Burg Aggstein und die Burggrafen von Steyr

1 Burg Aggstein und die Burggrafen von Steyr DIE BURG AGGSTEIN IN ÖSTERREICH VON IGNAZ FRANZ KEIBLINGER, CAPITULAR, BIBLIOTHEKAR UND ARCHIVAR DES BENEDICTINERSTIFTES MELK. Redigiert von Hans Stögmüller Vorwort Als der Verfasser der gegenwärtigen Monographie 1827 in des Freiherrn von Hormayr Archiv für Geschichte usw. mit einem Aufsatz über die Ruinen von Aggstein vor dem Publikum auftrat, hatte diese in mehrfacher Hinsicht jugendliche und fehlerhafte Arbeit über alle Erwartung das unverdiente Glück, mehr des allgemein ansprechenden Inhalts, als der an manchen Mängeln leidenden Form wegen, eine so nachsichtsvolle, freundliche Aufnahme zu finden, dass derselbe dadurch angespornt wurde, noch reichhaltigere Materialien aus allen ihm bekannten und zugänglichen Quellen über diesen interessanten Gegenstand der vaterländischen Topographie zu sammeln, und eine neue Bearbeitung des erwähnten Aufsatzes vorzubereiten, wodurch zugleich die erwünschte Gelegenheit gegeben ward, nicht bloß vollständigere Beiträge zur Geschichte der merkwürdigen Burg zu liefern, sondern auch irrige Angaben zu berichtigen und dabei die neuesten, an erdichteten Umständen überreichen literarischen Erzeugnisse, welche Aggstein betreffen, zu berücksichtigen.1 Es bedarf übrigens wohl keiner Entschuldigung, dass einzelne Stellen aus der älteren Bearbeitung in diese neue aufgenommen wurden, da es dem Verfasser nicht um die Aufgabe einer Stilübung zu tun war und für das, was einmal deutlich, richtig und passend gesagt war, auf neue Ausdrücke und Wendungen zu sinnen. Möge den folgenden Blättern die gleiche Aufmerksamkeit und Nachsicht geschenkt werden, welche einst dem zu Grunde liegenden Aufsatz gewährt wurde! 1 Berichte und Mittheilungen des Altertums-Vereines zu Wien 1856 https://archive.org/stream/gri_33125006995266/gri_33125006995266_djvu.txt

2 Zur Literatur von Aggstein. Es würde ganz unnütz und dem Verfasser in seiner Lage unmöglich sein, die zahlreichen älteren und neueren Geographien, geographischen Wörterbücher und Handbücher für Reisende, namentlich für Donaureisen, anzuführen, welche die Burg Aggstein erwähnen, da ihre Nachrichten größtenteils aus den nachstehenden Quellen geschöpft, und nur, nach eines jeden Abschreibers Belieben und Laune, meistens auf Kosten der Wahrheit verändert, erweitert und — entstellt sind, so dass die trostlose Äußerung des Geschichtsschreibers Flavius Yopiscus zu seinem Freunde Junius Tiberianus .recht eigentlich auf die geschichtlichen Nachrichten über Aggstein anwendbar ist: „neminem scriptorum, quantum ad historiam pertinet, non aliquid esse mentitum.“ (Div. Aurelian, cap. 2.) Zeiller Martin, Itinerarium Germaniae nov - antiquae: Teutsches Reyssbuch durch Hoch- und NiederTeutschland, auch angränzende Fürstentbumb und Lande, als Österreich, Steyermark, Ungarn, Siebenbürgen, Polen, Schweden etc. etc, Folio. Strassburg 1632. Seite 294. (Die Maut zu Aggstein betreffend.) Linck Bernardi Annales Austrio- Claravallenses seu fundationis monasterii Clarae- Vallis Austriae. vulgo Zwetl. T. I. Viennae 1723. p. 229. T. II. 1725. p. 354. Stiftungen-Buch des Cistercienser-Klosters Zwetl. Herausgegeben von Joh. v. Fräst in den Font. rer. austr. Österr. Geschichtsquellen II. Abtheil. III. Bd. S. 67, 125-126. Diplomatari um Carthusiae Aggsbacensis manuscriptum. Archivum Cartusiae Aggspacensis manuscr. III Tomi. Chronic on Mellicense bei Hieron. Pez, Scriptor. rer. austr. T. I. Lipsiae 1721 col. 261, und Annales Mellicenses in Dr. Pertz Monument. Germaniae histor. T. XI. seu Scriptor. T. IX. p. 521 zum Jahre 1467. Hueber Philiberti Austria ex archivis Mellicensibus illustrata, Lipsiae 1722 p. 235 — 236. (Eine neuere Auflage, welche in Antiquar-Verzeichnissen zuweilen vorkommt, ist dieselbe nur mit umgedrucktem Titelblatt) Die erste Quelle aller späteren Berichte von Schreckenwalds Rosengärtlein und dem Ende des Georg Scheck von Wald. Deppisch Gottfried, Geschichte und Wunder-Wercke des Heiligen COLOMANNI. Wien 1743. S. 136 — 137. Die Kapelle zu Aggstein betreffend, mit der Abbildung eines dort befindlich gewesenen Altarbildes. Neue Staats- und Reise-Geographie. II. Band. Leipzig und Görlitz 1752. Seite 580. Hübner, Allgemeine Geographie. III. Theil. Dresden und Leipzig 1762. Seite 211. Weiskern, Topographie von Niederösterreich. I. Teil. Wien 1769. Seite 6. J. H. D. (Joh. Hermann Dielhelm) Antiquarius des Donau-Stroms. Frankfurt am Main 1785. I. Band. S. 358-359.

3 Historisch-mahlerische Darstellungen von Österreich; bearbeitet und herausgegeben von den Gebrüdern Anton und Christian Köpp Edle von Felsenthal. I. Band. Wien 1814. Seite 89-92. Die Ruinen von Aggstein. Im Inhalte zu diesem Band wird angegeben: „Nach gesammelten und eingesandten Nachrichten des Hw. H. Priors zu Melk, Florian Manoli (M ainoli), dann anderen Quellen.“ Deutsch und französisch, mit einer von Anton Köpp gezeichneten, colorirten Ansicht der Ruinen, in Regalfolio. Schreckenwald ’s Rosengarten. Hormayr’s Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst, Jahrgang 1819, Num. 43, Seite 169. Österreichische Überlieferungen aus der Gebrüder Grimm deutschen Sagen. Wanderungen im Viertel ober dem Wienerwalde im Juli 1818 (von Ph. v. W., k. k. Hauptmann), im Hesperus, Jahrgang 1819, Decemberheft Num. 61. Ersch und Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste. II. Theil. Leipzig 1819. Seite 119. Aggstein, von Th. Freiherrn von Liechtenstern. (5 Die Burg Aggstein. Beiträge zur Geschichte von Schönbühel und Aggstein. Auf Veranlassung des Herrn Grafen Franz von Beroldingen Excellenz gesammelt von Ignaz Fr. Keiblinger, Capitular des Stiftes Melk, 1822. Das noch ungedruckte Original blieb im Besitz des Grafen. Die Ruinen von Aggstein in Niederösterreich, im Viertel ober dem Wienerwald. Von Professor J. F. Keiblinger, in Hormayrs Archiv u. s. w. Jahrgang 1827, Num. 4. vom 8. Jänner 1827, Seite 1723. Ein Auszug oder vielmehr eine neue, kürzere Bearbeitung der angeführten Beiträge. Schloss Aggstein. MDCCCXXVIII. Ohne Druckort (Wien), 15 Seiten in Klein-Quart, mit lithographirtem Titelblatt, welches als Vignette die nach Köpp von Felsenthal in kleinem Maßstab copirte Ansicht der Burg hat. Der Verfasser, welcher sich in der Note zur Seite 1 A. v. Weingarten nennt und diesen nur als Manuscript gedruckten Aufsatz auf Ersuchen des vorgenannten Herrn Grafen und für denselben schrieb, ist der damalige k. k. Hauptmann im General-Quartiermeister-Stab Adam von Weingarten, Ritter des kön. Sardinischen St. Mauritius- und Lazarus-Ordens, welcher zu dieser Skizze die vorher angezeigten „Beiträge“ benützte. Schultes, Österreichs Donaustrom mit allen an den Ufern desselben von Engelhardszell bis Wien vorkommenden Merkwürdigkeiten. (Der zweite Band der „Donaufahrten.“) Stuttgart u. Tübingen 1827. Seite 307-313. Ruinen, oder Taschenbuch zur Geschichte verfallener Ritterburgen und Schlösser. Zweite Sammlung. Wien 1827. Seite 3-5, mit einem Gedichte, S. 5-9. Schweickhard, Aggstein, in den Beiträgen zur Topographie von Österreich im neuen Archiv für Geschichte usw. Herausgegeben von Megerle von Mühlfeld und von Hohler. II. Jahrgang. 1830. Num. 57 und 58. Ohne Angabe der Quellen nach Köpp von Felsenthal und Hormayr’s Archiv von 1827 zusammengetragen. Hormayrs Taschenbuch für die vaterländische Geschichte. Neue Folge. II. Jahrgang. 1831. München. Seite 108-128: Num. 35. Aggstein. Nach einer langen geschichtlichen Einleitung über die österreichischen Burgen überhaupt, großenteils nach dem Aufsatz im Archiv von 1827 durch Hormayr selbst bearbeitet. Schmidt, Wien’s Umgebungen auf zwanzig Stunden im Umkreise. I. Band. Wien 1835. Seite 406412.

