Zum 75. Todestag von Anton Bruckner

weitgehend richtig waren, daß sie heute noch gültig sind und daß seine Methode mit analogen Ergebnissen tatsächlich für das ganze Planetensystem anwendbar ist! Ist mithin die objektive, naturwissenschaftliche Gültigkeit der Planetenintervalle klar, so könnte sich aber ein anderer Einwand dieser akustisch-musikalischen Welt- harmonie entgegenstellen, nämlich der nach der ebenso objektiven Gültigkeit der zutage geförderten Musikgesetze. Wir haben von Konsonanzen gesprochen und von Dreiklangstönen, haben Dur und Moll erwähnt, und man könnte daraufhin ein- wenden - und ein solcher Einwand wird sicher gern von der heutigen Avantgarde vorgebracht werden - daß eben diese Begriffe ja recht zeitbedingt und keineswegs objektiv verwendbar seien. Das aber ist nun keineswegs der Fall, und auch dafür gibt es Beweise, die freilich noch sehr jung und wenig bekannt sind. Die neuere harmonikale Forschung, die auf der sogenannten „Kayserschen Harmonik" aufge- baut und diese wissenschaftlich zur „Harmonikalen Grundlagenforschung" 20 ausge- baut hat, kann diesbezügliche Ergebnisse vorlegen. Sie baut auf der Husmannschen Konsonanzentheorie auf, mit der vor etwa 20 Jahren nachgewiesen wurde 21 , daß durch die im Ohr entstehenden subjektiven Obertöne und die ebendort ihren Ursprung habenden Kombinationstöne ein ebenso verwickelter wie sinnreicher physiologischer Mechanismus entsteht, auf Grund dessen jene Intervalle, die aus einfachen Zahlen- proportionen gebildet werden, vom Gehör deutlich bevorzugt werden, daß sie oben- drein aber auch noch eine Rangfolge in der Bewertung erhalten, die genau der überkommenen Konsonanz-Dissonanz-Unterscheidung entspricht. Es konnte dazu zunächst ergänzend festgestellt werden, daß eine Disposition für die Intervalle auch im psychischen Bereich existiert und daß diese gesamte, vielschichtige Gehörsdispo- sition offensichtlich nicht nur auf unsere Kultur beschränkt ist, sondern trotz der oft befremdenden Art außereuropäischer Musik auf der ganzen Welt angenommen wer- den darf 22 • Später wurde ferner nachgewiesen, daß sich aus der erwähnten physiolo- gischen Gehörsdisposition auch die Zwölfordnung der Halbtonschritte in der Oktave sowie die Bevorzugung von Dur und Moll ableiten läßt2J. Somit ist heute erwiesen, daß die wesentlichen Grundlagen unserer Musik auf die Disposition des menschli- chen Gehörs zurückzuführen sind, für die die großen Meister der Vergangenheit - also auch Bruckner ! - unbewußt ihre Werke geschrieben haben. Und es ist auch klar, weshalb seit Erfindung von Rundfunk und Schallplatte diese europäische Mu- sik in aller Welt in so erstaunlichem Vormarsch begriffen ist: eben weil das Gehör aller Rassen gleichermaßen für diese Musik disponiert ist. Wir konnten diese Ergebnisse hier nur kurz referieren und wollten ja auch nur dem eventuellen Einwand begegnen, die von Kepler in den Planetenbahnen entdeckten Musikgesetze könnten lediglich zeitlich oder konventionell bedingt sein. Es ist nun- mehr klargestellt, daß Keplers Planetenintervalle sowohl naturwissenschaftlich als auch musikalisch objektiv richtig und da:mit für alle Zeiten gültig sind. Kepler hat in der Tat seine selbst gestellte Lebensaufgabe vollauf erfüllt. Er hat den Beweis einer Weltharmonie mit Musikgesetzen erbracht und damit die alte pythagoreische Lehre bestätigt, wobei freilich offen bleiben muß, ob die Weltharmonie der Pythagoreer genau so ausgesehen hat wie die Keplersche; denn die Pythagoreer haben ihre Leh- ren streng geheim gehalten, so daß nur fragmentarische und legendäre Äußerungen über ihr Anliegen auf uns gekommen sind 2 4. Kepler hat mit eigenen Mitteln diese alte Tradition erneuert, und die heutige harmonikale Forschung stellt ihn daher :mit Recht in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen und korrigiert dabei ein nur unvoll- 37

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