80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Der lebendige Momentensatz G die Hebelarme in bezug auf diesen Drehpunkt und errechnet daraus die einzelnen Drehmomente, so ergibt sieh eindeutig, daß die Summe der Drehmomente Null ist, d. h. daß rechts- und linksdrehende Momente einander aufheben. Dadurch, daß die Schüler das Ergebnis in ihrer Anordnung selbst finden können, werden sie besonders zur emsigen Mitarbeit und konzentrierten Aufmerksamkeit angespornt. Wenn man nun in der gleichen Anordnung die Kräfte in Vertikal- und Horizontalkomponenten zerlegt, so ergibt sich, daß die Summe der nach links und rechts gerichteten Horizontalkomponentcn gleich ist und ebenso die Summe der nach aufwärts und abwärts gerichteten Komponenten. Im l ’ntcrrichtsgegenstand Mechanik bildet diese Tatsache eine Selbstverständlichkeit, mit der der Schüler rein formelmäßig oft arbeiten muß. Durch diesen Versuch im Physikunterricht gelangt er zur unmittelbaren Einsicht in den Zusammenhang und die Notwendigkeit dieser Ge- retzc. Ein anderes Experiment soll das Vorhandensein und die Wirkung des Dampfdruckes anschaulich; machen. Wir stellen ebenso wie bei der Luftdruckbestimmung mit einer Quecksilbersäule Torri- ccllische Leere her, füllen von unten her Äther ein und beobachten nun, daß der in der Röhre aufsteigende Äther verdampft und dieser Dampf, wenn er Ätherdampf ist nicht kraftlos gesättigt ist, bei 20° C die Quecksilbersäule um -HO mm herabdrückt. Ein Schüler kann nun lediglich mit seiner Hand die Röhre erwärmen und damit zeigen, daß die Änderung der Dampftemperatur eine Druckänderung bedingt. Das gefällt den Schülern natürlich sehr gut, aber sie sind geradezu begeistert, wenn man ihnen weiter zeigt, daß die außen mit Äther befeuchtete Röhre durch sein Verdunsten ab- gckühlt wird und sich dadurch Temperatur und Druck des Ätherdampfes ändern. Letzteres wird am laschen Steigen der Quecksilbersäule erkannt. Dabei werden den Schülern früher gelernte Begriffe, wie hier die V e r d a m p f u n g s w ä r m e, wieder lebendig. Zu sorgfältigstem physikalischem Denken regt der folgende Versuch an, bei dem eine scheinbare Diskrepanz zwischen theoretischen Berechnungen und praktischer Messung zutage tritt. Ein Teil der Klasse soll den Widerstand eines Glühlämpchens mit der Wheat- stoneschen Brücke bestimmen und erhält als Ergebnis 1.3 Ohm. Zugleich errechnet der andere Teil aus den Angaben 6 V 3 W den Widerstand und findet den Wert von 12 Ohm. Zunächst glaubt jede Gruppe, dieser scheinbare Widerspruch beruhe auf einem Dc- zimalpunktfehler. Da sich aber kein Irrtum finden läßt, muß eine andere Erklärung gefunden werden. Ich weise nun die Schüler an, genau zu beobachten und bereits Bekanntes zur Lösung dieses Problems anzuwenden. Und jetzt kommen manche darauf, daß bei der praktischen Messung das Lämpchen nicht aufglühte, also der Strom nur ganz gering war, und andere wieder erinnern sich jetzt, daß der Widerstand ja von der Erwärmung des Leiters abhänge, und damit ist des Rätsels Lösung gefunden. R 12 Ohm gilt also nur bei voller Spannung von 6 Volt. Diese Beispiele bringen absichtlich Tatsachen, die vielleicht, besonders für den Techniker, selbstverständlich erscheinen. Wir müssen uns aber immer wieder fragen, w i c wir dem Schüler den Lernstoff beibringen, damit er ihn möglichst leicht, richtig und vollständig erfaßt und daß er damit auch arbeiten kann. Und hierin Hegt der Wert des Experimentes vor allem. Unter den verschiedenen Aufgaben, die das Experiment zu erfüllen hat, soll cs z. B. die anschauliche Grundlage für die Erarbeitung der verschiedensten physikalischen Gesetze abgeben. So gibt das Experiment auf alle Bälle dem Unterricht eine erlebnismäßige Note und das ist wiederum wichtig für die Aufmerksamkeitskonzentration des Schülers. Erst wenn diese Bedingungen gegeben sind, kann man richtig arbeiten. Würde ich dem Schüler die physikalischen Gesetze noch so verständlich und exakt ableiten, so könnte ich ihn doch niemals zu der Eigentätigkeit im Denken bringen, die für ein echtes Begreifen und Behalten nötig ist. Beim Experiment hat der Schüler nicht das Gefühl, daß er etwas hinnehmen muß, sondern er beobachtet begeistert den Ablauf der Vorgänge und erfaßt die sachlichen Zusammenhänge. Wir haben dies deutlich bei dem Beispiel für den Momentensatz gesehen. Ein alter pädagogischer Grundsatz sagt, daß man immer danach trachten müsse, Neues mit bereits Gelerntem zu verbinden. Und hier hilft uns wiederum das Experiment, diese Brücke zu schlagen. So war den Schülern die Sache mit dem Dampfdruck etwas völlig Neues, bekannt aber war ihnen schon die Verdampfungswärme. Am Beispiel der Torricelli- schen Röhre ließ sich nun beides sehr schön zeigen. 37

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