4 Jurende, Mährischer Wanderer (auch unter dem Titel: „Vaterländischer Pilger“) für das Jahr 1837. Unter der Rubrik. „Historische Skizzen,“ Seite 290, Num. 91. Schweickhardt (fälschlich Ritter von Sickingen), Darstellung des Erzherzogtums Österreich unter der Enns. Des Viertels 0WW. VII. Band. Wien 1837. Seite 140-162. Mit einem Kupfer. Man sehe oben die auch hier geltende Bemerkung. Das erwähnte Original-Manuscript vom Jahr 1822 wurde gleichfalls stellenweise abgeschrieben, ohne den Verfasser zu nennen. Sic vos non vobis usw. Arnulf Schreckenwald, genannt der Eisenfresser, oder: Die Blutrache auf Burg Aggstein an der Donau. Schauerliche Geister- und Rittergeschichte aus Österreichs Vorzeit. Von Ludwig Dellarosa (J. A. Gleich). Mit einem Titelkupfer. 153 Octavseiten. Wien bei Singer und Gering 1840. Um nicht irgend einen arglosen Geschichtsfreund zum Ankauf dieses Büchleins zu verlocken, genügt zu bemerken, dass, außer dem Namen Schreckenwald und dem Rosengärtlein, Alles Erdichtung ist; so Wendelin, Arnulfs Sohn und eigentlich die Hauptperson des Romans; seine Geliebte und nachmalige Gemahlin Cornelia von Helmenau; Ritter Romuald von Steinberg; Leuthammer, der tückische, verbrecherische Geheimschreiber des Herzogs Leopold; der biedere Vogt Rupert auf Aggstein, der böse Klosterschirmvogt Rauhwald, Graf Silberborn, Ritter Hagemund von Klautfels usw. Der Verfasser lässt den Kuenringer von Dürrenstein zu Gunsten Wendelins, der damals seinen Vater noch nicht kannte, Aggstein erobern und auf seinen Befehl den Schreckenwald in den Abgrund stürzen. Schade, dass „das große Pergamentbuch mit herrlichen Bildern bemaklen (sic) — es enthielt die von einem Mönche aufgezeichnete Chronik des Aggstein’schen Hauses,“ welches Wendelin in der eroberten Burg fand, nicht als Beilage zum Roman abgedruckt ist, welcher hinsichtlich der Erfindung, Darstellung und Schreibart mit den übrigen zahlreichen Geisteskindern des pseudonymen Verfassers wetteifert! (Sartori Franz) Die Burgvesten und Ritterschlösser der österreichischen Monarchie. Zweite, gänzlich umgearbeitete und vermehrte Auflage. XII. Teil. Wien 1840. S. 3-13, mit einer Abbildung, welche in kleinerem Nachstiche, so wie der Text, aus Köpp von Felsenthal genommen ist. (Die erste Auflage in 8 Bänden erschien zu Brünn 1819 und 1820, mit frech usurpirter NamensChiffre Hormayrs: J. F. v. H.) Koch, die Donaureise von Linz bis Wien. Wien 1841. Seite 65-67. Pernold, Geistesblumen. Jahrgang 1845. Wien. Seite 35-36, nach Schweickhardts Darstellung von Österreich unter der Enns, aus welcher die dazu gehörige Kupfertafel zum Wiederabdruck auf grösserem Papier (Quart) benützt wurde. Schreckenwalds Rosengarten. Austria, österreichischer Universal-Kalender für das Jahr 1850, herausgegeben von Salomon und Kaltenbäck. Vaterländische Denkwürdigkeiten, Seite 53. CIX. Kaltenbäcks Quelle: „Psellionorus, Lustgarten, Strassburg 1621, Seite 861,“ war unmöglich aufzufinden. Aggstein — im Kremser- Wochenblatt. Herausgeber: Maximilian Pammer. Num. 36 und 37 vom 6. und 13. September 1856. Seite 262-263 und S. 269-270. Aus Geschichte und Erdichtung zusammengesetzt. Moshammer, das Vaterland. Des Jugend-Albums drittes Bändchen. Wien 1857. von Sacken, Freiherr, Kunstdenkmale des Mittelalters im Kreise ob dem Wiener-Wald des Erzherzogtums Niederösterreich — im zweiten Band des Jahrbuches der k. k. Central-Commission

5 zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale. Wien 1857. Seite 149-150, und des besonderen Abdruckes, Seite 49-50. Terke, der Engel von Laxenburg. Vaterländischer Roman in drei Teilen. Wien 1861. Es wird in der Folge wieder davon die Rede sein. Auch die Dichtkunst hat die Sagen von Aggstein zum Gegenstände ihrer Schilderung gemacht. Die uns bekannt gewordenen sind folgende: „Die Ruinen der Bergveste Aggstein, oder die von dem Raubritter Schreckenwald im vierzehnten Jahrhunderte allda ausgeübten Grausamkeiten.“ — „Die Ruinen-Bewohner der Bergveste Aggstein, oder der Geist Schreckenwald mit seinen Peinigern.“ — Gedichte und Lebensgeschichte des Naturdichters Andreas Posch. Dritte Auflage. Wien 1830. (1. Aufl. 1821. 2. Aufl. 1822.) Seite 138-140 und 141-144. Hadmar von Kuenring. Balladen und Romanzen von Joh. Nep. Vogl. W’ien 1835. Seite 81—84, wo aber die Scene von der List des Kaufmannes, die Sperrung der Donau mittelst einer Kette u. s. w. nach Tirnstein verlegt, auch gesagt wird, dass Hadmars Burgen Aggstein und Tirnstein verbrannt wurden. Schreckenwads Rosengärtlein. Der Minstrel. Taschenbuch historisch-erzählender Dichtungen, Balladen, Romanzen und Legenden, herausgegeben von J. N. Vogl. Wien 1841. Dessen österr. Volkskalender für 1846, S. 192-195 mit 2 Illustrationen. Das Rosengärtlein zu Aggstein in Österreich. Schreckenwald. Aus der Wiener-Zeitschrift für Kunst und Literatur 1818. Num. 107 mit Bewilligung der Verfasserin entlehnt in den „Ruinen oder Taschenbuch zur Geschichte verfallener Ritterburgen und Schlösser.“ Zweite Sammlung. Wien 1827. Seite 5-9. Unterzeichnet: „Sephine.“ In der Wiener-Zeitschrift hat das Gedicht die Überschrift: „Die Ruinen von Aggstein.“ Der fahrende Sänger vor Aggstein. (Österreichische Volkssage) Heimwärts aus der Fremde. Lieder und Reime von Paul Renk, Verfasser des „Sursum corda!“ St. Pölten 1856. Seite 256-257. Hierher gehört auch ein Theaterstück, welches im Dezember 1835 von einer wandernden Schauspielergesellschaft im Markt Melk aufgeführt wurde, wovon wir aber nur den gedruckten Theaterzettel kennen, welcher lautet: Die Totenglocke auf Aggstein, oder die Stunde der Rache. Vaterländisches Gemälde von Vogel in fünf Abteilungen: 1. Die Verschwörung auf Aggstein. 2. Der Ruf der Todtenglocke. 3. Die Rückkehr aus Palästina. 4. Der Retter. 5. Die Stunde der Rache, Personen: Kolomann, Sohn Andreas des II. Königs von Ungarn. Graf Gara. Rudolph Graf von Greifenstein. Kojetin, Herr der Veste Dürrenstein, General-Marschall des St. Georgenbundes. Schreckenwald, Raubritter und Besitzer von Aggstein. Adelgunde, dessen Nichte. Antonio, ein Knabe. Laura von Losenstein. Irwin, Schreckenwalds Vertrauter. Francesco Pinto, ein Italiener, Burgvogt auf Aggstein. Gustav, ein Edelknecht. Jakob Marosch, ein ungarischer Ritter. Ein Eremit. Ein gespenstiges Weib. Ritter. Knechte.

