Amtsärztlicher Inspektionsbericht 1920

Von Seite der österreichischen Waffenfabrik wurden die früheren Objekte 5, 6, 7 und 14 zu Wohnräumen umgebaut, ebenso die ehemalige Schießstätte. Auch hiedurch wurde eine größere Zahl von kleinen Wohnungen geschaffen. Wenn auch ein Teil dieser Gebäude im Ueberschwemmungsgebiete der Steyr gelegen ist, konnte doch vom Physikat gegen diese Umgestaltung kein Einwand erhoben werden Diese Lage hindert wohl die Errichtung von Kellern; onst sind aber die Wohnungen den Anforderungen ent¬ sprechend. Auf die Beschaffung genügenden und guten Wassers wurde stets großer Wert gelegt. Alle Brunnen, welche für diesen Zweck herangezogen wurden, wurden einer chemischen und einer bakteriologischen Untersuchung unterzogen, die in allen Fällen eine tadellose Beschaffenheit des Wassers ergab Infektiöse Erkrankungen, deren Quelle in einer Wohnung gesucht werden müßte, sind bisher nicht zur Kenntnis gekommen Auch die Firma Werndl in Unterhimmel, Gemeinde Garsten, adaptierte ein ihr gehöriges früheres Werksgebäude n der Schleifergasse zu Wohnzwecken. An sonstigen Neubauten wurden vier ausgeführt, durch¬ wegs kleine Herstellungen. Von Adaptierungen, die einer Genehmigung durch die Baubehörde bedurften, kamen zwölf zur Ausführung. In der Hauptsache waren dies Bauführungen für Wirtschafts¬ zwecke und solche, welche wegen schadhaften Bauzustandes unvermeidlich waren Die Auflassung der verschiedenen Baracken auf der Ennsleite und am Wehrgraben, deren schlechte Beschaffenheit von sämtlichen daran interessierten Faktoren anerkannt wird erwies sich leider als unmöglich, da den Bewohnern keinerlei andere Unterkunft hätte zugewiesen werden können Die Arbeiten bei der Autofabrik wurden beendet. Die Arbeiten an den Straßen auf der Ennsleite wurden programm¬ mäßig fortgesetzt 3. Sanitäre Verhältnisse der gewerblichen Betriebe. Größere Adavtierungen oder sonstige Umgestaltungen kamen in keinem Betriebe zur Durchführung, noch weniger wurden neue solche errichtet. Die Arbeitsverhältnisse in den bestehenden Betrieben waren unverändert. Die Arbeitstätigkeit tets eine zufriedenstellende. Speziell in der Autofabrik war die Beschäftigung anhaltend eine volle. Die erzeugten Fahr¬ zeuge wurden fast sämtlich: an das Ausland geliefert. erufs= und Gewerbekrankheiten kamen nicht zur Kenntnis des Physikates. Mit dem Aufhören der Waffen¬ erzeugung haben auch die Ekzeme, an welche manche mit der Brünierung der Läufe beschäftigte Arbeiter früher vielfach litten, abgenommen 4. Sanitäre Verhältnisse in Erziehungs¬ und Unterrichtsanstalten. Mit Ausnahme der Fachschule für Eisen= und Stahl¬ earbeitung fanden in den Schulen keinerlei bauliche Ver¬ änderungen statt. Für die genannte Schule wurde die früher Jägerkaserne adaptiert. Die Herstellung der Räumlichkeiten für den theoretischen Unterricht war nicht mit besonderen Schwierigkeiten verbunden und konnte im Berichtsjahre beendet werden. Für die Arbeitsräume, die dem praktischen Unterrichte dienen, waren aber bedeutende Umgestaltungen nötig. Im Berichtsjahre konnte nur der theoretische Unterrich in den neuen Lokalen ausgenommen werden, während der praktische noch in den alten Räumen erteilt werden mußte. Die Fachschule wurde auch durch die Angliederung eines Kurses für Gravieren erweitert. Außerdem wurde im Schul¬ jahre 1919/20 