115 tel geworden, freisinnige Institutionen und namentlich weite Verhandlung aus einem bloßen Streite der Einzelwillkür politische Berechtigung über ausgedehnte Länder zu verbrei¬ über Rechte und Interessen einzelner Stände zu einer weisen ten. Das Karakteristische desselben liegt aber nicht in dem Berathung über das Wohl von Land und Volk sich empor¬ Antheil des Volkes an der Regierung, auch nicht in der schwingen, nun erst die Wahlversammlung zu einem Mittel Vermittlung dieses Antheils durch Absendung von Deputir¬ werden, den Berufensten das Uebergewicht über die numeri¬ ten, sondern einzig und allein nur in dem repräsentati¬ sche Masse zu sichern, nun erst vermag, wie wir gleich ven Karakter dieser Deputirten. Darin liegt aber auch Anfangs dieser unserer Unterhaltung erwähnt haben, die sein unterscheidendes Merkmal von der früheren germanischen höhere Idee des Staates als eines ethischen Institutes sich Ständeverfassung. Denn im germanischen Staatswesen üb¬ zu verwirklichen und, in Beziehung auf Germaniens Gauen, ten eigentlich die Berechtigten ihre Rechte selbst die alte germanische Freiheit in zeitgemäßer Gestalt für die aus, und ganze Stände, alle Fürsten, die gesammte Rit¬ germanischen Volksstämme von Neuem sich zu verjüngen. terschaft, die gesammten Städte, die allein als Gemein¬ Denn ist auch jene Theorie nicht haltbar, welche den Wäh¬ wesen, und nicht ihre einzelnen Bürger berechtigt lern zwar das Recht zutheilt, dasselbe aber von diesen un¬ waren, erschienen auf den älteren Land= und Reichstagen. umschränkt und vorbehaltslos auf die Gewählten übertragen Wie sie nicht in Masse erschienen, sondern durch Deputirte, erscheinen läßt: so stellt doch eine höhere Anschauung des da trat im Mittelalter ein Mandatsverhältniß ein, welches Staates, welche die Postulate des Rechts, der Moralität sich auch in den meisten deutschen Verfassungen vor der Ju¬ und Weisheit zu dessen obersten Zwecken macht, auch den lirevolution noch aussprach. Der Deputirte übte die Rechte Staats=Institutionen die Aufgabe, die bestmögliche Erkennung seines Absenders in dessen Namen und Auftrag, und nach und unverbrüchlichste Festhaltung des Rechten und Guten, dessen Instruktionen. des wahrhaft Zeitgemäßen zu verbürgen und basirt auf ihre Anders im Repräsentativsysteme; hier haben die Ge¬ Vernunftberechtigung. Somit steht den Wählern das Wahl¬ wählten keinerlei Instruktionen Seitens ihrer Wähler, son¬ recht, das weitere Recht aber den Gewählten zu als Man¬ dat — nicht der Wähler — dern folgen lediglich ihrer eigenen Ueberzeugung und ver¬ sondern der Verfassung, pflichten doch damit ihre Wähler, das Volk. Der Reprä¬ und eben darum kann nur dieses Repräsentativsystem allein sentant steht für den Absender da, nicht als dessen Beauf¬ den Völkern in ihren jetzigen Verhältnissen und auf ihrem tragter, sondern als dessen Vertreter, und übt sein eige¬ jetzigen Standpunkte für ihre politische Freiheit und Selbst¬ nes Recht, wenn er auch das Recht zu dieser Uebung durch ständigkeit die wahren und reellen Garantien bieten. Wahl erhalten hat. Nun erst kann die parlamentarische (Fortsetzung folgt.) Reichsrath. Rechtfertigung des längeren Ausbleibens erblicke, was das Herrenhaus. Haus verneint. 3te Sitzung am 24. Juni. Es wird zunächst das Giskra, als Berichterstatter des Adreßentwurfes er¬ Resultat der in der letzten Sitzung vorgenommenen Wahlen klärt, daß die Frage, ob auch in der Thronrede nicht be¬ mitgetheilt. — Graf Auersperg als Berichterstatter entwickelt rührte Gegenstände in der Adresse erwähnt werden sollen, die Motive der Adreßkommission, deren wärmster Wunsch es bejaht wurde, und somit die polnische, deutsche, die Unterrichts¬ gewesen sei, die Ansichten des Hauses zum Ausdruck zu Frage, die konfessionellen Angelegenheiten rc. ihre Würdi¬ bringen. Wird der Adreßentwurf vorgelesen. gung gefunden hätten. Graf Leo Thun beantragt eine Aenderung des