6 Gleichwie diese Notizen zur Literatur von Aggstein umso weniger Anspruch auf Vollständigkeit machen, da viele Anführungen aus verschiedenen Werken, insbesondere was die Genealogie der Kuenringer betrifft, in den geschichtlichen Beiträgen selbst Vorkommen, so soll hier der Abbildungen von Aggstein nur kurze Erwähnung geschehen. Das älteste bekannte Bild findet sich in dem schätzbaren Kupferwerke: „Topographia Archiducatus Austriae modernae, seu Controfee vnd Beschreibung aller Stätt, Clöster vnd Schlösser, wie sie anietzo stehen in dem Ertzhertzogtumb unter Österreich. Heervorgebracht im Jahr 1672 durch Mühesamen Fleiß Georg Matthäi Vischer Geogr.“ VOWW. Num. 4. Da nicht bloß die Burg Aggstein mit dem am Ufer der Donau gelegenen Mauthhaus und Dorf, sondern sogar das über eine halbe Stunde entfernte Dorf Aggsbach mit der nicht mehr bestehenden Kirche St. Nikolaus, ja selbst die Ringmauern der tief im Tal versteckten Karthause Aggsbach auf dem kleinen Raum eines Octav-Bildes zusammen gedrängt erscheinen, wie sie zu sehen in der Wirklichkeit unmöglich ist, so konnte die Burg Aggstein, obwohl der Hauptgegenstand, nur in den allgemeinsten Umrissen, wie sie in ziemlich weiter Entfernung dem abwärts Schiffenden sichtbar sind, dargestellt werden; daher leider das durchaus nicht getreue Bild für die Baubeschreibung von Aggstein wertlos ist, wie denn selbst der Felsen, auf dem das Schloss steht, mit seinem Hintergrund nur von der Phantasie des Zeichners geschaffen ist! „Das alte Schloss Aggstein,“ von Karl Schallhas gezeichnet und gestochen, im Verlag des F. X. Stöck1 in Wien, in der Manier aller, vor ungefähr sechzig Jahren in dieser Kunsthandlung erschienenen colorierten Abbildungen von österreichischen Städten, Schlössern, Abteien und Gegenden, hat das Eigene, dass der westliche Theil des Hochschlosses noch mit einem Ziegeldache bedeckt ist. Die Ruinen sind von dem Standpunkte vor dem ersten Tor, in schiefer Richtung aufgenommen, so dass die südliche und östliche Seite sich dem Beschauer darstellt. Dieses ist auch der Fall bei den schon erwähnten Kupfertafeln bei Köpp von Felsenthal, Schweickhardt und Andern. Allbekannt ist, dass die Burg Aggstein in den verschiedenen Sammlungen von Ansichten der Donaugegenden nicht fehlt, deren künstlerischer Wert ebenso ungleich, als der dazu gehörige Text das Product unkritischer Compilation zu sein pflegt.

7 Die Burg Aggstein und ihre Geschichte. Auf einer hohen, steilen Felsenspitze nächst der Donau, drei Stunden unterhalb Melk, zwei von Schönbühel, zwischen den Dörfern Aggsbach und St. Johann, erheben sich die Ruinen der Bergfeste Aggstein, die in geschichtlicher Hinsicht nicht minder, als des kühnen Baues und weitläufigen Umfanges wegen, zu den merkwürdigsten und ansehnlichsten Burgen von Niederösterreich gehört. Von dem, am Fuß des Berges an der Donau gelegenen Dorf Aggstein windet sich, bald mehr bald weniger steil, durch Gebüsche, in Felder verwandelte Weingärten und dichte Waldung der Pfad den mächtigen Felsen hinan. Für den bequemeren Wanderer führt der alte, durch den verstorbenen Grafen Franz von Beroldingen wieder hergestellte Fahrweg, auch von dem jetzigen Besitzer des Gutes Aggstein bestens erhalten, zu den Ruinen hinauf, welche man, je nachdem man den einen oder den andern Weg einschlägt, nach einer Stunde oder in der Hälfte dieser Zeit erreicht. Auf einem dritten und noch angenehmeren, sich bald erhebenden, bald senkenden, nicht beschwerlichen Wege gelangt man in einer Stunde vom Servitenkloster Langeck, dessen schöne Kirche mit den Fresken von Joseph von Mölk (nicht Welk) besichtigt zu werden verdient, den oberen Hof (einen Maierhof des Klosters) vorüber, durch schattenreiche Waldungen auf eine freiere Ebene, wo man dem Eingänge der Burg gegenübersteht. Wer die Wege von der Donau herauf wählt, wird durch waldige Berge, steinige Schluchten und den tief unten langsam dahin wogenden Strom allmälig auf jene ernsten, wehmütigen Gefühle vorbereitet, die der Anblick jeder Zerstörung eines großen Menschenwerkes und jedes Denkmals irdischer Vergänglichkeit erweckt; und Riesenbilder gräuelvoller Zeiten steigen wie furchtbare Geistergestalten im grauen Nebelgewand dunkler Sagen und Erinnerungen aus dem unergründlichen, schauervollen Grabe der fernen Vorzeit empor. Man eilt die Trümmer zweier kleiner Vorgebäude, für die Bedürfnisse friedlicher Wirtschaft erst später erbaut und nichts Merkwürdiges bietend, vorüber, den noch ziemlich tiefen Schlossgraben auf einer Holzbrücke überschreitend, zum ersten Tor der Burg, welches dieselbe vor mutwilliger Zerstörungssucht schützend, immer geschlossen ist, und wozu man den Schlüssel (wie auch die Begleitung eines Führers) sowohl im Gasthaus des Dorfes Aggstein als im Kloster Langeck erhält. Drei Tore hintereinander (noch nicht in schiefer Richtung, nach Dürers Grundsätze), zwei Hallen und einen Hofraum bildend, verteidigten den Eingang in das Innere, und die Spuren der alten Wallgänge ringsum in der Höhe, zeugen von den trefflichen Anstalten, wodurch man dem Feinde jeden Schritt vorwärts zu erschweren bemüht war. Gleich innerhalb des ersten Tores, im Rücken der Hauptfeste, ragt auf einem steilen, freistehenden Felsen, dessen Wände zum kühnen Baue benützt sind, eine große, hohe Warte empor. Durch eine, bis auf einzelne Stücke verfallene Mauer mit dem übrigen Schlossgebäude verbunden, war dieses Vorwerk bestimmt, zugleich nach allen Richtungen eine weite Fernsicht über eine ausgedehnte Strecke der hier in mehreren Krümmungen fließenden Donau und südwärts nach Langeck, nach dem Markt Gansbach und dem jetzt der Abtei Göttweig gehörigen Schloss Gurhof hinüber zu gewähren, wie auch dem ersten feindlichen Andrang den härtesten Widerstand zu thun. Auf einer hölzernen Treppe steigt man aus dem Burghofe zu diesem „Lueg ins Land“ hinauf, und blickt schaudernd in den ungeheuren Raum der Zerstörung hinab. Jede Stelle auf dieser Höhe ist vortrefflich benützt, die Wallgänge der mächtigen Mauern sind noch gut erhalten, in Felsen gehauene Stufen führen zwischen Stein und Mauerwerk zur Zinne hinan. Zwischen den drei Toren zeigen sich beiderseits verfallene Wohnungen der Dienerschaft, Stallungen und Wirtschaftsgebäude und rechts innerhalb des zweiten Tores am Boden eines kleinen Gemaches mit einem Spitzbogenfenster eine tiefe Öffnung, welche allgemein als der Eingang zu Burgverliesen betrachtet, von Einigen viel unwahrscheinlicher für eine Zisterne oder für die Mündung unterirdischer Gänge gehalten wird. Beiläufig vor fünfzig Jahren sollen in der Tiefe dieses Loches noch gebleichte menschliche Gebeine sichtbar gewesen sein.

