3 lieh keine Ausgaben für das Krankenhaus zu tragen, weil diese der Stadt vom Land mit fünf Achteln und vom Bund mit drei Achteln zurückerstattet werden, aber es könnte einmal ein neues Krankenhausgesetz kommen, das der Gemeinde neue Lasten auferlege, und so sei der Verkauf des Krankenhauses eine Vorsorge für die Zukunft. Darüber hinaus ersah sich die Stadtgemeinde in der Übereignung des Krankenhauses eine Sanierungsmöglichkeit für die tristen Stadtfinanzen. Die Stadt habe beim Land Oberösterreich durch Nichtablieferung des Lohnabgabeanteils eine Schuld von 300.000 Schil ling; diese Schu ld könnte durch den Kaufpreis beglichen werden. Mit dem übrigen Teil des Kaufschillings, das sind 400.000 Schi lling, könne die Zinsenlast der Gemeinde erheblich verringert werden. Dem Verdienst und der Einsicht des Landeshauptmannes Dr. Sch legel sei es zu verdanken, daß der Verkauf des städtischen Spitales im Interesse der Stadtfinanzen zustandegekommen ist. Die Stadt Steyr hatte zu diesem Zeitpunkt, wie in der gleichen Sitzung im Rahmen des Rechnungsabschlusses für 1928 berichtet wurde, Schu lden in Höhe von 3,618.113 Schi lling bei Jahresgesamteinnahmen von 2,690.580 Schilling und einem Haushaltsdefizit von 264.965 Sch illing. Dieses Ergebnis wurde als günstig bezeichnet, denn im Voranschlag war der Abgang 1928 mit 947.270 Schilling enthalten gewesen. Daß der Abgang gleich um 682 .304 Schilling verringert werden konnte, wurde auf die Hochkonjunktur in den Steyr-Werken zurückgeführt, denn die neue Type XII des SteyrWagens hatte einen Massenabsatz gefunden. Primarius Dr. Oser Erich, Assistenzarzt Dr. Hans Essen, Verwalter Hans Andel, Verwaltungskommissär Alois Eglseer sowie die weiteren Angestel lten wurden vom Land Oberösterreich zu gleichbleibenden Rechten übernommen. Das Personal des städtischen Krankenhauses Steyr bestand im Jahre 1928 laut der Publikation „Die Städte Deutschösterreichs", herausgegeben im Deutschen Kommunalverlag Berlin-Friedenau, aus: 1 Primarius, 1 Sekundararzt, 2 Assistenzärzten, 1Verwa lter, 1Verwaltungsbeamten, 1 Beamten des Verwaltungshilfsdienstes, 2 Kanzleikräften, 1 Torwart und dem Pflege- und Hauspersonal (dessen Zahl nicht angegeben ist). Der Veräußerungsvertrag, mit dem das Steyrer Krankenhaus dem Land Oberösterreich übereignet wurde, trägt das Datum vom 30. Dezember 1929. Mit Beginn des Jahres 1930 nahm also eine neue Ära ihren Anfang: die Ära des allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhauses Steyr. Die Finanzlage der Stadtgemeinde Steyr hatte sich durch die Kraftwagenproduktion in den Steyr-Werken, die ein erhebliches Mehr an Steuereinnahmen erbrachte, wenigstens für die Jahre 1928 und 1929, sowie durch den Verkauf des Krankenhauses an das Land Oberösterreich woh l verbessert, doch ein Teil der Bevölkerung und der Arbei tskräfte, die in den Steyr-Werken keine Beschäftigung fanden, litt schreck! icheNot. Am 29. März 1930 kam Bundeskanzler Dr. Johann Schober in Begleitung des Landeshauptmannes Dr. Josef Schlegel nach Steyr, um Hilfsmaßnahmen für die bedrängte Bevölkerung zu erörtern. Die erste Begrüßung der Gäste fand im Landeskrankenhaus Steyr statt, anschließend ließ sich der Bundeskanzler von Primarius Dr. Oser durch alle Krankensäle führen. STEYR IN ARMUTUND ARBE ITSLOSIGKEIT Im Rathaus, der nächsten Station des Bundeskanzlers, richtete Bürgermeister Sichlrader an den Regierungschef die dringende Bitte um Unterstützung durch die maßgebenden Stellen der Republik. Die Wohlhabenheit Steyrs gehöre der Vergangenheit an, Steyr sei eine Stadt der Not, des Elendsund der bittersten Armut geworden, das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit breite sich in der Stadt aus. An den Hilfsaktionen, die in den Jahren darauf insLeben gerufen