Zum 75. Todestag von Anton Bruckner

„Dös war a so. Da sind' s am Chor g'sessen, neben der Orgel, der Herr Erzbischof Rudigier, der Herr Domkapellmeister und noch zwoa Herren. Und da hat der Herr Domkapellmeister a Notenblatt g'habt, a verdächtig's, und er gibt's mir. Da war ein Fugenthema aufg'schrieben. Das war a Thema - a g'schmalzen's, Herrschaft no mal! - I schau mir die G' schicht a Weil' an, wischpeln s' schon hinter meiner: ,Aha, dös kann er nicht.' I denk mir: Heilige vierzehn Nothelfer, jetzt könnt i euch brauchen. Und wie der Herr Erzbischof sagt: ,Herr Bruckner, is Ihnen dös vielleicht zu schwer?' sitz i scho bei der Orgel, und fang an, ganz piano mit der Vox humana, wissen S'. Nachher lass' i die Gegenstimm' dazu und g'spür i, wie meine Füß' auf die Pedale umanandtanzen, als ob's die Engeln hin- und herschupfen, dann komm i mit'm Thema im Baß und drauf in ein' Orgelpunkt und in oaner Steigerung, daß die ganze Kirchen erzittert is wie vom himmlischen Donner ... Aber seine Emeninenz hat gesaget: ,Meine Herren Examinatores, statt daß Sie den Herrn Bruckner prüfen, hätte der Herr Bruckner Ihnen prüfen sollen.'" Bald hatte er auch die Linzer Musikwelt von seinem Können überzeugt: 11 Es dürften vielleicht nur wenige Kathedralkirchen solche Organisten aufzuweisen haben, wie Herr Bruckner einer ist", heißt es in einer Zeitungsnotiz aus dem Jahr 1858 33 • Wie der neue Organist beim alljährlichen Hochamte zum Gründungsfest der Liedertafel Frohsinn am 30. 3. 1856 das Spiel auf der Domorgel besorgte, schreibt der Bericht- erstatter des 11 Linzer Abendboten" am nächsten Tag: ,,Herr Bruckner, der neu an- gestellte Organist, bewährte sich als ein mit dem Instrument vollkommen vertrauter Künstler. In dem Präludio vor dem Agnus Dei, in welchem er sich der Koppelung sehr wirksamer Register bediente, erreichte die Bewunderung über sein Spiel den höchsten Grad ... 34" Auf Anton Bruckner übte die Linzer Domorgel größten Einfluß aus 35 • In Linz begann sein Schaffen als Symphoniker. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Thema der 11 Nullten" oder 1. Symphonie in Form einer Improvisation an der Orgel aus der Taufe gehoben wurde. Hier entstanden alle drei großen Messen, die in d-Moll (1864), die in e-Moll (1 866) und die f-Moll-Messe (1867/68). Die d-Moll-Messe wurde am 20. 11. 1864 im Alten Dom sogar zur Uraufführung gebracht. In Linz komponierte Bruckner auch das berühmte siebenstimmige 11 Ave Maria" und andere Gelegenheitswerke, wie eine Orgelfuge in d-Moll 36 • Sicher sind seine Kompositionen nicht zuletzt von der Linzer Domorgel (also der Orgel der heutigen Ignatiuskirche) inspiriert. Sie war schließlich 11 zu seinem Lieb- lingsinstrument" geworden 37 , hatte doch gerade er sich um eine Restaurierung be- müht. Mit welch kindlich-naiver Haltung der einstige Schulmeister an seine Vorge- setzten herantrat, geht aus folgendem Schreiben an das Bischöfliche Ordinariat hervor 38 : "Der ehrfurchtsvollst Gefertigte erlaubt sich, dem hochwürdigsten bischöfl. Ordina- riate mit Hinblick auf die Vollendung sich nähernden Restaurierung der Domorgel /:nur in den früheren Stand:/ die Bitte vorzulegen, daß die Ausführung der bereits beantragten Vergrößerung der Domorgel durch 2 bis 3 neue Register von 8 und 16 Fuß und der vollständigen Stimmung der Orgel / :wie auch die nothwendige Abhülfe einiger Gebrechen im Mechanismus sowohl im Manuale als im Pedal:/ schon jetzt bewilligt und in Vollzug gesetzt werden wolle ... . . . Die Herstellung von neuen Registern erscheint zum Behufe der Choralbegleitung 46

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