8 Über dem dritten Tor ist eine große rote Marmortafel mit dem Wappen der Familie Scheck, ein der Länge nach gespaltener und von einem Querbalken durchzogener Schild, von dem Stechhelm bedeckt, welchen ein geschlossener, mit dem Querbalken belegter Adlersflug überragt.1 Unter dem Wappen steht die Inschrift: Das . purkstal . hat . ange vangen . cze . pauen . her Jo rig . der . Scheckch . von . w ald . bes nachsten . Man tag . nach . unser . frawntag nativitatis . da . von . krist gepurd . warn . ergangen – -- cccxxviiii Jar. Die zwei ersten Zahlbuchstaben oder m und e sind schon seit langer Zeit durch Beschädigung des Steins an der unteren linken Ecke ausgebrochen.2 Durch des dritten Tores mächtige Halle mit niederen Steinsitzen in beiden Seitenwänden betritt man den eigentlichen Burghof, ein fünfzig Schritte langes, zwanzig breites Parallelogramm, dessen hintere Seite bedeutend schmäler ist. Hier befindet sich eine, mit einem Holzgeländer umgebene geräumige Cisterne (kein Burgverließ, wie Manche sich einbilden), links dehnen sich weitläufige Ruinen von Kellern, Ställen und Gemächern aus, deren einige wohl zu Gefängnissen dienten, und die zum Teil noch unbekannt sind, da ihre Untersuchung nicht gefahrlos ist. Ob hier auch eine Gruft war, wie man vorgegeben hat, ist sehr zu bezweifeln. In einem großen, halbrunden Erker zur Rechten ist die noch ziemlich erhaltene Küche mit dem steinernen Schlot in der Mitte des Gewölbes, an welche sich die gewaltige Ringmauer anschließt, die aber weiterhin in den nackten Felsen übergeht, der hier senkrecht behauen die Mauer vertritt, ebenso den Hintergrund des Hofes bildet und sich links wieder in die Hauptmauer verliert. Der große Burghof ist also hier durch eine, etwa zehn Klafter hohe Felsenwand vollkommen abgeschnitten und hoch oben ragt erst das eigentliche Hochschloss über die unteren Gebäude empor, durchaus ohne einen andern Zugang außer einer schmalen Pforte (ein von dem viereckigen Türstock bedeckter Spitzbogen), hoch oben auf dem glatten Felsen, zu welchen man einst nur durch einen Aufzug, wovon die Zuglöcher noch vorhanden sind, gelangte, dessen Stelle jetzt eine bequeme hölzerne Treppe einnimmt. Von allen übrigen Seiten stürzt sich die Felsenzinne in schroffen Klippen ab, und hier hat die Menschenhand Alles aufgeboten, der Hochburg eine vollkommene Unzugänglichkeit zu verschaffen. Jene Pforte führt in den inneren Burghof, der eigentlich nur aus einem, bei zwölf Fuß breiten und dreißig Fuß hohen Gang zwischen senkrecht behauenen Felsen 1 Preuenhuebers Annales Styrenses, S. 24 geben das Wappen der Schecken in Kupfer gestochen: Ein weißer oder silberner Querbalken in einem nach der Länge gespaltenen, rechts roten, links schwarzen Schild, dessen offener, ungekrönter Helm (abweichend vom Wappenstein zu Aggstein) zwei Büffelhörner trägt, die durch einen weißen Querbalken so geteilt sind, dass jenes rechts oben rot, unten schwarz, das andere links oben schwarz, unten rot ist. Die Helmdecke rechts rot und weiß, links schwarz und weiß. Im Siebmacher’schen Wappenbuch, S. 27, kommt das Wappen der Schecken aus Kärnten (ein von dem österreichischen gänzlich verschiedenes Geschlecht) vor: Eine Krone mit drei aus derselben empor gerichteten Federn. 2 So lautet die Inschrift selbst bis auf die Punkt zwischen den Wörtern buchstäblich getreu, nach der letzten Revision vom 12. Oktober 1861. Ich selbst las zuerst unrichtig: mccccxxiiiiii (1426), ohne diesen Irrtum später berichtigen zu können, welcher daher auf alle mir Nachschreibenden übergegangen ist. Der Verfasser der Wanderungen im Viertel ober dem Wienerwald las MCCXXVIII (1228), selbst Hr. v. Leber (die Ritterburgen Rauheneck, Scharfeneck und Rauhenstein, oder Rückblick in die deutsche Vorzeit I. Bd. S. 199), obgleich sich auf Hormayrs Archiv 1827 berufend (welchen Aufsatz er „auch als eine abgesonderte Monographie bestehend“ angibt, da er doch von der Monographie Weingartens gänzlich verschieden ist), setzt willkürlich: MCCXXVIII (1228), indem er lieber dem Doctor Schultes folgt, ungeachtet dessen Erklärung: „er könne nicht versichern, ob diese Inschrift, zumal die Jahreszahl ganz richtig gelesen sei, da sie für seine Augen zu hoch stand.“ Allein schon die Gestalt der Schrift widerspricht offenbar einem so hohen Alter. Das Verdienst, zuerst die rechte Zahl 1429 durch den Druck bekannt gemacht zu haben, hat Freiherr von Sacken, von dessen und Schmidls Beschreibung der Burg, besonders der Kapelle, ich dankbaren Gebrauch zu machen mir erlaubte.

9 und Mauern besteht. Hier kommt man über eine in den Felsen eingestemmte, freie Holztreppe in die Kapelle, deren schmale Tür (im flachen Kleebogen ohne Umrahmung) im Schiff, und zwar an der Epistelseite angebracht ist. Auch diese heilige Stätte ist, wie beinahe jeder andere Teil des Raubnestes ganz isoliert gebaut, damit der Feind jeden Fußbreit mit einer neuen Belagerung, mit einem neuen, blutigen Sturme zu erringen gezwungen war. Sie steht nämlich mit dem Hauptgebäude nur dadurch in Verbindung, dass in der Rückwand, dem Hochaltäre gegenüber, zwei kleine, niedrige, in die Breite gezogene Fenster sich in ein Gemach öffnen, welches allem Anscheine nach, als Oratorium für den Burgherrn und seine Familie gebraucht ward. Die Kapelle ist ein länglicher Raum mit halbrunder Apsis; die Rippen der spitzbogigen Kreuzgewölbe, aus Schmiege, Hohlkehle und grätigem Rundstab bestehend, treten, wie im Kreuzgang der Karthause Gaming, unmittelbar aus den Wänden hervor; die kleinen, schmalen Spitzbogenfenster (eines im Chor oder Presbyterium über dem Altar, zwei im Schiffe an der Epistelseite; die Wand gegenüber ist ohne Fenster) haben weder Pfosten noch Füllung und erweitern sich nach innen. Der niedrige Scheidebogen ist bei zwölf Fuß breit. Die kleine, niedrige Apsis oder der Chor hat ein Gewölbe, dessen Rippen in eine Spitze zusammenlaufen; die Mauer ist hier sehr dick, und hat an der Evangelienseite des Altars eine viereckige kleine Nische, welche zum Sakrament-Häuschen oder Wandtabernakel, später um die Messpollen (Kännchen) und Tasse hineinzusetzen diente. Die etwas breitere Decke des Schiffes ist eingestürzt. Obwohl am Scheidebogen mit roter Farbe und neueren Schriftzügen die Jahreszahl 1113 in dieser Gestalt J. L. L. o angeschrieben ist, so stellt sich doch die Kapelle als ein Bau aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts dar, welcher ohne Zweifel dem schon genannten Georg Scheck von Wald sein Dasein verdankt. Die von mir in den bereits erwähnten ungedruckten Beiträgen zur Geschichte von Aggstein, dann wieder in Hormayrs Archive, hierauf aus diesen Aufsätzen auch in Schweickhardts Beschreibung und bei seinen Nachfolgern enthaltene Angabe, dass das Presbyterium sich „durch die Gestalt der Bogenstellung und des ganzen Baues überhaupt als ein Werk des zwölften Jahrhunderts“ zeige, ist nur aus meiner damaligen Unkenntnis des altdeutschen Baustils und seiner Veränderungen entstanden, mit welcher sich der feste Glaube verband, dass, wie schon Deppisch bemerkte, jene Jahreszahl in arabischen Ziffern, welche bei einer Erneuerung der Kapelle die ursprünglichen römischen (MCXII1) verdrängten, sich auf den gegenwärtigen Bau als auf den ältesten beziehe, daher ich das Schiff, bei welchem mich keine vorgefasste Meinung blendete, schon damals mit Beeilt als ein jüngeres Bauwerk erkannte. Zu allem Überfluss fügte ich in den gedachten ungedruckten Beiträgen die Bemerkung hinzu, „dass jenes halbrunde Gewölbe (die Apsis) mit der angeblich von den Templern erbauten Kapelle zu Petronell und mit der Pantaleons-Kapelle zu Medling, auf welcher der Glockenturm der Pfarrkirche steht, viele Ähnlichkeit habe und schon dadurch ein sehr hohes Alter verrate;“ was auch Schweickhardt getreulich nachschrieb. Außer den Spuren der rings an den Wänden gemalten Consecrations- oder Apostelkreuze sieht man noch die Reste der drei steinernen Altartische, deren einer in der Apsis, zwei an der schmalen Mauer es Schiffes neben dem Scheidebogen sich befinden. Zurzeit, als der Benedictiner von Melk, Gottfried Deppisch, seine Geschichte des heiligen Coloman herausgab (1743), war auf dem Fron- oder Hochaltar das „von junger Hand gemachte“ Bildnis der Heiligen Georg und Colomann, zu deren Ehre die Kapelle geweiht war, und auf einem der beiden Nebenaltäre, an der Evangelienseite, „ein sehr altes Gemälde des heiligen Colmanns allein“ zu sehen, welches Deppisch in Kupfer gestochen seinen Lesern vorlegte. In diesem „vor ungefähr dreihundert Jahren gemalten“ Bildnisse, (wie der Verfasser aus den, links vom Haupt des Heiligen in alter Schrift beigefügten Worten: S. Colmannus abnehmen zu können glaubte) erscheint St. Colomann in Pilgertracht, in der rechten Hand einen langen, mit einer Schlinge versehenen Strick, das Werkzeug seines Martertodes, in der linken den Pilgerstab tragend; an der rechten Seite hängt an einem Riemen eine sogenannte Feldflasche mit dem österreichischen Bindenschild bezeichnet, und ein kleiner Trichter zur Füllung derselben; der Hut ist mit den bekannten Jakobsmuscheln und mit drei kleinen Bildern geziert, welche ein altes Kirchenportal, einen Bischof und das mit dem kreuzförmigen Nimbus umgebene Christus-Haupt vorstellen.1 1 Deppisch S. 135-137 mit der Kupfertafel zu Seite 65. Selbst das enge, schlotförmige Glockentürmchen, aus welchem

