80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Direktor Dipl.-Ing. Robert Hillisch SCHULLEBEN W enn man auf der nach Norden führenden Ausfallstraße die Stadt Steyr verläßt und die Vorstadt fast hinter sich hat, zweigt eine zur Enns führende Sackgasse ab. An ihr liegt hinter Tannengrün, mitten in einer großen Parkanlage, die Schule. Einst, als sie noch Jägerkaserne war, stand sic allein auf einer kahlen, ebenen Fläche. Heute ist sie umgeben von kleinen Siedlungshäusern und großen Sportplätzen, hohen alten Bäumen, Obstgärten und Wiesen. In der Stadt und doch auf dem Lande, ganz nahe der alten Eisenstraße und doch abseits vom großen Verkehr ist kaum ein Platz geeigneter für eine Schule als dieser. Mehrmals schon hat die Schule ihre Unterkunft verlassen müssen, eia ihr der Raum zu klein geworden war. In der Schlüsselhofgasse hat sie den für ihre Entwicklung nötigen Raum gefunden und diesem entsprechend ihr Leben aufgebaut. Immer weitere Unterrichtsgebiete wurden erfaßt, immer weitere Kreise nahmen Interesse an der Ausbildung in Steyr. Das Einzugsgebiet weitete sich zuerst auf das Land Oberösterreich und den westlichen Teil Niederösterreichs aus und umfaßt heute auch Salzburg und Tirol, Steiermark und Kärnten, denn die Schule war in der glücklichen Lage. Platz für die Unterbringung dieser Schüler auch bei Nacht zu haben: es entstand das Schülerheim im Schulgebäude. Mit dem Internat aber ist 'die Schule für einen großen Teil ihrer Besucher mehr geworden, als bloß eine Stätte, die man morgens knapp vor Unterrichtsbeginn erreicht und nach mehreren Stunden eiligst wieder verläßt. Sic war in den vielen Jahren mehreren tausend und ist im Augenblick fast 300 Schülern ein I leim, in das der Neuankömmling zwar noch von der Mutter ängstlich umsorgt hereinbegleitet ward, das er aber nach drei oder fünf Jahren als sehr selbständiger, ..reifer“, junger Mann verläßt, gewohnt, nicht sich als den Mittelpunkt aller Dinge zu betrachten. sondern mit der Erkenntnis, daß man sich zwar nur selbst sein Wissen aneignen kann, daß man sich im übrigen aber der Gemeinschaft ein- und unterordnen muß, die den Charakter erst richtig formt und erhabene Leistungen ermöglicht. Er hat es immer wieder erlebt, besonders in der Zeit nach dem zweiten Krieg, daß von einigen I hinderten mühelos geschaffen wurde, was einer allein nie zu beginnen wagte. Viele kleine und auch große Arbeiten, die Haus und Garten betreffen, wurden von den Schülern in Gemeinschaftsarbeit geleistet, unterstützt vom Personal des Schuldienstes, angeleitet vom Direktor, den Lehrern und Erziehern: Ein mehrere hundert Meter langer Zaun um das große Schulareal ist so entstanden, überständige Bäume wurden gefällt, I länge geböscht, eine Zufahrtsstraße gebaut. Geh- und Fahrwege angelegt, junge Bäume und Sträucher gepflanzt und Sitzbänke aufgestellt, Kies und Schotter auf eigenem Grund gegraben. Damit wurden nicht nur die Wegbauten ermöglicht, sondern auch kleine I lochbauten aufgeführt, wie z. B. ein Flugdach für drei Lastkraftwagen, ein Stall für acht Schweine, eine straßenseitige Mauer. Im Gebäude selbst wurde noch mehr geleistet: Abgesehen von der ständigen Betreuung der Einrichtungen für Strom, Wasser und Gas, wurden etwa zweihundert Meter Kabelkanäle ausgehoben, betoniert, die Kabel gelegt und die Schächte abgedeckt. Drei unbenützte Werkstättenräume wurden zu einem Raum zusammengefaßt und daraus ein Turnsaal mit Bretteiboden und Holzverkleidung an den Wänden geschaffen. Die zugehörigen Garderoben wurden in die Landmaschinenhallen so eingebaut, daß sie diesen gleichzeitig als Galerie für Werkbänke und Werkzeugmaschinen dienen. Eingangs- und Saaltüren wurden neu versetzt, Abteilungswände aufgerichtet, um die Autogenschweißerei und die Elektrcschweißerei neu unterzubringen, und für diese Räume neue Fensterrahmen geschweißt. Da ein Festsaal fehlte, wurden zwei hintereinanderliegende Säle von insgesamt dreißig Meter Länge durch Umlegen der Mauer miteinander verbunden, dann Faltwände geschaffen, die cs gestatten, den Raum binnen wenigen Minuten in drei Räume von je zehn Meter Länge zu unterteilen, um dort unterrichten zu können. Die Einrichtung der Wasser- und Gaszuleitung für das chemische Laboratorium, der Umbau eines Lehrsaales aus einer freigewordenen Schulwartwohnung sind weitere bauliche Leistungen, ohne daß die Schule eine eigene Bauabteilung hätte. Dieses Schaffen am Aufbau der Schule erzeugt bei den Schülern, mehr als eine strenge Hausordnung es vermöchte, das Gefühl für die notwendige pflegliche Behandlung des Schulgebäudes und seiner Einrichtungen. Wenn wir uns dem Unterricht zuwenden, der ja das eigentliche Schühchen ausmacht, dann finden wir hier erst recht auf Schritt und Tritt Schülerleistungen vor, die teils Voraussetzung für die Unterrichtserteilung selbst sind, wie die Herstellung von Tischen. Stahlstockerln und Schultafeln oder die Durchführung des Heizdienstes, teils zu seiner Regelung dienen, wie die elektrische Signalanlage, und ihn unterstützen, wie Wandbilder, Wandtafeln und eine lange Reihe von hochwertigen Experimentiergeräten. Die umfassendste Leistung aber vollbringen die Schüler in den nunmehr 28 Werkstätten und Laboratorien. Da zu Ende des zweiten Krieges auch die Werkstätteneinrichtung zum Großteil geplündert worden war, mußte sie von den Schülern hergestellt oder zumindest vervollständigt oder generalrepariert werden. Dank der Arbeit der Schüler ist heute jede Werkzeugmaschine in allen Werkstätten mit elektrischem Einzelantrieb versehen, sind alle Arbeitsplätze ausreichend mit Handwerkzeug ausgestattet, läuft der Betrieb im Zentralmaga zin, in dem Schüler tätig sind, reibungslos. Das Bewußtsein der Schüler, daß sie selbst cs sind, die die Schulcinrichtungen mitschaffen, hat einen großen Einfluß auf das Schulleben, macht es zum Erleb nis. Wenn es seit jeher jedem Schüler schwergefallen ist, eine „Aufgabe“ im „Rahmen eines Ausbildungsganges“ zum „Zwecke der Beurteilung“ zu erledigen, so ist er im Gegenteil leicht zu begeistern., wenn es sich darum handelt, ein Stück zur Schuleinrichtung zu schaffen, auf das er während der Schulzeit und mehr noch, wenn er später einmal wieder herkommt, mit großem Stolz hinzcigen kann: „Das hat unser Jahr gang gemacht, da war ich dabei.“ Jeder geht mit Lust und Liebe an die Arbeit und strebt mit Eifer nach gutem Gelingen, ohne zu denken, daß er dabei in

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