Der Alpen-Bote vom 9. April 1863

In Neapel hat das gesammte Oberkommando der Nationalgarde seine Demission gegeben, weil der Prä¬ fekt eine Anzahl höherer Offiziere ernannte, ohne zuvor das Gutachten des General=Oberkommandanten eingeholt zu ha¬ ben. In den Gefängnissen zu Neapel befinden sich nach ei¬ ner Berechnung des „Nomade“ in diesem Augenblick nahezu 2000 politische Gefangene. Ein Korrespondent des „Journ. de Ge¬ neve", der soeben in Pompeji war, gibt einen interes¬ santen Bericht über die neuesten Ausgrabungen daselbst. Er erzählte Folgendes: An verschiedenen Gegenden von Pom¬ peji hat das Gemisch von Asche und Wasser eine solide Decke gebildet, welche die Gegenstände bedeckend deren Ab¬ drücke bewahrte. In einem Hause, welches man jüngst nach dem neuen Systeme vertikal ausgrub, erschien, als man ein Stück einer solchen Decke wegnahm, eine Höhle, welche Knochen enthielt. Man goß sofort Gyps in diese vom Vesuv gebildete Form. Als der Gyps fest geworden war, nahm man die Decke weg, worauf sich den Augen ein Anblick darbot, so herzzerreissend als die Phantasie sich nur vorstel¬ len kann. Man erblickte mehrere Leichen in der Stellung, in der bei ihnen der Tod eingetreten war: eine ältere Frau und ein junges Mädchen, die eine zu Füßen der anderen liegend, diese gegen die Erde gewendet, das Haupt auf dem Arme, die Hände zusammengeballt. Nach 18 Jahrhunderten noch von den Todeszuckungen erzählend, welche ihrem Ende vorhergegangen, sind diese Leichen gleichzeitig ein Bild des Todes und der Agonie. In den Abgüssen sind die Skelette enthalten. Hier und dort starren die Knochen durch den Gyps. Wohl keine Statue auf der Welt macht einen Ein¬ druck gleich dieser. Dazu das wissenschaftliche Interesse, das hier gewährt wird. Der Abdruck der Kleider ist sehr be¬ stimmt; um die Beine sind Bänder gewunden von einer Art Trikotstoff, an welchem die Maschen noch ganz deutlich zu erkennen sind; feine Unterhosen, welche bei dem jungen Mäd¬ chen bis zu den Knieen herabgehen. Außer diesen zwei Lei¬ chen fand man die Formen von noch einer Frau und einem Manne. Letzterer mißt 6 Fuß und trägt einen Schnurrbart. Er liegt auf dem Rücken. Seinem Antlitze sieht man die Schmerzen an, welche er gelitten, doch muß er mit Resig¬ nation den Tod erwartet haben. Die Formen der Frau sind von bewunderungswerther Schönheit. — Konstantinopel, 3. April. Heute Nachmittag hat der Sultan seine Reise nach Aegypten angetreten. Brussa ist in der Nacht vom 15. März von einer furchtbaren Feuersbrunst heimgesucht worden. Der Brand kam auf drei Punkten des großen Bazars zum Aus¬ bruche und verzehrte mehr als 300 Kaufladen. Der Scha¬ den wird auf 60,000 türkische Pf. veranschlagt. Der Khan mit den Seidenkokons konnte in Folge großer Anstrengun¬ gen noch gerettet werden. Inland. Wien, 4. April. Das Carronsel in der k. k. Hof¬ Reitschule. In dem photographischen Lager von Oskar Kramer sind die soeben erschienenen, äußerst gelungenen photographischen Porträts der hohen Theilnehmer des jüngst stattgefundenen Carrousels einzeln und gruppenweise, zu Fuß und zu Pferd, in großer Zahl vorräthig, und sie dürf¬ ten, abgesehen von dem hohen Interesse an den Persönlich¬ lichkeiten durch die malerischen, historisch treuen Trachten, den dabei entfalteten Reichthum und die künstlerischen Grup¬ pirungen einzig in ihrer Art dastehen und sich zur Anlage besonderer Albums eignen. — Wien=Amsterdam. In Folge der großen Kaffee¬ Auktionen, welche wie alljährlich so auch heuer in Amster¬ dam, am 23. und 24. März stattgefunden, sind gestern auf der Westbahn, und zwar mit Benützung der Vortheile des jüngst in's Leben getretenen direkten Güterverkehrs, neun volle Wagenladungen Kaffee hier angelangt, welche schon am achten Tage nach ihrer Absendung von Amsterdam im hiesigen Hauptzollamte bezogen