19 der Ort, in die Ursachen und Verwicklungen dieses erbitterten Kampfes einzugehen; noch ist der Schleier nicht vollkommen gelüftet, welcher dieselben deckt; und gerne überlassen wir diesen schwierigen Versuch den jüngeren Kräften unserer, auch in der Wissenschaft unaufhaltsam fortschreitenden Zeit, die für den ebenso gerechten als menschenfreundlichen Grundsatz, dass beide Parteien, ohne sich von vorgefassten Meinungen und befangenen Urteilen der Vorgänger einnehmen zu lassen, gehört werden müssen, vor dem erhabenen Richterstuhl der Geschichte die vollste Geltung verlangt. Die feste Hand, womit Herzog Albrecht I. die Zügel der Regierung führte, und vorzüglich die zu großem Ansehen und Reichthum führende Gunst, welche seine aus Schwaben eingewanderten Räte genossen, erregte bei dem österreichischen Adel allgemeine Unzufriedenheit, die sogar in offene Empörung ausbrach. Leutold von Kuenring, durch die Menge seiner Güter, Lehensleute und Untertanen wohl der Mächtigste unter den Landherren, galt für das Haupt des Bundes, auf die Unterstützung des römischen Königs Adolph von Nassau und Wenzels II. von Böhmen allzu voreilig vertrauend. Da auch der ungarische Graf Iwan von Güssing, durch seine verwüstenden Einfälle in Österreich noch in üblem Andenken, und die Wiener, durch die eigene bittere Erfahrung klüger gemacht, vergeblich um Beistand angerufen worden, so war das Bündnis der Empörer teils durch ihre unschlüssige Untätigkeit, teils durch die freiwillige Unterwerfung der Meisten bald getrennt, und die Häupter desselben zogen sich in ihre festen Burgen zurück, wo sie Albrechts Heeresmacht, aus Schwaben und aus seinen Stammlanden herbeigezogen, bedrohte. Der alte Leutold von Kuenring konnte sich noch nicht entschließen, der schriftlich gegebenen Zusage des Königs von Böhmen, der nicht mehr als fünfhundert Mann geschickt hatte, zu misstrauen; daher eilte er, als Albrecht mit überlegenen Streitkräften gegen ihn heranzog, nach Prag, um schleunige Hilfe zu erwirken. Nachdem er Tage lang umsonst geharrt hatte, den König zu sprechen, erhielt er durch einen Eilboten die bestürzende Nachricht, dass der Herzog schon eines seiner Schlösser erobert, ein anderes zur Übergabe gezwungen, den übrigen gleiches Schicksal bevorstehe.1 Um seinem gänzlichen Verderben zuvorzukommen und wenigstens Tirnstein und Feldsberg zu retten, ritt er, schmerzlich enttäuscht, nach Österreich zurück, sich der Gnade Albrechts zu unterwerfen, welcher seinem irregeführten, betrogenen Dienstherrn und Rat2 versöhnt die Hand reichte und ihn mit der Versicherung beruhigte, er wolle ihm wieder so hold sein, wie je zuvor. Doch musste Leutold später nicht blos durch eine an Eidesstatt gefertigte Verschreibung dem Herzoge kräftigen Beistand gegen Jedermann, besonders gegen den König Adolph geloben, sondern auch durch eine zweite Urkunde, beide zu Wien am 25. Juni 1296 gegeben, damit das Versprechen verbinden, dem Herzog für die erlangte Verzeihung beständig treu zu sein und zu dienen; zugleich überließ er zur besseren Sicherheit des gegebenen Wortes seine Burgen Spitz und Wolfstein auf fünf Jahre dem Schwaben Eberhard von Walsee, und indem er ferner dem Herzog die (noch in fremden Händen befindliche) Burg und Stadt Weitra zu übergeben gelobte, gab er indessen seine Burg Windeck und zwanzig Pfund Geldes in Eberhards von Walsee Gewalt, dem Herzog aber die Stadt Zistersdorf mit allen seinen Besitzungen auf dem Marchfeld, jedoch nur bis zur wirklichen Übergabe von Weitra; bis dahin sollten auch Spitz und Wolfstein als Pfand, dann zwar nicht mehr als solches, und in Fuggers (Birkens) Ehrenspiegel des Erzhauses Österreich, sehe man vorzüglich Kurz, Österreich unter den Königen Ottokar und Albrecht I. I. Tl. S. 74-75, 173-184. Lichnowsky, Geschichte des Hauses Habsburg I. Thl. S. 284285. II. Thl. S. 85-95. Sporschil, Geschichte der österr. Monarchie II. Bd., S. 48-55. 1 Nach den älteren Erzählungen und ihren Nachschreibern verlor Leutold teils durch Gewalt, teils durch L bei gäbe bei vierzig Schlösser, darunter Aggstein, Tirnstein, Mollenburg, Peckstall, Streitwiesen, Weiteneck, Grünberg, Rastenberg, Ottenschlag, Litschau, Meissau, Feldsberg, Rheinwald. Allein aus dieser Zahl sind mehrere, wie Tirnstein, Litschau, Feldsberg, zu streichen; andere gehörten nicht dem Leutold von Kuenring, sondern Lehensrittern desselben, so Streitwiesen der gleichnamigen Familie; Meissau aber wird ganz irrig beigesetzt, weil die Herren von Meissau nicht mit Albrechts Gegnern verbündet waren. Rheinwald ist nirgends zu finden und für einen Schreibfehler zu halten. (Etwa Achswald?) Die Eroberung oder Übergabe von Aggstein ist wohl in die zweite Hälfte des Jahres 1295 zu setzen; denn die Begnadigung seines Besitzers muss schon zu Anfang des folgenden geschehen gewesen sein, da in Albrechts Handfeste für die Stadt Wien vom 11. Februar 1296 unter den Zeugen Leutold von Kuenring die Reihe der „werten Dienstmannen“ eröffnet. 2 In des Grafen Albrecht von Habsburg, Reichsverwesers in Österreich und Steiermark, Handfeste für Wien von 1281 werden unter seinen Räten Leutold von Kuenring der Schenk und dessen Bruder Heinrich genannt.
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