vom Stadtphysikus an derselben ein Kurs über ärztliche Hilfe bei Verletzungen und anderen Zufällen ab¬ jehalten, woran auch die Zöglinge des letzten Jahrganges teilnahmen. An den übrigen Schulen kamen keinerlei Veränderungen vor. Der schulärztliche Dienst an den städtischen Volks= und Bürgerschulen wurde dem von Seite der Gemeindevoestehung neuangestellten Fürsorgearzt Dr. A. Pimiskern zugewiesen. Der¬ elbe hat nunmehr veriodisch sämtliche Schulkinder zu unter¬ uchen. Durch die Anberaumung von Sprechstunden seitens des genannten Fürsorge= und Schularztes für die Eltern der Schulkinder wird angestrebt, auch auf diese einzuwirken und hnen mit Ratschlägen bei körperlichen Gebrechen oder ähn ichen der Schulkinder beizustehen. Eine ärztliche Behandlung kranker Schulkinder obliegt dem Schularzte als solchen nicht Infektiöse Erkrankungen in den Schulgebäuden kamen nicht zur Kenntnis des Physikates. Eine solche in der Familie eines Lehrers führte zu dessen temporer Ausschließung aus der Schule. Unter den Schulkindern traten anzeigepflichtige infektiöse Erkrankungen nur in geringer Zahl auf, sodaß eine Unterbrechung des Unterrichtes durch die Schließung einer Schule oder einzelner Klassen nie erforderlich war 5. Humanitätsanstalten. Bauliche Veränderungen in den Armen= und Ver¬ sorgungshäusern kamen im Berichtsjahre keine zur Durch¬ ührung. Ebenso wurde in der Art der Armenversorgung keine Aenderung vorgenommen. Eine Intervention des Physikates baulicher Gebrechen oder sanitärer Verhältnisse wegen wurde nicht nötig Die im Vorjahre durchgeführten Reparaturen an der maschinellen Beheizungsanlage im Städtischen Krankenhause rmöglichten eine Weiterführung dieses Betriebes. Der Mangel an Brennmaterial machte sich aber zeitweise bemerkbar, so aß es in der kalten Jahreszeit nur schwer möglich war, die eizanlage zur Gänze auszunützen Bauliche Veränderungen wurden nicht vorgenommen. Von der Errichtung eines Isolierpavillons mußte auch im Berichtsjahre der Kosten wegen abgesehen werden; dieser Plan wird aber stets im Auge behalten und bei geänderten Verhältnissen sofort zur Durchführung gelangen. Die der¬ zeitige Unterbringung Infektionskranker im alten St. Anna¬ Spital kann ja nur als Provisorium angesehen werden bis zu jenem Zeitpunkte, in welchem ein Neubau eine klaglose solierung gestattet. Die Ueberwachung von Rekonvaleszenten oder zu Beobachtenden ist eine sehr schwere, da in den eigent¬ ichen Isolierräumen nicht eine eigene Abortanlage vorhanden ist und der den bereits gebesserten Kranken zur Verfügung stehende Raum im Spitalshofe eine Abschließung nicht zuläßt Die kleine Typhusepidemie im letzten Winter hat auch gezeigt, daß einzelne Personen ohne Rücksicht auf die andere Bevölkerung nur die eigenen Wünsche zu befriedigen trachten So hat ein Mann, der wegen Thyphusverdacht dem Svitale überwiesen worden war, dieses eigenmächtig für eine Nacht verlassen der ärztliche Dienst wurde von den gleichen Herren wie im Vorjahre versehen. Durch den ärztlichen Betrieb des Spitales ergab sich kein Anlaß zu einer Intervention seitens hysikates des Unter den Bewohnern der städtischen Armen= und Ver¬ orgungshäuser wurden Infektionskrankheiten nicht festgesetzt. 