80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Wohnmaschinen mit aller Automatik und mit in Schubfächern versenkbaren Möbeln. Die Geschichte unserer Schule spiegelt haarscharf im Kleinen die Entwicklung in der großen Welt wider. Diese Schule, zum Zwecke der künstlerischen Belebung und Durchdringung des Handwerks vor 80 Jahren gegründet, wurde, der Notwendigkeit entsprechend, immer mehr zu einem Instrument der Heranbildung reiner Techniker. Unsere Abteilung allein, die Fachschule für Stahl- und Stanzenschnitt, Metalltreiben und Gravieren, hat bis heute die künstlerische Tradition weitergeführt und ist bestrebt, trotz Technik und mit ihr dem Ding jene Form abzugewinnen, die es über den Bereich des rein Technischen hinaushebt, ohne die Zweckmäßigkeit zu gefährden. Die Abteilung wurde 1905 gegründet und von Prof. Zim'pel, der seit 1895 an der Schule in künstlerischen Fächern tätig gewesen war, übernommen und bis 1920 geführt. Sie erfuhr durch dessen Nachfolger, Regierungsrat Gcrstmay r, dem Mitarbeiter B 1 ü m e 1 h u- bers, eine wesentliche Erweiterung und Belebung insofern, als unter seiner Leitung nicht nur die Erfordernisse des praktischen Graveurs gelehrt, sondern darüber hinaus die begabteren Schüler in ihren künstlerischen Bestrebungen bestens gefördert wurden und viele davon die künstlerisch-akademische Laufbahn erfolgreich beschreiten konnten. Wesentlich war und ist nach wie vor die Heran Bildung des Schülers für die Notwendigkeiten in Industrie und Gewerbe. Der Positiv- und Negativschnitt, das Metalltrciben und die Flachgravur bilden das Kernstück der Ausbildung in Verbindung mit der Lehrwerkstätte, in der sich die Schüler vornehmlich mit der Herstellung von Gesenken beschäftigen. Eine Reihe sorgfältig ausgewähltcr theoretischer Gegenstände ergänzen den Lehrplan. Der Laie macht sich kaum eine genaue Vorstellung, woran überall die Arbeit des Graveurs beteiligt ist. Von den Farbdruckwalzen des Zimmermalers und der Stoffdruckcreien angefangen, den Preßformen für Kunststoffe, Gummi und Glas, den Kernen und Gesenken für Bestecke und Schmuck, bis zu den Prägestöcken des Geldes, der Medaillen und Abzeichen und den gravierten Platten für Marken und Banknoten erstreckt sich die Arbeit des Graveurs. Es ist begreiflich, daß bei der enormen Weite des Arbeitsgebietes und der Kürze der Ausbildungszeit nur jene Grundlagen geschaffen werden können, die cs dem Absolventen ermöglichen, sich draußen in der Praxis rasch in das ihm zukommende Spezialgebiet einzuarbeiten. Die Technik ist ein Kind der Mathematik und Naturwissenschaften, meßbar an ihren Formen sind nur die Ebene, der Zylinder, der Kegel und die Kugel. Alle anderen Formgebungen beruhen auf Wertschätzungen des Instinkts. Die Wiedererweckung des Formgefühls wird daher immer mehr eine Notwendigkeit unserer Zeit. So ist es durchaus kein Widerspruch, wenn der Schüler vormittags an seinem Schraubenschlüsselgesenk arbeitet und sich an der einfachen, eleganten Zweckform erfreut, nachmittags aber nach der Natur ein Bildnis in Stahl schneidet, sofern seine Begabung dies ermöglicht. Auch die künstlerische Arbeit hat ihre Gesetze in Bezug) auf Statik, Festigkeit und Logik. Der Techniker von heute soll nie vergessen, daß einst Leonardo seine Geräte, Wehr- und Wasserbauten mit der gleichen Sachlichkeit entwarf wie die Tektonik seiner Gemälde, das Statuarische seines Reiterstandbildes oder die Mechanik und Hebelwirkung bei Bewegungen des menschlichen Körpers. Die Gegenstände und Instrumente des täglichen Bedarfes, einst Erzeugnisse des individuellen Handwerkers, sind heute Produkte des Fließbandes geworden. All diese Dinge ihrer kalten, trockenen Technisierung zu entkleiden ist die Hauptaufgabe des neuen Kunsthandwerks, eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit überhaupt. 26

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