9 und Mauern besteht. Hier kommt man über eine in den Felsen eingestemmte, freie Holztreppe in die Kapelle, deren schmale Tür (im flachen Kleebogen ohne Umrahmung) im Schiff, und zwar an der Epistelseite angebracht ist. Auch diese heilige Stätte ist, wie beinahe jeder andere Teil des Raubnestes ganz isoliert gebaut, damit der Feind jeden Fußbreit mit einer neuen Belagerung, mit einem neuen, blutigen Sturme zu erringen gezwungen war. Sie steht nämlich mit dem Hauptgebäude nur dadurch in Verbindung, dass in der Rückwand, dem Hochaltäre gegenüber, zwei kleine, niedrige, in die Breite gezogene Fenster sich in ein Gemach öffnen, welches allem Anscheine nach, als Oratorium für den Burgherrn und seine Familie gebraucht ward. Die Kapelle ist ein länglicher Raum mit halbrunder Apsis; die Rippen der spitzbogigen Kreuzgewölbe, aus Schmiege, Hohlkehle und grätigem Rundstab bestehend, treten, wie im Kreuzgang der Karthause Gaming, unmittelbar aus den Wänden hervor; die kleinen, schmalen Spitzbogenfenster (eines im Chor oder Presbyterium über dem Altar, zwei im Schiffe an der Epistelseite; die Wand gegenüber ist ohne Fenster) haben weder Pfosten noch Füllung und erweitern sich nach innen. Der niedrige Scheidebogen ist bei zwölf Fuß breit. Die kleine, niedrige Apsis oder der Chor hat ein Gewölbe, dessen Rippen in eine Spitze zusammenlaufen; die Mauer ist hier sehr dick, und hat an der Evangelienseite des Altars eine viereckige kleine Nische, welche zum Sakrament-Häuschen oder Wandtabernakel, später um die Messpollen (Kännchen) und Tasse hineinzusetzen diente. Die etwas breitere Decke des Schiffes ist eingestürzt. Obwohl am Scheidebogen mit roter Farbe und neueren Schriftzügen die Jahreszahl 1113 in dieser Gestalt J. L. L. o angeschrieben ist, so stellt sich doch die Kapelle als ein Bau aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts dar, welcher ohne Zweifel dem schon genannten Georg Scheck von Wald sein Dasein verdankt. Die von mir in den bereits erwähnten ungedruckten Beiträgen zur Geschichte von Aggstein, dann wieder in Hormayrs Archive, hierauf aus diesen Aufsätzen auch in Schweickhardts Beschreibung und bei seinen Nachfolgern enthaltene Angabe, dass das Presbyterium sich „durch die Gestalt der Bogenstellung und des ganzen Baues überhaupt als ein Werk des zwölften Jahrhunderts“ zeige, ist nur aus meiner damaligen Unkenntnis des altdeutschen Baustils und seiner Veränderungen entstanden, mit welcher sich der feste Glaube verband, dass, wie schon Deppisch bemerkte, jene Jahreszahl in arabischen Ziffern, welche bei einer Erneuerung der Kapelle die ursprünglichen römischen (MCXII1) verdrängten, sich auf den gegenwärtigen Bau als auf den ältesten beziehe, daher ich das Schiff, bei welchem mich keine vorgefasste Meinung blendete, schon damals mit Beeilt als ein jüngeres Bauwerk erkannte. Zu allem Überfluss fügte ich in den gedachten ungedruckten Beiträgen die Bemerkung hinzu, „dass jenes halbrunde Gewölbe (die Apsis) mit der angeblich von den Templern erbauten Kapelle zu Petronell und mit der Pantaleons-Kapelle zu Medling, auf welcher der Glockenturm der Pfarrkirche steht, viele Ähnlichkeit habe und schon dadurch ein sehr hohes Alter verrate;“ was auch Schweickhardt getreulich nachschrieb. Außer den Spuren der rings an den Wänden gemalten Consecrations- oder Apostelkreuze sieht man noch die Reste der drei steinernen Altartische, deren einer in der Apsis, zwei an der schmalen Mauer es Schiffes neben dem Scheidebogen sich befinden. Zurzeit, als der Benedictiner von Melk, Gottfried Deppisch, seine Geschichte des heiligen Coloman herausgab (1743), war auf dem Fron- oder Hochaltar das „von junger Hand gemachte“ Bildnis der Heiligen Georg und Colomann, zu deren Ehre die Kapelle geweiht war, und auf einem der beiden Nebenaltäre, an der Evangelienseite, „ein sehr altes Gemälde des heiligen Colmanns allein“ zu sehen, welches Deppisch in Kupfer gestochen seinen Lesern vorlegte. In diesem „vor ungefähr dreihundert Jahren gemalten“ Bildnisse, (wie der Verfasser aus den, links vom Haupt des Heiligen in alter Schrift beigefügten Worten: S. Colmannus abnehmen zu können glaubte) erscheint St. Colomann in Pilgertracht, in der rechten Hand einen langen, mit einer Schlinge versehenen Strick, das Werkzeug seines Martertodes, in der linken den Pilgerstab tragend; an der rechten Seite hängt an einem Riemen eine sogenannte Feldflasche mit dem österreichischen Bindenschild bezeichnet, und ein kleiner Trichter zur Füllung derselben; der Hut ist mit den bekannten Jakobsmuscheln und mit drei kleinen Bildern geziert, welche ein altes Kirchenportal, einen Bischof und das mit dem kreuzförmigen Nimbus umgebene Christus-Haupt vorstellen.1 1 Deppisch S. 135-137 mit der Kupfertafel zu Seite 65. Selbst das enge, schlotförmige Glockentürmchen, aus welchem
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