wurden, beteiligte sich auch das Landeskrankenhaus Steyr. So begann am 1. November 1933 eine Ausspeisungsaktion, die täglich 300 bis 400 Personen nützten; nach dem Februar 1934 stieg die Zahl der Steyrer, die im Landeskrankenhaus zur Gratisverköstigung kamen, auf 700 täglich. Das Spital St. Anna war, zusammen mit dem neuen Krankenhaus, in das Eigentum des Landes Oberösterreich übergegangen. Es wurde noch immer als Spital geführt. Mit 6. Dezember 1934 erwarb derOrden der Barmherzigen Schwestern das Gebäude, um es nach entsprechender Adaptierung als Schule und Wa isenhaus zu verwenden. Um die Belegung mit Patienten beenden zu können, wurde für das Landeskrankenhaus an der Sierninger Straße ein Zubau in Aussicht genommen. ERÖFFNUNG DES INFEKT\ONSPAV\LLONS Dieser Zubau, der lang geplante Infektionspavillon, wurde am 30. November 1935 feierlich eröffnet. Diözesanbischof Dr.Johannes Maria Gföllner und Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner unterstrichen mit ihrer Anwesenheit die Bedeutung dieses Anlasses. Die Planung oblag Hofrat Ing. Peters, die Ausführung war der Steyrer Baufirma Zwettler übertragen worden. Der zweite Anlaß für den hohen Besuch und die festliche Eröffnungsfeier war die Fertigstellung der neuen Krankenhauskapelle, die nach Plänen des Dombaumeisters Matthäus Schlager, Linz, als Anbau an der Rückseite des Hauptgebäudes errichtet wurde. Den Altar hat der Bildhauer Franz Forster, St. Florian, geschaffen und mit einer zwei Meter hohen Statue der hl. Barbara gekrönt. Die Fenster stammen vom akad. Maler Prof. Stifter und dem Glasmaler Raukampf. Eine andere Erweiterung des Hauptgebäudes erfolgte im Jahre 1937. Parallel zum Kapellentrakt wurde ein Trakt als Wohn- und Schlafstätte für die Krankenschwestern errichtet. Sogleich nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich , in den bösen Märztagen des Jahres 1938, unternahm die NSDAP den Versuch, eine NS-Schwesternschaft heranzubilden, um die geistlichen Schwestern abzulösen. In der Regel waren 30 bis 33 Schwestern am Landeskrankenhaus tätig. Der Versuch scheiterte zunächst, da sich nur sechs weibliche Personen zur Ausbildung meldeten. Außerdem bemühte sich Primarius Dr. Erich Oser sehr um den Verbleib der Barmherzigen Schwestern. DASJAHR1938 Die Chronik des Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalenders meldet schließlich zum 1. September 1938 in lakoni - scher Kürze: ,,Das Deutsche Rote Kreuz hat das Allgemeine Kranken haus in Steyr übernommen". Am 3. Juni 1939 fand zur Ausmusterung der ersten Rot-Kreuz-Schwestern eine Feierlichkeit statt, die ganz im „neuen Geiste" stand, wie der Steyrer Kalender berichtet: ,,Die Oberin der Schwesternschule des DRK in Steyr lud zu einer Feier, welcher u. a. der Chef der Landesstelle 17 Ostmark des DRK SS-Obersturmbannführer Doktor Ott, Generaloberin von Oertzen, deren Stellvertreterin v. Ferstl, der Obmann der Schwesternschaft des Gaues Oberdonau Dr. Lehner, ferner von der Wehrmacht Oberst Ziegler und Oberstarzt Doktor Henneberg sowie Vertreter der Partei und der NS-Frauenschaft beiwohnten. Frau Generaloberin v. Oertzen aus Berlin, welche die Vereid igung der jungen Schwestern vornahm, wies besonders auf die Pflichten der Deutschen Roten Kreuz-Schwestern hin und legte ihnen ihre hohe Mission im Dienste an Volk und Vaterland warm ans Herz. Nachdem die Schwestern durch Handschlag Treue zum Führer und restlose Pflichterfüllung gelobt hatten, heftete sie jeder einzelnen die Schwesternnadel an das Dienstkleid." Dieser Ausmusterung war insofern ein Akt politischer Gewalttätigkeit vorangegangen, als Schule und Waisenhaus St. Anna von den nationalsozialistischen Machthabern enteignet und die geistlichen 17
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