2. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1974/75
Mensd1en steht dieselbe Zahl. Die Vorteile des weiten, aUe zähl- und meß- baren Gegenstände umfa.ssen'den Aniwe111d:ungsbereid1es ,sowie der großen Sicherheit eines formalen Sy,stems sind nur möglim durch Abstraktion, die von allem ,absieht (abstrahiert), was nicht Größenbestimmung ist. Physik ist smon eine konkretere Betramtungsweise ,der Wirklimkeit als die Mathematik, denn sie muß, über di,e mathematische DarstelluI11g der Be- ziehungen zwismen experimentell gewonnenen Meßgrößen hi11aus, aum An- gaben machen über das, was gemessen wu1'de und wofür ,d,ie Zahlen stehen, wenn sie Natur-wissensmaft bleiben und nicht auf Mathematik reduziert werden soll. Und wenngleid1 die weithin zugrundeliegende technisd1e Absimt qualitative Bestimmungen bis zu einem gewissen Gra:d entbehrlid1 macht, so muß doch jede Zahlenangabe 1 un!d jedes Symbol 1i11 der Physik/ Chemie in einer wenn a1ud1 noch so vagen Beziehung ,stehen zu naturhaft konkreten Eigensd,,a:ften, ,d:urd1 welche ,erst ,die eine Meßgröße von der a111deren inhalt- lich unterschieden werden kann. So muß zum Beispiel Temperatur als Maß für ,den Wärmezustand eines Körpers aud1 dort, wo sie aus der Energie bewegter Atome erklärt o'der als Zahlengröße an einer Meßskala abgelesen wird, immer nom einen Bezug haben zu ,dem, was wir warm odeT kalt nen- nen, die Sonne auf der Haut oder das Warsser eines Baches. Physikalische Objektivität als solche bürgt nur für die Nad1prüfbarkeit einer (Meß)beob- achtung, sie sagt aber nid1ts darüber aus, wie weit das der (Meß )beobamtung zugrundeliegende Gesd1ehen aum qualitativ bestimmt wurde, und deshalb ist eine obj ektive noch lange keine konkrete Betrachtungsweise, ebenso, wie subjektiv noch lange nid1t dasselbe bedeutet wie willkürlim oder unaussag- bar, sodaß eine experimentell gewonnene Meßgröße ,in der gleid1en Weise wie eine aus subjektivem Erleben gewonnene Aussage über die Natur sowohl konkret als aud1 abstrakt sein kann, je nachdem, ob und wie weit dadurd1 die Natur in ihrem Wesen getroffen oder verfehlt worden ist. Im Grunde aber ist auch eine nom so objektive Feststellung schon des- halb immer auch subjektiv, weil überhaupt alles, was wir erke1men und fest- stellen, über uns als Subjekt vermittelt ist und eine äußerliche Trennung zwischen Subjekt und Objekt, weld1e beide Z'll Dingen u,n,d damit Erkennen unmöglich machen würde, g,ar nicht gedacht werden kann. Freilich weiß niemand, was Natur im letzten und in ihrer volien, nimt mehr weiter überholbaren Wahrheit ist, weshalb aum ,die Begriffe konkret und abstrakt nur dann einen brauchbaren Sinn haiben, wenn damit eine vor- liegende Aussage über die Natur nimt absolut, sondern in Vergleid, zu einer all'deren Aussage beurteilt werden soll. , So wird man sagen können, daß die am Thermometer angezeigten Zahlen abstrakt sind, verglid1en mit der Kälte eines Wintertages , ,daß die angege- bene Wellenlänge elektromagnetismer Schwingungen abstrakt ist, verglimen mit dem Licht und den Farben ,auf der Blumenwiese o'der i11 ,eine111 herbstlimen Wald, daß die Beschreibung von ,stofflimen Vorgängen mit Hilfe chemisdier oder kybernetischer Erklärungsmodelle abstrakt ist, verglichen mit der kon- kreten lebendigen Gestalt einer be,stimmten Pflanze o'der eines bestimmten Tieres oder eines bestimmten Menschen , die sich als i1mere Einheit von der befruditeten Eizelle an entwickelt un:d zur Reifegestalt organisiert. Und mit Vorblick auf den Menschen werden wir sagen können, daß aud1 Sprame mehr 19
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