10 Neben der Kapelle führt eine zweite Treppe in einige Wohnzimmer, deren größtes für den Saal gilt. Gleich im untersten ist in der Außenmauer eine Öffnung oder ein Pförtchen ausgebrochen, durch welches der Schwindelfreie in das berüchtigte Rosengärtl ein, welches noch jetzt unter diesem Namen bekannt ist, hinaussteigt. Ringsum sind nämlich die Mauern, wie aus den Klippen emporgewachsen, an den äußersten Felsenrand hinaus gebaut, um selbst den tollkühnsten Angriff von dieser Seite zu verhindern; hier aber, wo der Felsen überhängt, bildet eine durch den Meißel geebnete Platte desselben ein freies Plätzchen, etwa sechs Schritte lang, zwei breit, gleich einem Söller, der über der Tiefe eines schauerlichen Abgrundes trotzend in die Luft hinausragt. Was der Mund einer alten Sage von dieser schrecklichen Stelle erzählt, wird in der Folge besprochen werden. Keine Beschreibung würde hinreichen, dem Leser von der seltenen Kühnheit, außerordentlichen Festigkeit und einsichtsvollen Anordnung des ganzen weitläufigen Baues einen vollkommenen Begriff zu geben. Man muss dieses bewundernswürdige Werk selbst sehen und alle seine zugänglichen Teile mehrmals durchwandern, um sich zu überzeugen, mit welcher klugen und erschöpfenden Anwendung aller zu jenen Zeiten bekannten und zur Verfügung gestandenen Kräfte und Mittel der Bau geführt wurde, um diese Felsenburg zu einer, durch Natur und Kunst vor den Angriffen des Feindes geschirmten und fast unbezwingbaren Festung zu machen, deren Tore, wenn man die Unvollkommenheit der mittelalterlichen Belagerungswerkzeuge bedenkt, nur List oder Verrat den Feinden öffnen zu können schien. Wenn auch von dem ältesten, weit über das Jahr 1429 hinaufreichenden Bau, welchem das Hochschloss angehört, noch Teile vorhanden sind, was kaum zu bezweifeln ist, so wurden sie doch auf eine solche Weise zu den neuen Bauten verwendet und in dieselben aufgenommen, dass man das älteste Gemäuer vom neueren nicht mit Sicherheit zu unterscheiden vermag. Der jüngste Bau aus den zwei ersten Decennien des 17. Jahrhunderts ist leicht zu erkennen, und es sind vorzüglich die an der Westseite des großen Burghofes gelegenen Lokalitäten, welche in dieser Zeit ganz nach dem Geschmack und den Bedürfnissen derselben entweder nur umgestaltet oder vom Grund neu erbaut wurden.1 Tiefes Schweigen herrscht nun in diesen verödeten Räumen; nur der Sturm heult in den Ritzen der geborstenen Mauern und schüttelt rauschendes Laub in die dumpfen Gewölbe. Raubvögel schwirren mit trägem Fittich um die unbewachten Zinnen, und aus unzugänglichen Nestern krächzen ihre Jungen dem einsamen Besucher entgegen. Hoher Schutt von eingestürzten Gewölben und Zwischenwänden, zum Teile mit Moos, Bäumen und Sträuchern bewachsen, bedeckt den Boden der Gemächer, das ganze Gebäude ist seiner Dachungen beraubt; nur die ungeheuren Hauptmauern, mit dem zum Baue benützten Felsen, zu einem unzertrennbaren Ganzen vereinigt, steigen hoch zu den Wolken empor, als staunenswerte Trophäen des Sieges, welchen hier ein Werk der Menschen über die Macht der Alles zerstörenden Zeit zu erkämpfen versuchte. Einen nie verlöschenden Eindruck von ganz eigener Art bringen diese Ruinen hervor, wenn man sie als einsamer Wanderer, ernster Gedanken voll, nicht mitgerissen vom rauschenden Treiben einer bloß dem fröhlichen Genüsse der Gegenwart hingegebenen Gesellschaft besucht. Dann schweben in der feierlichen Stille mit dem Flüstern der vom leisen zum Läuten der Glocken zwei Strickröhren durch die Mauer gezogen sind, hatte keinen Zugang von Außen. 1 Als ich die Burg, nachdem ich hier am 18. October 1824 den Jahrestag der, jedem Deutschen ewig denkwürdigen Völkerschlacht von Leipzig in stiller Betrachtung und frommen Wünschen gefeiert hatte, am 24. August 1825 wieder besuchte, zeigte mir der Gastwirt zu Aggstein zwei in den Ruinen gefundene Silbermünzen: eine Münze des Christian Ernst Markgrafen zu Brandenburg-Culmbach von 1683 und einen Groschen des Kaisers Leopold I. von 1691. Ob sie irgendein Wanderer hier verlor, oder ob sie noch von den letzten Bewohnern der Burg herrühren, ist gleichgiltig, weil diese Münzen viel zu jung sind, um für die Geschichte von Aggstein von Bedeutung zu sein. Dagegen dürfte es manchen Freund der geselligen Tonkunst und die Mitglieder von Singvereinen interessieren, dass die weiten Burgräume am 10. Mai 1849 durch eine Art von Sängerfest belebt wurden, woran sich kleine Gesellschaften von Melk, Spitz, Krems u. A. beteiligten.

