Zum 75. Todestag von Anton Bruckner

det keineswegs deren Hauptinhalt, sondern wird in Kapitel 3 des 5. Buches unter 13 Hauptsätzen der Astronomie, die Kepler für seinen Beweisgang benötigt, an 8. Stelle aufgeführt, dient ihm also lediglich als Mittel zum Zweck 11 • Diese wenigen Hinweise müssen genügen, um klarzustellen, daß Kepler in der Tat den Beweis der Weltharmonie als seine eigentliche, ihm vorn Schicksal zugewiesene Aufgabe betrachtete, und er beendete daher auch die „Weltharrnonik" mit einem Gebet, einem Dank an den Schöpfer, das u. a. folgende Worte enthält 12 : ,,Siehe, ich habe jetzt das Werk vollendet, zu dem ich berufen ward. Ich habe dabei alle die Kräfte meines Geistes benutzt, die Du mir verliehen hast. Ich habe die Herrlichkeit Deiner Werke den Menschen, die meine Ausführungen lesen werden, geoffenbart, soviel von ihrem unendlichen Reichtum mein enger Verstand hat erfassen können". Sehen wir uns nun Keplers Beweisführung etwas näher an, wobei uns der Inhalt des „Mysterium cos:rnographicum" nicht weiter zu interessieren braucht, da er allein schon durch Keplers Entdeckung der elliptischen Planetenbahnen überholt ist; er hat lediglich den Wert einer Annäherungslösung oder Infrastruktur des späteren Be- weises1,. Kepler hatte aber bei seinen weiteren Forschungen nicht nur die Ellipsen- form der Planetenbahnen entdeckt, sondern sich auch ausführlich mit Musiktheorie beschäftigt, wobei er sich vor allem durch Sethus Calvisius beraten ließ 1•. Insbeson- dere interessierte ihn die Proportionenlehre, also die Tatsache, daß einfache Zahlen- verhältnisse (von Saiten- oder Wellenlängen und, reziprok, von Frequenzen) un- trennbar mit den bekannten Intervallen der Musik verbunden sind. Kepler machte ausgiebig Monochordversuche, über die wir an Hand eines Briefes aus seiner Feder sehr gut orientiert sind 1 5, und in der Tat läßt sich am Monochord durch das Erklin- genlassen unterschiedlicher Saitenlängen die Proportionenlehre am besten darstel- len - auch heute noch. Bekanntlich erklingt die Oktave beim Saitenlängenverhältnis 1 : 2, die Quinte bei 2 : 3, die Quarte bei 3 : 4, usw. Kepler hat sich damit alle Voraussetzungen erarbeitet, das Problem der Weltharmo- nie erneut in Angriff nehmen zu können, und er löste es schließlich in den volumi- nösen „Harrnonices rnundi libri V", den 5 Büchern von der Weltharrnonik, wie Max Caspar den Titel so treffend übersetzte, die 1619 in Linz erschienen. Die Bücher 1 bis 4 dienen dem Nachweis der Proportionen in der Geometrie, der Musiktheorie und der Astrologie, wobei das der Musik gewidmete 3. Buch das längste ist; Kepler ver- wendete übrigens hier die Begriffe Dur und Moll als erster im neuzeitlichen Sinn 16 , gibt dabei aber kurioserweise Moll den Vorrang. Sehr deutlich wird schon in diesen vier Büchern Keplers morphologische Denkweise; denn er erfaßt analoge Gegeben- heiten in den unterschiedlichen Bereichen, und diese morphologische, analogische Methode ist eine derjenigen, die seine Vorgangsweise von der typisch naturwissen- schaftlichen unterscheidet. Diese vier Bücher stellen gleichsam nur Material für den eigentlichen Beweis zusammen, und den enthält sc:hließlich das 5. Buch, das an sich astronomischen Inhalt hat, da es ja die Planetenbahnen als Gegenstand der Unter- suchung hat, wennschon auch hier mit vielen Notenbeispielen vorwiegend auf das 3. Buch Bezug genommen wird. Keplers harrnonikale Erforschung der Planetenbahnen erfolgt in der Weise, daß er die verschiedenen Bahnwerte durchrechnet, also die Entfernungen von der Sonne, die Umlaufzeiten, die Tagesbögen usw., und die astronomischen Meßwerte in Inter- vallproportionen umwandelt, die er in Tabellen zusammenstellt und eingehend dis- kutiert. Die Ergebnisse befriedigen ihn aber zunächst nicht vollauf, bis ih:rn die 35

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