2. Jahresbericht des Bundesgymnasiums Steyr 1974/75

Prof. Günter Eder: Zur Frage nach der Natur Es sollen im folgenden einige Übevlegu,ngen angestellt werden zum Thema Natur, in denen es 1ticht um ,eiinzelwissenschaftliche Probleme geht, aud1 nidlt um Umweltschutz, sondern um rdie philosophische Frage nach dem rechten VeJ1Stän'dnis von Natur überhaupt, 1 u111d wie wir uns zu dem verhalten sollen, was an und um uns Natur ist. Freilid1 werden es nur Andeutungen sein und ein paa, Gedanken, die nicht neu si11d, aiber vielleid1t i,st es gut, wenn ,das Alte nod1 einma,I ges,agt wiirid u:nd wenn man sid1 die Zeit nimmt für eine solche Besinnung. So Ist als erstes zu sagen, daß es gar nicht so k1ar mlld gleid1sa111 von vorneherein ausgemadlt und schon bestgestellt ist, was ,das Wort Natur in unserer Sprache bedeutet rund was das eigentlich ist, wias wir Natur nennen. Je'Cle Sache aber, von der wir ,glauben zu wissen, w,as sie ist und für die da,s Wort eim;teht, hat ihren bestimmten In:halt u11d BegriU iin unserem Denken und in unserem durch bestimmte Erfah11ung gewonnenen Verstä111dnis der Welt, ,so daß eis auch im Hin,blick m11f den Begriff, den wir von der Natur haben , von ·der Weite und (vor allem) von -der Tiefe ,dieser Erf,ahnmg ab- hängen wird, wie viel oder wie wenig einer davon versteht, was Natur eigentlich ist. Es ist deshalb nicht überraischen.d, wenn wir sehen, in wie unterschied- licher Weise ehe Menschen der Navur begeg11en und mit ihr umgehen: der Gärtner und ·der Bauer arnders al-s der Naturwi-ssenschaftler, und dieser wieder an 1 de11s als der Dichter oder der Theolo,ge oder einer, .der mit Naturprodukten Ha ndel trefot. Wir sehen ebenso, wie sich im Laufe des Lebens eines ein- zelnen Menschen der Begriff von der Natur entwicke!ln und äa1dern kann, indem er etwa vom unbef,a.n,genen und heiteren Umgang ntit Pflanzen und T,ieren, wie fS kindlicher Naturverbundenheit, diesseits von Wissen und Irren, noch von se1bst zukonunt, zu ,anstrengender wissenschaftlicher Arbeit fort- geht, um die Natur den Zwecken •des Mensd1en dienstbar zu machen, und vielleicht aud1 hier nid1t stehenbleibt . Schließlich zeigt auch ,die Geschichte d·es Na t urbegriffs im Lauf;e der Ja,hrhunlderte •sehr •deutliche Unterschiede im Verständn,is dessen, was in dieser Geschichte Natur ,genarnnt wurde, bei den Griechen, im Christentum, in der neuzeidichen Naturwi,ssenschaft, und es ist eine lohnende Aufgabe (freilid, auch eiin langer Weg, clen wir hier nicht gehen können) , nach den Gründen für diese Unterschiede zu fragen, weil sid1 darin die Macht der g~sellschaftlichen Interessen widerspiege•lt wie der von jedem einz-elnen Mensdien immer neu zu leistende Versuch, den tieferen Sinn in ,den Dingen und so auch in der Natur zu finden, da sie doch nicht alle da1sselbe, sondern von versdliedenem Wesen sind. Was wir unter Natur verstehen, ist also· cladurch bestimmt, was wir unter Natur ve11stehen. Und ,da,s hängt wi~der davon ab, ~,u f weldie Weise wir au die Natur herangehen. Es gibt da zunächst so •etwas wie ein Aufgeiien in Natur, ein ich- und weltvergessenes Einswerden, weld1es freilich immer nur annähernd und nur 17

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