Leopold Arthofer - Geschichte von Garsten
51 Die Garstener Stiftskirche. Wer am Tor der heutigen Strafanstalt steht und die wuch¬ Fassade mit den Pilastern, dem Architrav und den tige feierlichen Flächen schaut, wird dem Baumeister dieses Kunst¬ werkes Bewunderung und Staunen nicht versagen können. Das Portal mit der Aufschrift: „Venite adoremus“, „Kom¬ met, lasset uns anbeten“ birgt in einer Nische das Standbild des heiligen Berthold, des ersten Garstener Abtes, während zu beiden Seiten auf gebrochenen Giebeln zwei Engel knien, welche die Abzeichen seiner Würde tragen. Im zweiten Stock¬ werk stehen in zwei Nischen die Statuen des Stifterpaares, Ottokar VI (IV.) und seiner Gemahlin Elisabeth; sie sind aus Kleinraminger Sandstein gemeißelt. In der Mitte zwischen beiden Herrschergestalten sieht man in einem Fenster eine Kugel, die durch einen Mechanismus von der Turmuhr aus in Bewegung versetzt wurde und sich einmal im Tage um ihre eigene Achse drehte: jetzt ist der Globus ruiniert. Zuhöchst auf dem Vordergiebel zwischen beiden Türmen thront eine Riesenstatue der seligsten Jungfrau, zu deren Ehre die Kirche gebaut wurde. Die beiden Türme werden durch das Siegeszeichen der Christenheit, das Kreuz, gekrönt. Die Turmkreuze sind 2.80 Meter hoch, der Querbalken mißt fast 2 Meter. Die vergol¬ deten Kugeln weisen im Durchmesser 85 Zentimeter auf. Als die im Jahre 1860 Pfarrer Verwagner das letztemal Kirche herunterputzen und die Türme frisch eindecken ließ, fand man in einer der beiden Kugeln eine alte Urkunde, in der die Zeit der Aufstellung der beiden Turmkreuze verzeichnet ist und die Namen der damals lebenden 34 Priester und Kleriker des Klosters zu lesen sind. Das Eisen¬ blech der Turmhelme wurde im Jahre 1908/09 durch das widerstandsfähige Kupferblech ersetzt. Ein glücklicher Zu¬ fall rettete im Jahre 1918 das Kupferdach vor der Ablie¬ ferung. Die einflußreiche Persönlichkeit des verstorbenen Herrn Pfarrers Sigl brachte es auch zustande, daß während des Weltkrieges die große Bertholdiglocke, gegossen 1707 in Linz, erhalten blieb. Wenn schon die Außenseite des Gebäudes großes In¬ teresse erweckt, so wird der Besucher zur hellen Begeisterung entflammt, wenn er in die Kirche eintritt. Er wird über¬ wältigt durch den machtvollen Eindruck der hochgespannten Tonnengewölbe mit den reichen Stukkoarbeiten, welche die farbenfriedlichen Freskogemälde umrahmen; die vielen Engel¬ gestalten hauchen dem ganzen Bau Leben ein. Des Bau¬ meisters künstlerischer Geist schwebt gleichsam durch den Raum. Die Länge der Kirche beträgt vom Hauptportal bis zum Hochaltar 46.71 Meter, die Breite einschließlich der Kapellen
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