisches, Biologisches, Wirtsd, af tlich es, Ku lture ll es, Kulina- risches, Zwischenmenschliches e rgänzt sid1 zu ei ner beglü cke nd en Gesamtschau. Der natürliche Rhythmus , Bes ichtigen - Wandern - Einkehren - Wan- dern ... trägt viel zur Au.fnahmebere itsdrnft bei. Bereits nach einigen Tagen kennt man seinen romanischen Christus, ka nn man mühelos romanisd1e Fres- ken vo n gotisd1en unterscheiden, sd1öpft Ver,dacht auf byzantinischen Einfluß , steh t mit den Eva11gelisten auf du und du . Bedingt durch das landschaftlich groß a rtige Pa norama befir1d·et man sich in andauemder Hod1stimmung, ahn t etwas von heroischer Vergangenheit, ver- meint innerlich Beetho vens Neunte zu hören : Porphyrsd1lud1ten, sd1were Wasserfälle, ei ne ste ilw.and ige Klamm, hochau fragend.e, bi za rre Felsforma tio- nen, über dem Land thronen·de, mäd,tige Burgen in verschwend erisch er Zahl (man bekommt einen burgmüden Bl ick), aber auch tief eingesenkte, offene Täler, sanfthü gel ige Terrassen mit einem Riesentepp ich bes pannt, man glaubt sid1 in einem einzigen zusammenhängenden Obst- un,d Weingar ten , beruhi- gende, stattliche, wohlb ewirtsdiaftete Bauerngüter mit wehrha1ftem Charakter, in d.er Feme die Dolomiten mit wildzerrissenen Wänden, ph a1ltastisd1-zer- klü ftete n Türmen (hier allerdings mußt e wetterbedingt un sere Phantasie einiges ergä11Zen) . Noch einiges, ins Auge spri ngend es , Land und Leute Betreffe ndes: Süd- tirol erscheint als immergrün er Garten mit den vielfältigsten Pfla nzen. Lärchen, Kastanienhaine, Olea nder (in wucht igen Hol zfässe rn a ls Torwächter) , gegen Meran zu vereinzel te Palmen un d andere südlid1e, oft subt ro pi sch ,anmu tende Gewächse. Auffallend, fast einheitl id1 an jeder Ha uswa nd di e kletternden Glyzinien mit ihren we iß en und fliederfarbenen hängenden Trauben . - Mär- chenh aft-unwirkli ch ersd1einen ,di e Er,dpyramiden, wie von der Hand ein es Rie- senkindes spielerisd1 gesta lt et un d auf un erk lärl iche We ise konserviert; man befürcht et, bei jedem Wi ndstoß kö nn ten di ese spi tzkegeligen, mit abgerund eten Decksteinen behüteten Gebilde in sich zusammenfallen . Aud1 nad1 erhaltener und versta ndener Erklärung, daß •dort, wo die Steine liegen, keine Erosion möglid1 sei. beobad1tet man ,di es·e filigranen Kegel dennoch ängstlich, wie Kartenhäuser. - In ,den Städten die sd1attenspendernden, heimeligen Lauben- gänge, ungemein lebendige Fassa,den durch die vielen, blu111 engesd1mückten Erker und di e geöHneten, geschlossenen oder ausgespreit zten Holzbalken (wie Augenlider). Nid1t zu übersehen ist die „bl aue Schürze" der Weinbauern , eine knöd1el- lange, leinerne Arbeitsschürze, di e aber - man spürt das ei,rnfach - üb er ihre praktische Bedeutun g hinau s noch ,symboHschen Charakter ha t: sie bedeutet die Zusammengehörigkeit aller Südtiroler, ein stolzes, fast trotzig-es Zeichen 44

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