80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

LEBENDIGER UNTERRICHT Michael Riegler WIR SUCHEN UNS KRAFTQUELLEN Was die Mutter in der Familie bedeutet — Liebe, Ansporn zu allem Guten und die Quelle, aus der der Mensch in den schwierigsten Umständen immer wieder Mut schöpft —, diese Bedeutung kommt der Religion unter den Fächern der Wissenschaft zu. ;— Die Bundesgewerbeschule will ihren Schülern nicht nur ein gediegenes Fachwissen vermitteln, sie ist auch bedacht, daß die reifenden jungen Menschen, die ihr anvertraut sind, durch den Religionsunterricht für ihr künftiges Leben das notwendige moralische und kulturelle Wissen erhalten. Die Schüler werden vertraut gemacht mit den ehernen, ewigen Gesetzen Gottes, an denen die Menschheit doch niemals vorbeikommt. Fs ziehen an ihnen vorbei die Schicksale der berühmten Menschen der Weltgeschichte^ cs wird geblättert im großen Geschichtsbuch des Lebens, es erschließen sich die Gebiete der Kunst, der Forschung und der Völkerkunde, zurück bis ins graue Altertum im sorgfältig aufgebauten Religionsunterricht. Es schließen sich auch dadurch unmerklich Bildungslücken, was für einen Menschen, der eine Position anstrebt, unerläßlich ist. Dabei erkennt der junge Mensch auch zwangsläufig durch eigenes logisches Denken, daß die Gesetze der Moral auch die Freiheit des Geistes und des Lebens in sich schließen. Er erfaßt die Tatsache, daß der sittliche Halt seinen Niederschlag nachweislich im Leistungspotential findet. Vor diesen jungen Menschen liegt das ganze Leben, den Grund riß dazu zeichnen sie in der Schule. In die Jahre des Studiums fallen aber auch gerade die Jahre der Reife mit all ihren Schwierigkeiten. Es werden ganz neue Fragen laut im Innern des jungen Menschen, Probleme erstehen. Da soll aus berufenem Munde Antwort und Lösung kommen. Mögen Vater und Mutter noch so geliebt sein, eine gewisse Scheu verschließt die Lippen, und mancher Irrtum wurde begangen, der seine Schatten und seine Folgen auf das ganze Leben warf. Darin liegt eine besondere Aufgabe des Religionslehrers, seinen Schülern, die bewußt oder unbewußt von den ersten seelischen Erlebnissen umfangen werden, die Größe und die I Ici- ligkeit der Lebensquelle zu erklären. Er muß den Kampf aufnehmen mit all dem Schund und Schmutz, den Film und Literatur aus reiner Gewinnsucht der Jugend vorsetzen. Denn ist die Phantasie eines jungen Menschen durch schlüpfrige Lektüre einmal aufgestachelt oilcr durch Schundliteratur in die Irre geleitet, so ist unmöglich mehr eine der Begabung entsprechende Leistung zu erwarten. Da aber heute nur der Mensch seinen Weg macht, der in der Leistung vollwertig ist, und nur derjenige vollwertig sein kann, der vieles gut gelernt hat, liegt es auf der Hand, wie bedeutsam dieser Unterricht in das Leben des jungen Menschen eingreift, da er ihm zur moralischen Kraft verhilft. Wissen zu erwerben und das Erlernte einmal richtig zu verwerten. Dr. Walter Knarr DEUTSCH UND GESCHICHTE — ZWEI GEGENSTÄNDE, EIN KULTURFACH Dritter Jahrgang, urn Anfang Dezember herum, die Schüler hören von den großen Dichtern der mittelhochdeutschen Zeit. Wir lesen einige Gedichte Walters von der Vogclwcide, in neuhochdeutscher Sprache natürlich. Die Jungen haben in Geschichte bereits von den Wirren dieser Zeit gelernt, dem Kampf zwischen Welfen und Staufern, zwischen Kaiser und Papsttum. Ein Schüler sagt, „daß das Leben dieses Dichters eine Ähnlichkeit habe mit dem von Menschen unserer Zeit“. Ich gehe gleich darauf ein und bestätigte dies. Wieviele Männer unseres Zeitalters setzten all ihre Kraft daran, einem bestimmten Ideal nachzustreben, unbeirrt um alle Widerstände. Wir sprechen von einigen Dichtern und Erfindern, lür die das zutrifft. Gegenwartsbezogener Unterricht heißt das in der trockenen Sprache der Pädagogik. Wie lebendig sieht es aber in Wirklichkeit aus! Den Verlust an Zeit für den Vortrag des „Stoffes“ belohnt der Gewinn an Verständnis und Interesse der Schüler. In einer der nächsten Stunden erzähle ich von Gottfried von Straßburgs „Tristan und Isolde“. Das Rittertum einer längst versunkenen Epoche wird lebendig. Ich brauche nicht viel zu erklären, denn wir haben im Geschichtsunterricht der vergangenen Wochen über die Sitten dieser Zeit schon gesprochen. Zahllos sind die Möglichkeiten, Beziehungen zu anderen Kulturperioden herzustellen. Alle kennen dem Namen nach die Oper Richard Wagners, mehrere haben sie schon im Radio gehört und einer sogar im Theater gesehen. Eine wertvolle Grundlage für den Unterricht im fünften Jahrgang, in dem Wagners Werk besprochen wird, ist geschaffen worden. Zufällig jährt sich in diesem Jahre der 140. Geburts- und 70. Todestag des Meisters; ich weiß, daß ein musikalisch interessierter Kollege einen Schallplattenvortrag veranstalten wird, dies wird dann die Eindrücke noch vertiefen. Nachdem ich den Inhalt des Werkes erzählt habe, meldet sich einer der Buben und meint, „daß er vor zwei Jahren einen Film gesehen habe, der war ganz ähnlich“. Alle lachen ihn aus, bis ich ihnen sage, daß cs sich um den französischen Film „Der ewige Bann“ handelt, der tatsächlich den gelungenen Versuch machte, das Tristan-Motiv in die Gegenwart zu versetzen. Unnötig festzustellen, daß dies die Schüler sehr beeindruckt, ist doch damit bewiesen, daß es sich um 27

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