Leopold Arthofer - Geschichte von Garsten

45 die gnädigste Erlaubnis erbeten und erhalten, die heiligen Ueberreste unseres ersten Abtes und Patrones, des seligen Berthold, zu untersuchen, zu erheben und in würdiger Weise an einen anderen Ort zu übertragen. Es wurde dazu der 3. Juni jenes Jahres bestimmt, und zwar die Abendstunde, weil man dachte, daß in ihr ein geringerer Zulauf des Volkes sein und eine Störung des hl. Geschäftes weniger zu be¬ fürchten sein würde. Doch die Absicht wurde vollkommen ver¬ eitelt; je mehr man die Sache geheim hielt, desto rascher wurde sie verbreitet, desto begieriger ausgenommen; und als das hl. Werk seinen Anfang nahm, strömte, wie von einem un¬ bekannten Mahner gerufen, eine unerwartet große Menge aus der sonst nicht so volkreichen Umgebung zusammen. Die heil. Arbeit selbst begann nach Beendigung der Komplet, worauf sämtliche Brüder des Klosters sich am Grabe des Seligen versammelten. Mit dem gewöhnlichen Schlüssel wurde nun die Gruft geöffnet und der damalige Prior des Klosters, in Tücher gehüllt, in sie hinabgelassen. Er war über den ersten Anblick nicht wenig erschrocken, als er alles in Unordnung und in Schlamm gehüllt fand. Das Hochwasser der vorbeifließenden Enns war, namentlich dreimal, in den Jahren 1167, 1210 und um 1570 in alle unterirdischen Räume der Kirche und des Klosters und also auch in diesen Raum eingedrungen. Der Prior legte jedoch sofort Hand ans Werk und fand gleich beim Eingange das Haupt des Seligen, welches der hochw. Abt eigenhändig in Empfang nahm, und siehe: Seit einem ganzen Jahre war er an seinem rechten Arme gelähmt gewesen und nun war er durch andächtige Anrufung des seligen Berthold und durch vertrauensvolle Berührung des Armes mit dem verehrungswürdigen Haupte augenblicklich geheilt. O wunderbare Hilfe und zugleich dringende Aufforde¬ rung, nicht zu ruhen, bis auch der übrige Schatz gefunden und geborgen wäre! Das ist auch geschehen und nach und nach wurden mehrere Körperteile von demselben ehrw. Pater Prior erhoben, bis dieser, durch Ausdünstung und Modergeruch einer Ohnmacht nahe, aus der Gruft zu steigen genötigt war, worauf ein anderer Konventpriester an seine Stelle trat. Dieser durchsuchte nun alles aufs sorgfältigste und brachte auch so viele Gebeine ans Tageslicht, daß, als man sie zugleich mit den ersten auf einer Tafel in der Form eines Skelettes zusammengeordnet hatte, man sofort erkennen konnte, daß kaum mehr etwas fehlen könne. Es zeigt sich hier ganz klar die außerordentliche Güte Gottes, der es gefiel, durch so lange Zeit, trotz der Unbill der Zeitverhältnisse, die Reliquien seiner Auserwählten dem Andenken und der Verehrung der Nachwelt zu erhalten. Sie wurden daher insgesamt ehrfurchtsvoll in einem kupfernen

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