6. Sanitäre Verhältnisse in Gefängnissen, Arresten, Besserungsanstalten und Naturalverpflegsstationen. An den Gebäuden, welche den angeführten Zwecken dienen, wurden keine baulichen Veränderungen vorgenommen. Der ärztliche Dienst wurde in der gleichen Weise wie in früheren Jahren besorgt. In das gerichtliche Gefangenhaus wurde von Seite des Bezirksgerichtes Enns ein Mann als Untersuchungshäftling eingeliefert, der dort Ruhr verdächtige escheinungen geboten haben soll. Derselbe wurde, als dies bekannt wurde, unter Beobachtung gestellt, in einer separaten elle isoliert, auch die Mithäftlinge, mit welchen er anfänglich n einer Zelle war, wurden ärztlich beobachtet, boten aber Die klinischen Er¬ niemals Zeichen einer Erkrankung cheinungen bei den Verdächtigen konnten Ruhrverdacht nicht ützen, ebenso war in den Stuhlproben kein positives Resultat zu erzielen. Andere infektiöse Erkrankungen kamen in den ezeichneten Anstalten nicht zur Beobachtung. Tuberkulöse Häftlinge wurden nach Möglichkeit isoliert oder der Spitals¬ flege zugeführt. Eine Intervention des Amtsarztes wurde von keiner Seite in Anspruch genommen 7. Ueberwachung der Unterbringung und Pflege der Bresthaften. Die Art der Unterbringung jener Armen und Brest¬ haften, für welche die Gemeinde sorgen muß, blieb unver¬ ändert. Das Armenversorgungshaus ist stets voll belegt. Es rägt dazu bei, daß derzeit ältere Personen, die nicht mehr voll erwerbsfähig sind und von keiner Seite eine Unterstützung genießen, mit den von ihnen früher ersparten Geldern nicht mehr das Auslangen finden können und daher es öfters vorziehen, sich in das städtische Versorgungshaus einzukaufen, um sich für ihre letzten Lebensjahre wenigstens vor der ärgsten Not zu sichern Die Betreuung der Armenhauspflege obliegt Ordens¬ schwestern, die diesen mühevollen Beruf mit gewohntem Eifer nachkommen. Gerade die geistig minderwertigen Pfleglinge erfordern eine sorgfältige Ueberwachung, um nicht entweder sich selbst oder anderen Personen oder Dingen Schaden zuzufügen Die steigende Teuerung machte eine entsprechende Er¬ höhung der seitens der Gemeinde an erwerbsunfähige Arme u leistenden Unterstützungen unvermeidlich. Doch wird eine ede solche Erhöhung durch immer neue Preissteigerungen ofort ausgeglichen. Die nicht der Gemeinde zufallenden Bresthaften werden von ihren Angehörigen verpflegt und betreut. Kein Fall von Vernachlässigung solcher Kranken kam zur Kenntnis des Physikates. Ebenso war dessen Einschreiten in den städtischen Armenhäusern erforderlich. 8. Vorkehrungen gegen Infektions¬ krankheiten. Zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten erwies sich die Handhabung der diesbezüglichen Vorschriften als völlig ausreichend. Ungeklärt blieb die Infektionsquelle eines Falles von echten Blattern. Diese Krankheit wurde am 30. Mai 1921 dort bei dem fabriksbekannten Ludwig Götzenfried festgestellt. Derselbe war 13 Tage vorher für einen Tag nach Linz ge¬ fahren, sonst nach seiner Angabe nie in Steyr oder der nächsten Umgebung abwesend. Er gab an, nicht zu wissen auf der Bahnfahrt oder in Linz mit einem Blatternkranken oder Verdächtigen zusammengekommen zu sein. Der Erkrankte wurde in der Expectanzbaracke mit einer Wärterin isoliert. Die Mutter die mit ihm im gemeinsamen Haushalte lebte für die Inkubationsfrist dem Spitale zur Beobachtung zu¬ geführt. Alle Personen, die außer dem Spital nachweislich

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