werden konnten. Ebenso tra¬ 2 fen Sendungen von Rotterdam hier ein, welche schon am siebenten Tage bezogen wurden. Linz, am 7. April. Linz war gestern der Schauplatz eines Ereignisses, dessen Kunde die Stadt mit Blitzesschnelle durcheilte und einen tief erschütternden Eindruck machte. Es war nicht die entsetzliche That allein, die diesen Eindruck hervorbrachte; es war mehr noch der Gedanke, daß in un¬ serem Staatsorganismus Einrichtungen bestehen, welche es zulassen, daß unter dem Scheine sicherstellender Controle ein Verbrechen bis zu solchem Ende sich ausbildet. Das Na¬ here hierüber stellen wir für unsere Leser aus der Quelle des allgemein verbreiteten Gerüchtes und der öffentlichen Meinung zusammen. Diese letztere hatte den noch immer unbekannten Verlustträger der am 11. v. Mon. gefundenen 18,000 fl. mit der am 21. v. Mon. stattgehabten Scontri¬ ung der Landeshauptkassa um so mehr in Verbindung ge¬ bracht, als eine solche schon seit Monaten nicht Platz ge¬ griffen hatte. Es mußte daher großes Aufsehen erregen, am 4. d. M. um 10 Uhr Morgens ganz unerwartet eine Scontrirungs=Commission von Wien hier eintreffen zu sehen. Dieselbe bestand aus dem Central=Oberinspector der Finan¬ zen, Hrn. Steinbichl, dem Rechnungsrathe der Cameral¬ Hauptbuchhaltung Hrn. Petz und dem Oberbuchhalter der Nationalbank Hrn. Schneller. Sie verfügte sich ohne Zö¬ gerung in die Landeshauptkassa, wo selbstverständlich um diese Stunde die Parteien versammelt waren und erklärte, daß die Auszahlungen wegen beginnender Scontrirung so¬ gleich sistirt werden müssen, was auch geschah. Das Ge¬ schäft dauerte Samstag bis spät Abends, wie auch über den Sonntag und Montag fort, und es verlautete, daß Alles in Ordnung befunden worden sei. Gestern um halb 11 Uhr Vormittags begab sich der Landeshauptkassa=Direktor, Herr Karl Schmidt, während die Commission fungirte, aus dem Amtslokale der Landeshauptkassa auf den Abort daselbst wo er zufällig kurze Zeit darauf am Boden liegend gefun¬ den wurde. Man glaubte anfänglich, daß er vom Schlage gerührt worden sei, als man ihn aber aufhob, zeigte es sich zum Entsetzen aller Anwesenden, daß der Hals des Unglück¬ lichen mit einem Barbiermesser derart bis an den Halswir¬ bel durchschnitten sei, daß durch die Gewalt des geführten Schnittes eine Scharte im Barbiermesser entstand. In der Brusttasche seines Rockes fand man die Summe von 12,000 Gulden. Das Gerücht von dem entsetzlichen Vorfalle ver¬ breitete sich sofort durch die ganze Stadt und versammelte eine große Menschenmenge vor dem Amtsgebäude, wo in¬ zwischen die gerichtliche Commission erschienen war. Der Leichnam wurde gegen 1 Uhr nach Mittag in die Todten¬ kammer des Friedhofes zur gerichtlichen Obduction überführt. Herr Schmidt, 53 Jahre alt, war hier ein wegen seiner Freundlichkeit und Gefälligkeit allgemein beliebter Mann, welcher eine Witwe und neun Kinder hinterläßt. Der Auf¬ wand im Hause konnte bei seinen jährlichen Einkünften von 3000 Gulden durchaus kein unverhältnißmäßiger genannt werden. Es gewinnt daher den Anschein, als ob die öffent¬ liche Stimme nicht zu irrig urtheilte, wenn sie das Gerücht von abgängigen Summen dahin deutet, daß andere mehr als er selbst den Vortheil davon genossen haben. Die Con¬ sequenzen dieses tragischen Ereignisses lassen sich vor der Hand noch nicht überblicken. (Linzer Abendb.) Ausweis über das Gebaren der Welser Sparkasse. Stand des Interessenten Guthabens Ende Februar 1863. 74660 fl. 57 kr. an kapitalisirten Zinsen im Monate Fe¬ bruar 1863 102 fl. 81½ kr. an Einlagskapitalien im Monate März 1863 3478 fl. 71 kr. 78242 fl. 9½ kr. an 17 Parteien im Monat März 1863 zurückbezahlt 2253 fl. 35 kr. verbleibt den Interessenten Ende März 1863 ein Guthaben von 75988 fl. 74 kr. . .

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2