11 Hauche des erfrischenden Lüftchens bewegten Blätter die wunderbaren Gestalten der Vergangenheit in unabsehbarem Zuge wandelnder Schatten an uns vorüber; aber nur selten taucht aus den Nebelbildern der grauen Vorzeit eine freundlich lächelnde Erscheinung voll Hoheit und Milde empor, welche das Echo der Wehmut in uns wach ruft und eine heiße Träne trauernder Sehnsucht, dem Genius der Menschheit geweiht, dem Auge des an Erfahrungen reichen Denkers entlockt. Doch schnell ist die holde Gestalt voll Liebreiz verschwunden und die sinnigen Träume seiner harmlosen Jugend, die in flüchtigen Schritten ihm nahten, werden verscheucht durch die düsteren Schatten von Männern der Waffen, des Blutvergießens und menschenfeindlichen Sinnes — kalt wie das ihre Brust umpanzernde Eisen, blutbefleckt wie das in ihrer Rechten dräuende Schwert, vorderen unheilkündendem Blick jedes weichere Gefühl erstarrt. Von bangem Schmerz ergriffen, fliehen wir aus den Tiefen des die Brust beklemmenden Gemäuers hinauf zu den schwindelnden Höhen, von welchen der scheue Blick, in den Umgebungen dieses Adlernestes Erholung suchend, rastlos umherschweift. Tief im Felsental trägt der ruhige Strom auf ebenen Fluten die Früchte des Bodens, die Erzeugnisse des fleißigen Landmannes, der genussreichen Kaiserstadt zu. Mit schwermütigen Klängen tönt die zur Andacht rufende Glocke der alten Kirche von Schwallenbach vom jenseitigen Ufer zu uns herauf und weckt den Widerhall unbeschreiblicher, stürmisch wechselnder Gefühle in der schwer atmenden Brust, bis leise Ahnungen von ewig herrschendem Frieden, sanfte Himmelstöne von einer, selbst im furchtbarsten Toben der entfesselten Erdenstürme nie ganz ungehört verhallenden Harmonie der Welten, deren Schöpfer und Herr endlich alle die Seinen, wie weit und schmerzlich sie auch voneinander getrennt seien, in der reinsten, ewig beseligenden Liebe vereinen und das Sehnen des Glaubens in die Wonne des Schauens verwandeln wird, auf den mit des alltäglichen Lebens kalter Gemeinheit, trugvoller Selbstsucht und verderblichen Leidenschaften entzweiten Pilger im Baisamthaue süßer Tröstungen hernieder schweben und den stillen Dulder in den erquickenden Schlummer frommer Ergebung wiegen, indem sie ihm die Worte des Dichters zurufen: „Durch Nacht zum Licht! — Durch Sturm zur Kuh! — Durch Frost zum Lenz! — Durch Streit zum Sieg! — Durch Schweiss zum Schlaf! — Durch Kreuz zum Heil! — Durch Weh zur Wonn’! — Durch Tod zum Leben!“ (Rosengarten.) So verlässt man denn gerne die menschenleeren Hallen der verfallenen Burg, und nachdem man noch ihrer überaus malerischen Ansicht von einer romantischen Felsenpartie, die dem Zurückkehrenden links außer dem ersten Tor, etwa fünfzig Schritte davon entfernt liegt und wohin ein gebahnter Pfad führt, im Scheiden genossen hat, eilt man mit erleichtertem Herzen hinaus in Gottes freie Natur, wohin der betäubende Hauch der Grüfte nicht dringt, freundlicheren Gefilden und den friedlichen Wohnstätten der Menschen zu;1 denn auch die nächste Umgebung der Feste bildet kein heiteres Bild. An rohe Raublust, an blutgierige Gesetze und schmachvolles Menschenelend erinnert der Gerichtsberg, östlich von Aggstein mit den wenigen Trümmern des ehemaligen Hochgerichts der Herrschaft Arnsdorf, dessen Landgericht das Gut Aggstein bis in die neueste Zeit unterstand,2 und der Polakenkopf, dem der dort aufgesteckte Kopf eines polnischen Räubers den Namen gab.3 Nur der Hönigberg, 1 Vor vielen Jahren, bei meinem ersten, mir unvergesslichen Besuch der Burg, weigerte sich der biedere Greis, der mich von Langeck durch den Wald geleitet hatte, standhaft mir in das Schloss zu folgen, indem er mit ängstlicher Miene und zitternder Stimme stets wiederholte: es sei so „enterisch“ (unheimlich, nicht geheuer) darin, und man könne sich ja ohnehin nicht verirren! Befreit von der Furcht mit mir durch die Ruinen wandern zu müssen, setzte er sich indessen im Freien auf einen Stein und weidete seine Augen an dem herrlichen Anblicke der bald untergehenden Sonne. So verscheucht das Andenken böser Menschen und Taten noch nach Jahrhunderten den einfachen rechtlichen Landmann aus den Trümmern ihres gewesenen Schauplatzes, und nur der Altertumsforscher, der Geschichtsfreund, der Maler und Dichter betreten mit gespannter Erwartung diese Tummelplätze des grausamen Faustrechts, wenn Gewinnsucht oder ökonomische Bedürfnisse nichts mehr daraus zu nehmen oder darin zu benützen finden. 2 Dieses vormals aus zwei dicken Mauersäulen oder Pfeilern, jetzt nur noch aus Einem, bestehende Zeichen einer strengen Gerechtigkeitspflege hat an Schultes (S. 313-314 in der Note) einen Lobredner gefunden, indem er sagt: Dieser alte Galgen, am Ausgang der finsteren Bergschlucht, die den Aggsteiner Felsenberg im Osten von der benachbarten Bergwand trennt, „würde eine herrliche Vignette in einer malerischen Reise durch die Wachau liefern. Er ist vielleicht der traurigste Galgen in der Christenheit, an welchem ein Unglücklicher gehenkt werden kann. Wäre dieser Galgen in England, er würde sicher viele Liebhaber finden“ usw. 3 Wenn der Name nicht viel älter ist, so dürfte er entweder aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges oder erst der zweiten türkischen Belagerung Wiens (1683) von einem, zu den Truppen des ritterlichen Königs Johann Sobiesky gehörigen

12 der sich südlich erhebt und in seiner Benennung das Andenken an die von den Besitzern des Schlosses einst betriebene Bienenzucht bewahrt, und die Überbleibsel des ehemals häufigeren Weinbaues auf diesen Höhen, wovon auch Urkunden sprechen, zeigen unter jenen finsteren Denkmalen des barbarischen Mittelalters eine schwache Spur von friedlichem Fleiße und rechtlichem Erwerbe. Das Dorf Aggstein zählt in achtzehn Häusern, deren drei durch Unvorsichtigkeit am 24. Juli 1853 ein Raub der Flammen wurden, ungefähr 104 Bewohner, die sich vom Ackerbau und vom Erträgnis ihrer Weingärten nähren, deren Dasein schon im dreizehnten Jahrhunderte vorkommt. Es entstand höchstwahrscheinlich zugleich mit der Burg, unter deren Schutz sich freie Bauern und Hörige niederließen, daher der Ort bis zum Jahre 1848 das seit 1685 zur Herrschaft Schönbühel gehörige Gut Aggstein zur Grund- und Ortsobrigkeit hatte. Hier bestand noch im vorigen Jahrhundert eine Maut für die Donauschiffe, zwar mit der Herrschaft Aggstein vereinigt, eigentlich aber ein besonderes; vom Landesfürsten zu verleihendes Lehen gut, von welchem in der Geschichte öfter die Rede sein wird. An diesem Mauthaus, einem ziemlich großen, aber nur aus einem Erdgeschosse bestehenden Gebäude neuerer Bauart, dessen Torbogen am Schlusssteine ein Wappenschildchen in Stein gehauen enthielt1, war links vom Tor eine lauge lateinische Inschrift mit schwarzer Farbe an die Mauer geschrieben, wovon aber nur mehr der Name AGGSTEIN und die Ziffern 16 zu lesen waren. Früher befand sich auf derselben Stelle eine ältere, doch nicht über das 17. Jahrhundert hinaufreichende und hernach renovierte Inschrift; weil aber die mehrmals erneuerte Kalktünche teilweise herabgefallen war, so erschien endlich Altes und Neues so seltsam durcheinander gemengt, dass bloß lauter verstümmelte Wörter hervortraten, aus denen nichts weiter abzunehmen war, als dass die neuere Schrift den Namen und vollständigen Titel eines Grafen von Starhemberg (wohl des Konrad Balthasar) enthielt. Aus dem Mauerwerke dieses baufälligen, zuletzt von Zinsleuten bewohnten Hauses hat der verstorbene Herr Graf Franz von Beroldingen von 1847 bis 1849 ein Landhaus im einfachen, gefälligen modernen Stil neu gebaut, welches zu ebener Erde rechts mehrere geschmackvoll eingerichtete Zimmer, links die Jägerwohnung, und in dem erhöhten mittleren Teile über dem, mit dem gräflichen Wappen gezierten Tor einen Salon enthält. Im Hofraume schließen sich Stallungen und andere ökonomische Räumlichkeiten an.2 In kirchlicher Hinsicht gehörten die Burg und das Dorf Aggstein, wie sich in der Folge zeigen wird, nicht zu der anderthalb Stunden entfernten, sehr alten Pfarre Arnsdorf, sondern waren der wohl in gleicher Entfernung, aber jenseits der Donau gelegenen Pfarre Spitz, später nach Aggsbach jenseits der Donau eingepfarrt, bis 1784 in dem, drei Viertelstunden entlegenen Dorfe Aggsbach diesseits der Donau eine Lokalpfarre errichtet und Aggstein derselben zugetheilt ward. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit den Schicksalen der Burg Aggstein zu, so verliert sich unser Blick im tiefen Dunkel der Jahrhunderte. Wer diesen Felsensitz, diese Steinburg unweit das Flüsschens Aa oder Ach, zuerst erbaute,3 ist zwar gänzlich unbekannt; dürfen jedoch Vermutungen Nachzügler herrühren, welcher in dieser Gegend raubend und mordend umherstreifte, bis er unter der Hand des Henkers seine Verbrechen büßte. 1 Das Traunsche Wappen: ein gespaltener Schild, rechts Silber, links schwarz. 2 Nach Rumi sind in der Nachbarschaft von Aggstein Steinkohlen-, Kupfer- und Vitriolminen, von denen aber hier nichts bekannt ist. (Geographisch-statistisches Wörterbuch d. österr. Kaiserstaats. Wien 1809. S. 4.) 3 Aggstein oder (weil man schon angefangen hat Weiteneck, Freideck, Goldeck, Eckenberg, Eckendorf usw., statt Weitenegg, Freydegg, Goldegg, Eggenberg, Eggendorf usw. zu schreiben) Ackstein, in älteren Schriften nicht bloss Akstain, sondern auch ganz richtig Ach st ein, in der alten Melker-Chronik 1467 Axst ein (Achsstein) geschrieben, hat seinen Namen, wie Aggsbach, Aggsthal und Aggswald (Achswald, worüber der Anhang Kunde gibt), von der Aa oder Ach, dem der Burg Aggstein zunächst gelegenen größeren Bach oder Flüsschen, keineswegs von einem Heerführer der Ungarn, Akus, wie Hormayr zu vermuten sich erlaubte: „Namare entspricht Mölk (Melk) und seine Lage, wie die von Göttweih und Aggstein (Akus-Stein klingt einigermaßen nach einem ungarischen Heldennamen), wie die von Sundilburg (Sindelburg und Biburg) können dem krieggewohnten Auge unmöglich entgehen, das der Donau Uferhut auf sich trägt.“ (Wiens Geschichte I. Jahrg. I. Bd. II. Heft. S. 145, Anm. 26.) Es wird in dieser Stelle von den befestigten Plätzen der Römer am rechten Donauufer gesprochen; allein auch Aggstein in ihre Reihe aufzunehmen, haben wir keine Belege.

