Burg Aggstein und die Burggrafen von Steyr

42 Zeit der Kuenringer zu Aggstein,1 und führt dann weiter die den Georg Scheck von Wald betreffende Stelle der Chronik von Melk an, wodurch man sich verführen ließ, die Identität der beiden Personen zu verkennen. Um aber die Schwierigkeit zu heben, welche das gleichzeitige Dasein der Kuenringer und eines Raubritters Schreckenwald zu Aggstein verursachte, glaubte man einen Ausweg gefunden zu haben, indem man die Vermutung aussprach, dass Schreckenwald entweder der Beiname eines Burgvogtes Hadmars des Hundes von Kuenring oder eines Raubritters gewesen sei, der sich unter den damaligen Unruhen, vielleicht erst in jener gräuelvollen Anarchie, die nach des Herzogs Friedrich II. Tod (1246) auf Österreichs gesegneter Erde lastete, auf kurze Zeit der Kuenringischen Burg Aggstein bemächtigt hatte und dessen Vor- und Familien-Name (da unter dem österreichischen Adel jener Zeit keine Familie Schreckenwald vorkommt) in gänzliche Vergessenheit geriet.2 Wenn man erwägt, dass Huebers Zeitangabe auf keiner alten schriftlichen Aufzeichnung beruht,3 sondern nur aus seiner subjectiven Ansicht und Meinung hervorging; dass Volkssagen in chronologischer Hinsicht höchst unzuverlässig sind und meistens die Zeiten durcheinander zu werfen pflegen; der Inhalt der Sage aber sonst, besonders bei der auffallenden Ähnlichkeit der Namen, am passendsten auf den berüchtigten Georg Scheck von Wald bezogen werden kann, welchen das Volk, von Furcht und Hass gegen ihn erfüllt, lieber den Schreckenwald nannte, was seiner menschenfeindlichen Tücke gewiss nicht missfiel da man endlich auf den Blättern der Geschichte, ohne durch die vollgültigsten Gründe dazu genötigt zu sein, verworfene Charaktere nicht vervielfältigen soll: so scheint es allerdings (wenn man etwa noch Zweifel dagegen erheben wollte) wenigstens der Wahrheit am nächsten zu kommen, dass man mit Adam von Weingarten (nach der ersten Andeutung bei Köpp von Felsenthal, der übrigens mehrere Schecken von Wald zu Aggstein annimmt) von der Meinung, welche Schreckenwald für den Beinamen eines Pflegers der Kuenringer annehmen will, „der im Sinn seiner Herren auf Aggstein gehauset, bis er bei Eroberung der Feste von den versammelten Rittern gerichtet und zum Tod durch das Schwert, wie die Sage erzählt, verurteilt ward,“ gänzlich abgeht; wie denn „die Ähnlichkeit des Namens, der Taten und Lebensgeschichte mit Jorg Scheck vom Wald für die größte Wahrscheinlichkeit spricht, dass die Sage Zeit und Mann verwechselte und Schreckenwalds Untaten, freilich noch durch sie vergrößert, auf Jorg zurückfallen, der nach dem Zeugnis aller Chroniken, dem Räuber an bösen Sitten nicht ungleich, wohl mancher Grausamkeit fähig war, die jenem Bösewichte zugeschrieben wird.“4 Sind aber Schreckenwald und Scheck von Wald, wie mir nach reiferer Prüfung nun für erwiesen gilt, nur eine und dieselbe geschichtliche Person, so muss freilich die tragische Sühne seiner Verbrechen unter dem Beil des Henkers als eine im Geiste des Volkes hinzugefügte Ausschmückung der Sage erklärt werden, welches die verdiente Strafe eines Missetäters gerne als wirklich vollzogen darstellt und das bekannte Vorrecht der Maler und Dichter — „quidlibet audendi“ — häufig für sich in Anspruch nimmt. 1 Huebers schwankender Zeitbestimmung gemäß, schreibt Dielhelm, dass Aggstein „vor ungefähr vierhundert Jahren“ ein berühmter Straßenräuber Namens Schreckenwald bewohnte. 2 Hormayrs Archiv 1827, S. 21, welches dann Andere, ohne ihre Quelle zu nennen, benützten, wie Schweickhardt meine Handschrift für den Herrn Grafen von Beroldingen. 3 Wenn Koch (Donaureise, S. 65-67) sowohl die Sage von Schreckenwald als die Notiz von 1467 in der Chronik von Melk aus den „Annalen von Zwetl“ anführt, wie die Erzählung von Hadmar dem Kuenringer zum Jahr 1232, so ist dieses einem Gedächtnisfehler oder der Unbekanntschaft mit dieser Quelle selbst zuzuschreiben, worin weder Schreckenwald noch Georg Scheck von Wald vorkommt. 4 Nach dem Obigen, wofür auch Zeit und Umstände sprechen, ist also die vom Freiherrn von Lichtenstern herrührende Notiz in der allgemeinen Encyklopädie von Ersch und Gruber (II. Tl. S. 191) ebenfalls zu berichtigen, dass Aggstein, vormals ein eigenes Dominium, jetzt ein Bestandteil der Herrschaft Schönbühel, die Herren von Aggstein vom 12. - 13. Jahrhundert besaßen; dass es dann ein Eigentum des berüchtigten Räubers mit dem Beinamen Schreckenwald wurde, „der es sich durch seine Kühnheit erwarb, darin seinen zahlreichen Gegnern Trotz bot, und die gefangenen Adeligen, welche sich Dicht mit großen Summen auslösten, von dem Felsen herabstürzte oder im Verließ verhungern ließ, bis er endlich bezwungen wurde und seinen verdienten Lohn erhielt. Auch im fünfzehnten Jahrhundert benützte der Baron Scheck, Eigentümer dieses Schlosses, die bequeme Lage desselben zu Räubereien, bis er 1467 durch die (sic) von Graveneg vertrieben wurde und endlich im Elend starb.“

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