Leopold Arthofer - Geschichte von Garsten
47 mehr als einmal einen Mann im schwarzen Talare, gerade so, wie ihn unsere Aebte zu tragen pflegten, daherwandeln, der jedoch, wenn sie an ihn herantraten oder wenn sie ihn an¬ sprechen wollten, wieder verschwunden war. Es war nun allen klar, der Seligste habe jenen Schutz, den er sterbend dem Kloster mit den Worten: „Ich werde Euch nie verlassen“, verheißen hatte, offen uns kundtun, seiner Hilfe uns ver¬ sichern und zum festesten Vertrauen uns aneifern wollen. Als übrigens später die neue Kirche so weit vollendet war, daß darin schon der gewöhnliche Gottesdienst gehalten werden konnte, dachte man auch wieder an die Uebertragung der Reliquien des Seligen. Es traf sich schön im Jahre 1686, daß am Vorabende vor Pfingsten die Seitenkapelle mit dem Altar des Seligen vollendet wurde, und daß der Tag, an welchem vor neun Jahren die Uebertragung geschehen war, nämlich der 4. Juni, auf den Pfingstdienstag, das ist auf jenen Tag fiel, an welchem seit undenklichen Zeiten die dem Stifte einverleibten Pfarren in Prozessionen zum Grabe des Seligen zu kommen pflegten, wozu die einen oder anderen überdies durch ein besonderes Gelübde sich verpflichtet hatten, als sie durch Ver¬ nachlässigung der Feier und knechtliche Arbeit an dem Feste des seligen Berthold schädliche Gewitter, Hagelschlag und andere Strafen des Himmels auf sich herabgerufen hatten. Es wurde daher der 4. Juni des Jahres 1686 für diese Feier, zu der man wieder die Erlaubnis des hoch¬ würdigsten Diözesanbischofs erbeten hatte, von dem damaligen hochwürdigsten Abte Anselm Angerer gewählt, der Sarg aber schon einige Tage vorher aus der Gruft erhoben, um zu sehen, in welchem Zustande sich die Gebeine des Seligen befänden. Am Tage der Jeier selbst wurden dieselben Zeremonien wie bei der ersten Uebertragung gehalten, jedoch noch viel feier¬ licher. Die Bahre mit dem Sarge, der mit dem Doppelsiegel des hochw. Herrn Abtes und des ehrw. Konventes versiegelt worden war, wurde aus der Sakristei zu jenem Altar der Pfarrkirche getragen, welcher sogleich nach der ersten Bei¬ setzung in der Pfarrkirche über der Gruft des Heiligen er¬ richtet worden war, und zwar um beiläufig 8 Uhr, zu jener Zeit nämlich, als von den Prozessionen der einverleibten Pfarreien die letzte, die aus der benachbarten landesfürst¬ lichen Stadt Steyr, angekommen war. Sobald die zwei hochw. Herren Aebte in Pontifikal¬ kleidern mit Assistenz an den Altar getreten waren, begann unter dem Klange der Pauken und Trompeten die Aller¬ heiligen=Litanei; und als der Chor dreimal „Seliger Berthold, bitte für uns“ gesungen hatte, wurde der Sarg von acht Prie¬ stern, unserigen Pfarrern in priesterlichen Gewanden, auf die
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2