13 etwas gelten, wo uns die sicher führende Hand der Geschichte verlässt, so dankt die Feste ihr erstes Dasein sehr wahrscheinlich spätestens dem Anfänge des zwölften Jahrhunderts und der reichen und mächtigen Familie der Herren von Kuenring, die wenigstens als die ältesten Besitzer derselben bekannt sind. Sie leiteten ihren Ursprung mit mehreren uralten österreichischen Adelsgeschlechtern von dem berühmten Helden Azzo von Gobatsburg ab; von jenem siegreichen Feldherrn des Markgrafen Leopold des Schönen im Kriege gegen die Böhmen (1083), welchem der Kaiser Heinrich IV. im Jahre 1057 Besitzungen im heutigen Kreise ober dem Manhartsberg geschenkt hat, worauf später bei der Vergabung des Gutes Weikendorf an das damalige Kollegiatstift Melk, Markgraf Ernst der Tapfere, wahrscheinlich im Sommer 1074, denselben Azzo nebst dessen Söhnen Anshalm (Anselm) und Nizo unter den Ministerialen oder Dienstherren der Ostmark als Zeugen aufführte.1 Wenn nicht schon dieser Ahnherr der Kuenringer selbst, in der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts, um dem markgräflichen Hoflager zu Melk nahe zu sein, der erste Erbauer der Burg Aggstein gewesen ist, so scheint man, weil sie schon 1113 bestand, wenn nicht dem gedachten Nizo, weil sein Todesjahr (um 11101115) ungewiss ist, mit größerer Wahrscheinlichkeit dessen Sohne Albero (geboren 1085-1090, gestorben um 1160) den Urbau dieser Feste zuschreiben zu dürfen.2 Sein Sohn Albero, gestorben 1182, der, wie alle seine Nachkommen sich von Kuenring nannte, hatte einen vor dem Vater (um 1180) verstorbenen Sohn, Hadmar II. (sonst der I.), dessen Sohn Hadmar III. (II.) um das Jahr 1308 „der Mächtigste, Reichste, dabei Vorsichtigste und Emsigste unter allen seinen Vorfahren und Nachkommen,“ das Schloss und die Stadt Weitra erbaute, die Schlösser und Herrschaften Tirnstein, Aggstein, Achswald mit dem ganzen fruchtbaren Tal Wachau, die Stammburg Kuenring, die Güter Zwetl, Schweikers, Hadmarstein, Gmünd, Egenburg, Walpersdorf, Dürrenkrut, Zistersdorf, Wullersdorf, Gräbern, nebst vielen andern im Marchfeld und in verschiedenen Gegenden des Landes Unter der Zu Arnsdorf wie zu Aggsbach — nirgends aber bei Aggstein, wurden römische Münzen und andere Anticalien ausgegraben. Cannabiaca soll an der Stelle des Schlosses Schönbühel zu suchen sein. Schweickhardt, den Freiherrn von Hormayr ausbeutend, schreibt im Artikel Traismauer, Aggstein sei ebenfalls wie Arnsdorf „ein von den Celten und dann von den Römern besetzter Ort. Arnsdorf sowie Aggstein tragen noch in ihrer Benennung celtische Sylben, ganz nach ihrer Lage, ersteres nämlich von Aeckern und Gefilden, letzteres von dem Felsen und der Donau.“ (Des VOWW. III. Bd., S. 272-373.) Im Artikel Aggstein hingegen gibt er die richtige aus meinen ungedruckten „Beiträgen“ usw. ausgeschriebene Ableitung. (VII. 141.) 1 Von dieser Familie schreiben, außerdem Stiftungenbuch der Abtei Zwettl: Lincks lateinische Jahrbücher derselben T. I. p. 43 et seqq. des Freiherrn v. Hoheneck genealog. und histor. Beschreibung der löbl. Stände ob der Enns III. Tl. S. 90106. Wissgrills Schauplatz des landsässigen nö. Adels II. Bd. S. 42— 79. Die Aufsätze über die Kuenringer in Hormayrs Archiv, Jahrg. 1813, S. 518, 1816. S. 438, 1818. S. 249, 262. J. 1819. S. 501, 504, 510. J. 1829. S. 209, 226. Die H. Stammtafel in v. Meillers vortrefflicher Schrift: „Die Herren von Hindberg“ usw. im VIII. Band der Denkschriften der philosophisch-histor. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften, zu vergleichen mit desselben Regesten zur Geschichte der Markgrafen und Herzoge Österreich aus dem Haus Babenberg, Personenverzeichnis, Seite 325-326 unter den Namen Gobatzburg, Chuffarn, Straninesdorf, Chunring; wobei nur zu bemerken ist, dass unter Stroninesdorf nicht Strannersdorf bei Mank im Kreis OWW., sondern Stronsdorf im VUMB. zu verstehen sei. Hierher gehört auch: „Die Kuenringer. Eine Erinnerung aus dem Mittelalter von Christian Wilhelm Huber, in dem von August Rokert herausgegebenen Taschenbuch Vesta. Kleine Halle für deutsche Kunst und Literatur. Vierter Jahrgang 1834. S. 13-80. 2 Im Werk: „Die Burgvesten und Ritterschlösser der österreichischen Monarchie.“ 2. Auflage, XII. Tl. S. 5 wird Albero v. K. als Erbauer und erster Besitzer von Aggstein angegeben. Obwohl die Jahreszahl 1113, wie sie jetzt in der Burgkapelle zu sehen ist, augenscheinlich bei einer viel späteren Erneuerung, ja wohl erst bei der letzten Übertünchung mit Kalk angeschrieben wurde, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass sie ursprünglich mit römischen Zahlzeichen ausgedrückt gewesen und gegen ihre Echtheit nichts Gründliches einzuwenden sei, indem dieses Jahr entweder aus einer längst verloren gegangenen Urkunde, vielleicht aus der bischöflichen Consecrationsbulle selbst, oder aus einer fortwährenden mündlichen Überlieferung bekannt und beim Umbau der Kapelle von Georg Scheck von Wald durch die Bezeichnung mc*iit der Vergessenheit entrissen worden sein konnte. Es findet sogar die Meinung Raum, Bischof Ulrich von Passau, der Freund des Markgrafen Leopold des Heiligen, welcher am Festtag des heiligen Colomann (13. Oktober) 1113 die feierliche Einweihung der von Leopold neu gebauten Stiftskirche zu Melk, wo die Gebeine St. Colomanns seit 1014 ruhen, vornahm, habe auf die Bitte des Burgherrn bei dieser Gelegenheit einen Abstecher nach Aggstein gemacht, um die neugebaute Kapelle zn weihen. Derselbe Kirchenfürst consecrirte 1115 die Pfarrkirche zu Weikendorf gleichfalls zu Ehren des heiligen Colomann, dessen Verehrung eben damals in Österreich ungemein beliebt und verbreitet war. So spricht auch das alte Patrocinium der Kapelle zu Aggstein — St. Georg und St. Colomann — für die angegebene Zeit der Erbauung. Der Patron der Ritterschaft, der heilige Georg, gehört bekanntlich zu den ältesten Kirchenpatronen in Deutschland, insbesondere in der Diöcese von Passau.

