41 denjenigen gesagt wird, denen kein Mittel den äußersten Übeln zu entrinnen übrig ist. Denn in jenem Teil des Schlosses, der gegen die Donau und nach Norden sieht, befindet sich, wie noch heute zu sehen ist, ein schrecklicher hervorragender Fels unter freiem Himmel, mit der Burg verbunden, auf welchen Schröckenwald, wie man sagt, seine gefangenen Feinde durch eine eiserne Pforte herauszustoßen pflegte. Daher mussten die Unglücklichen, da ihnen jeder Weg zur Flucht abgeschnitten war, entweder durch Hunger oder indem sie durch den Sturz in den Abgrund den Hals brachen, zu Grund gehen. Dennoch entkam glücklich von dort einer der Adeligen, welcher von der Grausamkeit Schröckenwalds gegen seine Feinde Kunde gab und die benachbarten Ritter zur Rache aufforderte, welche sie bald darauf durch die Gefangennehmung und Enthauptung Schröckenwalds vollzogen. So wird gemeiniglich die Sache erzählt.“1 Die Sage setzt noch hinzu, Schreckenwald selbst, zur Grausamkeit den Spott fügend, habe jenes fürchterliche Felsenstück sein Rosengärtlein genannt, die Ankunft der Schiffe nicht bloß vom Blashaus aus erspähen lassen, sondern auch die Donau bei seinem Mauthaus zu Aggstein durch eine von einem Ufer zum andern gezogene Kette gesperrt, und die geplünderten Gefangenen entweder im tiefen Verließ schmachten (wenn nicht verhungern) lassen, oder sie in Schlingen oder auf Knebeln in der Luft schwebend über die Felsen hinaus gehangen, um schweres Lösegeld von ihnen zu erpressen. Daher sei jenes Sprichwort bei dem Landvolk entstanden, das von Jedem galt, den die Größe der Not und des Elends aller Hoffnung auf Hilfe und Rettung beraubt hat. Die alte Chronik von Melk oder die Annalen dieser Abtei, 1123 verfasst und bis 1564 von verschiedenen gleichzeitigen Händen fortgeführt, vergaß, der trockenen Weise solcher Jahrbücher getreu, dieser Schauergeschichten auch nur kurz zu erwähnen, und fand nur zum Jahre 1467 die Eroberung von Aggstein wichtig genug, sie nicht mit Stillschweigen zu übergehen, indem sie ganz einfach erzählt: „Der höckerige, aber mächtige Landherr Scheck, an Bösartigkeit den Straßenräubern nicht ungleich, wird zu Aggstein durch den Grossvonecker mit Gewalt bezwungen und auf ewig seiner Habe und Würde beraubt, so dass der Elende kaum seinen dürftigen Unterhalt hat, der vorher sechs Schlösser besaß.“2 Der Widerspruch dieser Nachricht mit den der Sage angehörigen Umständen hat arge Verwirrung in die Geschichte von Aggstein gebracht, die ich selbst in meinen älteren Aufsätzen über diese Burg mit vielen Andern teilte, weil ich, im allzu großen Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Angabe meines Vorgängers Hueber, auf eine eingehendere Untersuchung derselben verzichtete. Dieser setzt nämlich die Begebenheit mit Schreckenwald beiläufig (circa) in das dreizehnte Jahrhundert, also in die 1 Hueber Austria etc. p. 235-236, welchem der ungenannte Verfasser der neuen europäischen Staats- und ReiseGeographie, II. Bd. Leipzig u. Görlitz 1752. S. 580, Hübner (Allgemeine Geographie III. Thl. Dresden u. Leipzig 1762. S. 211) und Dielheim (Antiquarius des Donau-Stroms I. Bd. S. 358-359), beide dem vorgenannten geographischen Werke nachschreibend, dann Weiskern (Topogr. v. Niederöst. I. Tl. S. 7) und die neueren Topographen gefolgt sind, jeder die einfache Sage nach seinem Geschmack ausmalend. Die angeführte Staats- und Reise-Geographie macht die Bemerkung, dass das Bergschloss Aggstein sehr fest sei, „wiewohl es ehedem noch weit mehr Befestigung mag gehabt haben,“ und berichtet: „In denen Geschichten findet man, dass es einem fameusen Räuber, Schreckenwald genannt, zum Besitzer gehabt, welcher nach seinem bösen Mutwillen diejenigen, so er gefangen bekam, von der Höhe des Schlosses herab ins Gesträuche stürzte, weswegen man dessen Bezirk Schreckenwalds Rosengärtlein zu nennen pflegte.“ Jurende (Mähr. Wanderer oder vaterländ. Pilger für 1837, S. 290) legt mit psychologischer Berechtigung dem Unmenschen die höhnenden Worte zu den jammernden Opfern seiner Grausamkeit in den Mund: „Ihr müsset doch Schreckenwalds Rosengärtlein kennen lernen!“ 2 „Scheck baro gippus, sed potens, latrunculis malicia non impar, in Axstain per Grossvonecker expugnatus privatur perpetue rebus et dignitate; ita ut miser vix prebendam habeat, qui prius sex habebat castra.“ (Chron. Mellic. ap. Hier. Pez, Scriptor. rer. austr. T. I. col. 261. Pertz Monument. Germaniae histor. T. XI p. 521.) Das Wort Baro wird hier nicht für das deutsche Freiherr gebraucht, sondern Barones terrae wurden im Latein der österreichischen Chroniken „die Landherren“ (Nobiles terrae in Urkunden), Edelherren, genannt. Praebenda, eigentlich Pfründe, bedeutet hier den sicheren, bestimmten, ausreichenden Lebensunterhalt, die Verpflegung, Versorgung überhaupt. Die Jahreszahl 1467 wird hinsichtlich Schecks später berichtigt werden.
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