2. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1974/75
einen eigenen Weg. Diesen Schwierigkeiten geht der 9. Bd. des Großen Duden (Zwe i f e 1 s f ä 11 c der de u t s c h e n S p r a c h e) nach. In diesem Band legt die Duden-Redaktion die Ergebn,isse jahrelanger wissenschaftlicher Sprachpflege aufgrund umfassender Beleg,sammlurngen des gegenwärtig gel- tenden Sprachgebraud1s vor. Hier steht di e Erklärurug: ,,S teht nach wegen ein stark zu beu.gende,s Substanüv im Singu1ar ohne Artikel und ohne Attri- but, dann wird in der Alltagsspmche die Genitivendung häufig we.ggdassen. " Tritt zum Substantiv ein Artikel, gilt auch hi er der hod1sprad1lid1e Gebrauch des Genitivs (,, wegen ,des / unseres Url aubs ") . Einen ähnlichen W a n d e I in d e r S p r a c h f o r m 2leigt das Wort „ trotz- dem", das im heutigen Sprachgebraud1 sowohl als nebenordnende wie a1ud1 als unterordnende Konjunktion gebraucht wird. Anmerkung im Duden Bd. 9: ,,Obwohl , trotzdem' auch in guter Literatur häufig als unterorcb1ende Kon- junktion verwendet wird, gilt di eser Gebrauch doch noch weithin als um- g,a ngss prachlich und ist an den Schulen als nicht korrekt verpönt. " Es geht hier rnid1t um die Frage „rid1tig oder f.alsd1 ", sondern um die Einor<dnrung des jeweiligen Sprad1gebrauchs in den •sprad1lichen Zusanunen- l~a)ng: Die Sprache lebt auch in den Unterschieden zwisd1en gehobener Sprache und Alltagssprache. Die neue Sicht der Grammatik DJeser Schwierigkeit der Frnge nad1 der Norm der Sprachform tragen nun die Titel moderner Grammatiken Rechnung. Der Anspruch, Grammatik des Deutsd1en schl echthin zu sein, ka.nn nicht erhoben werden, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß die Spmc he leb t, und wenn die Grammatik offen bleri- ben soll für die Veränderungen im Sprachgebrauch. Einige Titel sollen di es deutlich machen: Die D u den - G r a mm a t i k ist eine „Grammatik der deutschen Gegen- wartssprache". J oh a n n es Erb e n schrä11kt den Titel „Deutsche Gram- 1Tl!atik" ein mit dem Zusatz „Ein Abriß " bzw. ,, Ein Leitfaden" . B e r n h a r d S o w ins k i fügt seimr „Deu tsd1en Stilistik", in der er der Verwendtmg L~nser~r Sp ~ache nad1geht und eine Art Stilistische Grammatik bietet, den Untertitel „Beobachtu11gen zur Spradwerwen1dw1•g und Sprachge- staltung im Deutsd1en " hiinzu . W i 1h e 1m S eh m i d t nennt sein Bum „Grundfragen der deutschen Gram- matik" eine „Einführung in die funktion,a le Sprachlehre" . Eines haben die neuen Grammatiken gemei nsam: Die modern e Grammallik ist weder eine normative noch erine historisd1e Gmmmatik. Sie will kein konservierendes Regelwerk sein, das man drillen muß, sondern versud1t Ein- simt in das Wesen und die Eigenart unserer den.1~schen Muttersprache zu geben. Aus Ger Regelgrammatik i,st ein e Verständigungsgrammatik geworden. Ihre Aufgab<! ist es, di e Struktur ,der Sp11ache aufzitrdecken und zu 2leigen, wie di e Sprache und ihre Elemente - in ihrer tatsächlichen Verwendung als geschriebene und gesprod1ene Sprache - funktionieren. Sprachb et rachtun g also im Rahmen des gesamten Kommunikationsprozesses. 4
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