Ab¬ v. Tschabuschnigg wünscht, daß Polen eine entspre¬ satzes 4, indem es nicht logisch sei, zu sagen, durch die chende Verfassung unter auswärtiger Garantie erhalte; am Einberufung des siebenbürgischen Landtages sei den übrigen Kriege aber könne Oesterreich sich nur bei Selbstgefährdung Ländern die Theilnahme an den Berathungen eröffnet. Der betheiligen. Antrag wird abgelehnt, der Entwurf ohne weitere Debatte Dr. Berger wünscht, daß die Regierung ihrer deut¬ angenommen und sogleich in die dritte Lesung eingegangen. schen Mission stets eingedenk sein möge, und stellt, obwohl Nachdem noch der Gesetzentwurf bezüglich der Rege¬ in gerechter Würdigung des Darniederliegens des konstitu¬ lung des Heimathsrechtes der politischen Kommission zuge¬ tionellen Lebens in Preußen, die Devise auf: Kein Deutsch¬ wiesen wurde, wird die Sitzung geschlossen. land ohne Oesterreich, aber auch nicht ohne Preußen. Red¬ ner geißelt in scharfen Worten die panslavistischen Träume Abgeordnetenhaus. der Verfasser der heute verlesenen Eingabe, preiset die öster¬ 3te Sitzung am 23. Juni. Die Abtheilungen ha¬ reichische Politik in Bezug auf Polen, und will die bekann¬ ben sich konstituirt. Kuranda beantragt einen Ausschuß ten sechs Punkte mit Energie durchgeführt wissen. (Lebhaf¬ von 9 Mitgliedern zur Berathung des „Gesetzentwurfes be¬ ter Beifall von den Bänken der galizischen Abgeordneten). treffend die Behandlung umfangreicher Gesetze im Reichsra¬ In der ungarischen Frage glaubt er, daß das neuerstarkte the zu wählen, was auch geschieht. Oesterreich den Ungarn entgegenkommen dürfe, welche sei¬ Präsident theilt den Antrag mit, daß künftighin nerseits hoffentlich jetzt auch mit andern Anschauungen um¬ das Sitzungsprotokoll nicht mehr vorgelesen, sondern durch gehen, und ist für Transaktion mit Ungarn (Bravo). drei Tage aufgelegt werde. Geschehe während dieser Zeit Kuranda beglückwünscht die Regierung, daß sie end¬ keine Einsprache, so sei dasselbe als genehmigt anzusehen, lich mit den reaktionären Regierungen gebrochen, den Frie¬ widrigenfalls die Verifizirung vorgenommen werden würde. den aber möglichst lange erhalten will (Bravo). Rußland Nächste Sitzung Donnerstag den 25. Juni. Tages¬ sei Oesterreichs gefährlichster Feind, darum müsse es sich die ordnung: Adreßentwurf. Sympathien Polens erwerben, Polens Protektor werden, 4te Sitzung am 25. Juni. Die an das Präsidium welches sich ja auch gegen die staatsfeindliche panslapistische gerichtete Eingabe eilf böhmischer Abgeordneter wird verle¬ Propaganda stemme. Redner wünscht noch in der Adresse sen. Dieselbe sagt, daß die im Oktoberdiplom anerkannten die Grenze bezeichnet zu sehen, bis zu welcher österreichische Gerechtsame der einzelnen Länder ernstlich bedroht seien Sympathie für Polen gehen könne, und weist phantastische durch Ueberschreitung der Befugnisse des Reichsrathes, und Träume gegen die Integrität Oesterreichs mit Entschieden¬ der Kompetenzgrenzen. Unter solchen Umständen, und da heit zurück. auch Siebenbürgen und das lombardisch=venetianische König¬ v. Grocholski erblickt in der Lösung der polnischen reich noch nicht zur Beschickung des Reichsrathes aufgefor¬ Frage die Feuerprobe der österreichischen Konstitution und die dert worden seien, müßten die Unterzeichner der Eingabe Bedingung der Herstellung eines dauernden europäischen auch ihre passive Theilnahme an der 2ten Session des Reichs¬ Friedens. Die Lösung könne aber nur durch Herstellung der rathes verweigern, insolange nicht diese Uebelstände gehoben. politischen Freiheit Polens geschehen und Oesterreich solle Präsident rügt den Passus der Eingabe, wo von Ueber¬ energisch auftreten, damit Rußland sehe, daß Europa ernst¬ schreitung der Befugnisse des Reichsrathes die Rede ist, und lich in der polnischen Frage zu Werke gehe. frägt das Haus, ob es in der Eingabe eine genügende
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