7 Die Burg Aggstein und ihre Geschichte. Auf einer hohen, steilen Felsenspitze nächst der Donau, drei Stunden unterhalb Melk, zwei von Schönbühel, zwischen den Dörfern Aggsbach und St. Johann, erheben sich die Ruinen der Bergfeste Aggstein, die in geschichtlicher Hinsicht nicht minder, als des kühnen Baues und weitläufigen Umfanges wegen, zu den merkwürdigsten und ansehnlichsten Burgen von Niederösterreich gehört. Von dem, am Fuß des Berges an der Donau gelegenen Dorf Aggstein windet sich, bald mehr bald weniger steil, durch Gebüsche, in Felder verwandelte Weingärten und dichte Waldung der Pfad den mächtigen Felsen hinan. Für den bequemeren Wanderer führt der alte, durch den verstorbenen Grafen Franz von Beroldingen wieder hergestellte Fahrweg, auch von dem jetzigen Besitzer des Gutes Aggstein bestens erhalten, zu den Ruinen hinauf, welche man, je nachdem man den einen oder den andern Weg einschlägt, nach einer Stunde oder in der Hälfte dieser Zeit erreicht. Auf einem dritten und noch angenehmeren, sich bald erhebenden, bald senkenden, nicht beschwerlichen Wege gelangt man in einer Stunde vom Servitenkloster Langeck, dessen schöne Kirche mit den Fresken von Joseph von Mölk (nicht Welk) besichtigt zu werden verdient, den oberen Hof (einen Maierhof des Klosters) vorüber, durch schattenreiche Waldungen auf eine freiere Ebene, wo man dem Eingänge der Burg gegenübersteht. Wer die Wege von der Donau herauf wählt, wird durch waldige Berge, steinige Schluchten und den tief unten langsam dahin wogenden Strom allmälig auf jene ernsten, wehmütigen Gefühle vorbereitet, die der Anblick jeder Zerstörung eines großen Menschenwerkes und jedes Denkmals irdischer Vergänglichkeit erweckt; und Riesenbilder gräuelvoller Zeiten steigen wie furchtbare Geistergestalten im grauen Nebelgewand dunkler Sagen und Erinnerungen aus dem unergründlichen, schauervollen Grabe der fernen Vorzeit empor. Man eilt die Trümmer zweier kleiner Vorgebäude, für die Bedürfnisse friedlicher Wirtschaft erst später erbaut und nichts Merkwürdiges bietend, vorüber, den noch ziemlich tiefen Schlossgraben auf einer Holzbrücke überschreitend, zum ersten Tor der Burg, welches dieselbe vor mutwilliger Zerstörungssucht schützend, immer geschlossen ist, und wozu man den Schlüssel (wie auch die Begleitung eines Führers) sowohl im Gasthaus des Dorfes Aggstein als im Kloster Langeck erhält. Drei Tore hintereinander (noch nicht in schiefer Richtung, nach Dürers Grundsätze), zwei Hallen und einen Hofraum bildend, verteidigten den Eingang in das Innere, und die Spuren der alten Wallgänge ringsum in der Höhe, zeugen von den trefflichen Anstalten, wodurch man dem Feinde jeden Schritt vorwärts zu erschweren bemüht war. Gleich innerhalb des ersten Tores, im Rücken der Hauptfeste, ragt auf einem steilen, freistehenden Felsen, dessen Wände zum kühnen Baue benützt sind, eine große, hohe Warte empor. Durch eine, bis auf einzelne Stücke verfallene Mauer mit dem übrigen Schlossgebäude verbunden, war dieses Vorwerk bestimmt, zugleich nach allen Richtungen eine weite Fernsicht über eine ausgedehnte Strecke der hier in mehreren Krümmungen fließenden Donau und südwärts nach Langeck, nach dem Markt Gansbach und dem jetzt der Abtei Göttweig gehörigen Schloss Gurhof hinüber zu gewähren, wie auch dem ersten feindlichen Andrang den härtesten Widerstand zu thun. Auf einer hölzernen Treppe steigt man aus dem Burghofe zu diesem „Lueg ins Land“ hinauf, und blickt schaudernd in den ungeheuren Raum der Zerstörung hinab. Jede Stelle auf dieser Höhe ist vortrefflich benützt, die Wallgänge der mächtigen Mauern sind noch gut erhalten, in Felsen gehauene Stufen führen zwischen Stein und Mauerwerk zur Zinne hinan. Zwischen den drei Toren zeigen sich beiderseits verfallene Wohnungen der Dienerschaft, Stallungen und Wirtschaftsgebäude und rechts innerhalb des zweiten Tores am Boden eines kleinen Gemaches mit einem Spitzbogenfenster eine tiefe Öffnung, welche allgemein als der Eingang zu Burgverliesen betrachtet, von Einigen viel unwahrscheinlicher für eine Zisterne oder für die Mündung unterirdischer Gänge gehalten wird. Beiläufig vor fünfzig Jahren sollen in der Tiefe dieses Loches noch gebleichte menschliche Gebeine sichtbar gewesen sein.
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