80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Munteres Gelächter zeigt von der Lust, mit der man sich einem solchen Thema gerne hingegeben hätte. Doch bringe ich die leichten Zwcrchfcllerschütterun- gen jäh zur Ruhe, als ich etwas lauter „Lichtwech- scl!“ fordere, um eine andere Maske cinzuschalten. „Zum Schluß sehen wir uns noch die Schnittkurven von mehreren Ebenen zugleich an. Lichtwechsel!" „kein!" sagen mehrere Schüler, berührt von der Schönheit des räumlichen Kurvcnerlebnisses. „Sic bemerken nunmehr außer den besprochenen Kurvcngestaltcn auch noch andere Formen.“ „Bitte, eine Hyperbel!" „Und eine Parabel!“ „Nur nicht so stürmisch!“ Ich lasse Licht im Lehrsaal einschalten, zusammen räumen und entdunkeln. Da läutet es, und indem ich die Schüler entlasse und mich der Lehrsaaltüre nähere, werde ich von mehreren Personen mit begeisterten Worten über das Gesehene bedankt. Ich hatte in den hereinhuschcndcn Gestalten am Anfang der Stunde gleich interessierte Besucher vermutet. Diesen gegenüber bemerke ich: „Sic sollten es noch sehen, wenn ich in der zweiten Klasse die bei der Durchdringung runder Körper aultretenden Raumkurven vorführe oder gar ebene und räumliche Kurven auf der Kreisringfläche, beziehungsweise die Umrißbildung sichtbar mache, die man an den üblichen 1 lolzmodellen überhaupt nicht wahrnehmen kann, da man zwar den Umriß sieht, seine Entstehung aber nicht erkennen kann.“ Josef Eichlseder DAS EXPERIMENT ALS GRUNDLAGE FÜR DEN PHYSIKUNTERRICHT IN DER FACHSCHULE Eine Fachschulklasse, der das T r ä g h e i t s g es e t z und der Begriff Trägheitsmoment bekannt sind, spicche ich etwa folgenderweise an: „Ich möchte heute mit euch einen Versuch machen, der euch bestimmt interessieren wird. Ihr seht, daß ich zwei Walzen mitgebracht habe. Sic wurden in unserer Werkstätte hergestellt und haben gleiche geometrische Abmessungen und gleiches Gewicht. Walze I hat einen zylindrischen Kern aus Eisen und darüber einen Hohlzylinder aus Aluminium; bei Walze II ist es umgekehrt, da ist der Kern aus Aluminium und ein Eisenhohlzylinder außen (Bild 1). Was wird nun sein, wenn ich diese beiden Walzen auf einer schiefen Ebene nebeneinander und gleichzeitig von derselben Höhe abrollen lasse, welche wird unten als erste ankommen?“ — Und nun kommt aus der Klasse fast ausnahmslos die Auffassung, daß Walze II als erste unten sein wird. Die Schüler müssen mir natürlich die Auffassung begründen. Sie argumentieren zumeist falsch. Ich könnte ihnen nun zwar das Trägheitsgesetz und (.las Trägheitsmoment noch einmal aufrollcn, die sie schon einmal gelernt haben. Ich glaube aber, daß der Großteil der Klasse innerlich nicht so zu überzeugen wäre, wie dies durch den Versuch geschieht, den ich nun unter allgemeiner Spannung vorführc. Alle sehen jetzt, daß Walze I gleich nach dem Start einen Vorsprung bekommt und als erste unten ankommt. Dieser Effekt ist so verblüffend, daß jetzt ein jeder sein ganzes Denken darauf konzentriert, die richtige Begründung dafür zu finden. Und die Schüler kommen nun verhältnismäßig leicht dazu, ihre theoretischen Kenntnisse praktisch anzuwenden. Da Gewicht und Radien für beide Walzen gleich sind, werden diese zum Abrollen durch gleich große Drehmomente in Bewegung gesetzt. Da sie aber verschiedene Trägheitsmomente haben, kommt Walze II mit dem größeren Trägheitsmoment langsamer ins Rollen. Die Umwandlung der Energie kann man mit diesen beiden „Trägheitszylindern" ebenfalls anschaulich beweisen, wenn man sie nämlich auf der gegenüberliegenden Seite bergauf rollen läßt. Hier erreichen beide dieselbe Höhe. 36 Alles staunt, Walze I ist schneller; sie ist nicht so Iräqe Nicht nur dieser Versuch übt mit seinem überraschenden Ausgang eine so weitreichende Wirkung auf den Schüler aus. Wir können uns noch einige solcher Beispiele ansehen. Um für den M o m c n t c n- satz die notwendige anschauliche Grundlage zu liefern, zeige ich den Schülern eine unregelmäßige Glasplatte, von der ich zuerst durch Aufhängen an verschiedenen Punkten von den Schülern den Schwei - punkt bestimmen lasse. Und nun wird die Scheibe so aufgehängt, wie es Bild 2 zeigt. Drei Kräfte wirken: Fi, Fs und das im Schwerpunkt S angreifende Gewicht G der Scheibe. Wenn man nach Verschieben der Kräfte Fi und Fs auf ihren Wirkungslinien bis zum Schnittpunkt deren Resultierende bildet, zeigt sich, daß diese genau so groß ist wie G, nur in entgegengesetzter Richtung wirkt. Also ist gezeigt, wie Kräfte, die keinen gemeinsamen Angriffspunkt besitzen, zusammengesetzt werden können. Durchbohrt man nun die Platte an irgendeiner Stelle und bringt das System um diese „Drehachse" aus dem Gleichgewicht, so dreht es sich nach Frcilasscn wieder in die ursprüngliche Lage zurück, und das würde man auch nicht anders erwarten. Bestimmt man für Fi, F-' und

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