14 Enns, auch Steiereck und Windeck ob der Enns besass, während auf seinen Burgen ein zahlreicher Hofstaat von angesehenen Rittern lebte, die als Lehensmänner und Vögte dem mächtigen Gebieter dienten. Diesem Edlen ward der gefangene König Richard Löwenherz von England von dem österreichischen Herzoge Leopold dem Tugendhaften auf die Feste Tirnstein in ritterliche Halt gegeben, bis er an den Kaiser Heinrich VI ausgeliefert wurde.1 1217 unternahm Hadmar eine zweite Kreuzfahrt nach Palästina, wurde aber auf der beschwerlichen Reise von einer Krankheit befallen, die ihm am 21. Juli 1218 (nicht 1217) das Leben raubte. Sein Herz und seine Gebeine wurden von seinen treuen Dienern zur See in die Heimat zurückgebracht und in der von ihm innigst geliebten und reichlich begabten Abtei Zwetl, seiner Ahnen Stiftung, bei welcher er auch ein Spital gegründet hat, an der Seite seiner Gemahlin Euphemia der Grabesruhe übergeben.2 Dorthin folgten ihm bald die Tochter Gisela, des Ulrich von Falkenberg Gemahlin (1221), und der älteste Sohn Albero, der um 1220-1225 seine kinderlosen Lebenstage beschloss. Hadmars übrige Söhne, Hadmar IV. (III.) und Heinrich III. (sonst der I.) von Kuenring, die nicht ihrer Treue wegen, sondern den unbändigen Trotz und die umsichtige Wachsamkeit, womit sie ihr Besitztum verteidigten, dadurch andeutend, sich selbst gerne „die Hunde“ (Canes) nannten und von en Zeitgenossen wegen ihrer Wut und Bösartigkeit so geheißen wurden,3 teilten die väterliche Erb- 1 Vgl. Chmels österr. Geschichtsforscher II. Bd. S. 301-303. Zweifel dagegen in Jägers Beiträgen zur österr. Geschichte II. Heft S. 33-34. In Ansehung der Zeit, wann die Kuenringer Tirnstein/Dürnstein besaßen, liefert ein Aufsatz in den vaterländischen Blättern, Jahrgang 1814, Aprilheft Num. 29, ganz widersprechende Nachrichten, auf welche aber, als ohnehin vieler Berichtigungen bedürfend, hier keine Rücksicht genommen werden kann. Woher Schultes wusste, dass „einige Historiker Richard Löwenherz auch zu Aggstein gefangen gesessen sein lassen,“ ist nicht zu finden und dabei wohl nur ein Gedächtnisfehler anzunehmen. 2 Hadmars Todesjahr 1217 (richtiger 1218), sowie die ganze Erzählung des Abtes Ebro im Stiftungenbuch von Zwetl (Linck I. 266-271 und Font. rer. austr. II. Abt. III. Bd. S. 96-99) wird von dem Geschichtsforscher Hanthaler in Zweifel gezogen, weil dieser Hadmar und seine Söhne Hadmar und Heinrich bei der Schenkung von Gütern zu Eschenau an das Stift Lilienfeld, welche durch den Herzog Leopold den Glorreichen zu Wien am 7. October 1219 nach dessen Rückkehr aus dem gelobten Land verbrieft wurde, als Zeugen gelesen werden; folglich scheine auch Hadmar wieder nach Hause gekommen und noch damals am Leben gewesen zu sein. (Hanthaler Fast. Campilil. T. I. P. II. p. 629 und Recensus diplomatico-geneal. archivi Campilil. Vol. I. p. 282-283 a.) Man möchte indessen hier lieber den in der Diplomatik keineswegs neuen Fall annehmen, dass der Name eines Verstorbenen, weil dieser der vorausgegangenen wirklichen Vergabung oder Verhandlung mitwissend war, unter die Zeugen der erst nachträglich ausgestellten Urkunde aufgenommen worden sei» als den so umständlichen und sonst unverdächtigen Bericht des Abtes Ebro einer Unrichtigkeit beschuldigen. 3 Beinamen von Tieren waren zu jenen Zeiten bei Fürsten und Adeligen weder ungewöhnlich noch schimpflich. Heinrich der Löwe, Albrecht der Bär glänzen auf den Blättern der deutschen Geschichte. Ulrich der Esel von Gaden wird 1254 in einem Kaufbrief der Abtei Heiligenkreuz, Reinprecht von Polheim der Rossschopf (nach einer andern Urkunde der Rosskopf) 1315 in einem Kaufverträge mit seinem Vetter Reinprecht, Heinrich der Hund von Potendorf 1278 und 1316 in Urkunden von Zwetl und Lilienfeld gelesen u. s. w. Die obige Erklärung, warum die Brüder Hadmar und Heinrich die Hunde hießen, ist weit natürlicher und daher glaubwürdiger, als die gesuchte Auslegung in der Chronik des Dominikaners Pernold ((Beichtvaters der römischen Königin Margarethe, welche nachmals mit dem böhmischen Könige Ottokar vermählt war), dass „Hounde“ statt Haende stehen soll, hochmütig durch die zehn Finger der zwei Hände auf die zehn (gewaltigsten) Burgen Heinrichs anspielend, welcher nach Pernolds irriger Meinung allein den Beinamen des Hundes geführt hätte: „Anno MCCXXX. Heinricus et Hadmarus de Chunringen fratres, potentissimi Barones terrae, quorum primus per fastu m assumsit nomen Hounde, quasi duae manus, in quibus essent decem digiti, cum esset castrorum decem dominus, munierunt sibi villam Zwetel, cogitantes in corde malum contra Ducem, ut sibi refugium pararent.“ (Pernoldi Chronica acephala in Hanthaler’s Fast. Campilil. T. I.P. II. p. 1313, dessen Erklärung der letztere p. 792-793 beistimmt und sie sogar auf Heinrich den Hund von Potendorf ausdehnt.) Dass aber Pernolds Chroniken-Fragment schon seines ersten Entdeckers und Herausgebers wegen sehr verdächtig sei, bedarf keines Beweises mehr. Über die Bedeutung des Wortes hund oder hunt, soviel als zehn, sehe man Wachters Glossarium Germanicum col. 763-765. Dass das arme, geplagte Volk die beiden schrecklichen Mordbrenner und Räuber nicht im ehrenhaften Sinne die Hunde nannte, ist begreiflich und selbst aus alten Zeugnissen bekannt. So sagen Ladislaus Sunthaim in seinen Klosterneuburger-Tafeln und des Veit Arenpeck österreichische Chronik, die Brüder Hadmar und Heinrich von Kuenring seien genannt die Hunde „von wegen ihrer Bosheit — ob eorum malitiam.“ (Hier.Pez scriptor. rer. austr.T. I. col. 1024 et 1212.) Mit allem Rechte verdienten sie wegen der Wildheit und grausamen Wut, womit sie um sich griffen und bissen, immer bereit ihre reiche Habe mit dem Schwerte zu vermehren, 'mit bösen Hunden

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