75 Jahre Landeskrankenhaus Steyr 1916-1991

mit der Kündigung des Vertrages nic ht zuvorgekommen wä ren . Es mißfiel der Spezial kommission, daß laut Vertrage vom Jahre 1849, daß „die Gemeinde über die Art der Verwendung dieses Geldesgar keinen Einfluß zu nehmen hat, daß sie keine Rechnung hierüberverlangen könne, daß sie sic h überhaupt in die pekuniären Verhä ltniße des Ordens in keiner Weise zu mischen hat. Diese 2200 Gulden C.W. werden ausdem milden Versorgungsfonde entnommen, als aus einer Stiftung, deren Verwaltung gesetzlich und stiftbriefmäßig der Gemeinde-Vertretung zusteht. Der Betrag von 2200 Gu Iden C.W. ist eine bedeutende Rente dieses Fondes, und für die Verwendung dieses Betrages ist gesetzlich und stiftbriefmäßig die Gemeinde-Vertretung verantwort lic h. Die GemeindeVertretung kann sich daher, wenn sie ihre Pflicht erfüllen soll, niemal s des Rechtes begeben, auf diese Verwendung Einfluß zu nehmen, und dieselbe zu kontro llieren ." Um das Aufsic htsrecht der Gemeinde sicherzustellen, müsse auf jeden Fall, so die Spezialkommission, auf eine Änderung dieser Bestimmung aus dem Vertrag vom 5. Juni 1849 gedrungen werden. Ferners seien die Vertragsbestimmungen über die Aufnahme der Syphili - tischen so unklar, daß die Differenzen die „natü rliche und nothwendige Fo lge der zweife lhaften Vertragsbestimmung" gewesen seien. ZWIST UM DIE SYPHILISKRANKEN Zur Petition vom Apri l 1869, an „derenSpi tze die beiden Pfarrämter stehen", meint die Spezia lkommission, daß sie der Äußerung, man wä re mit der Krankenpflege der Barmherzigen Schwestern bisher zufrieden gewesen, zustimme, daß sie jedoch niemals einem Schritte einraten könne, der ,,die Rechte, die Ehre und Würde der Gemeinde-Vertretung beeinträchtigen würde". Also: nur keinen Canossagang bei den ehrwürd igen Schwestern! Im übrigen, so die Spezia lkommiss ion, habe der Orden mit Vertrag vom 15. August 1849 zugestimmt, daß vorkommende Anstände zwischen dem Magistrat und der Ordensoberin dem k.k. Kreisamt zur Entscheidung vorgetragen werden. Der Orden habe dies hinsichtlich des Zwistes um die Syph iliskranken unterlassen, sondern sei g leich mit der Kündigung vorgegangen, so daß die Spezia lkommission folgern müsse, die Kündigung sei schon vorher eine beschlossene Sache gewesen. Die Gemeinde müßte sich „geradezu ihres Rechtes begeben, sie müßte a ls selbständiger Vertragstheil geradezu aufhören zu existiren, wenn sie auf das Ans innen eingienge, um Zurückna hme der Kündigung b ittlic h zu werden". Wol le man jedoch auf die Petition e ingehen, denn es stehe außer Zweifel, daß die „Schwestern die Krankenpflege mit Liebe und Ausdauer besorgten, daß wenig Klagen über die Behandlung der Kranken und Pfründner laut wurden", so erachte es die Spezia lkommission für nothwend ig, ganz neue Grundlagen hinsic htlic h eines Vertrages und einer der Zeit entsprechenden Organisation zu schaffen, wobei sic h die Gemeinde das Recht wahren müßte, Kranke nach Maß der Räume dem Spita l zuzuweisen und die Kontrolle ausüben zu können. Es müßte auch ein neuer Maßstab für die Entschäd igung der Schwestern gefunden werden, entweder durch einen Pauscha lbetrag oder durch sonstige Entlohnung. Bezüglich derSyphil iskranken erachte es die Spezialkommission für zweckmäßig, einen Zubau zum Sonders iec henhause zu errichten und hinsic;::htlich der Heilung und Pflege der Syphi liskranken mit dem Orden einen Separatvertrag abzusch ließen . Im übrigen sei es müßig, sich näher mit Vertragsbedingungen zu befassen, solange der Orden nicht die Erklärung abgegeben habe, die Krankenpflege auch wei terhin zu übernehmen . Die Spezialkommiss ion ste llte daher im Gemeinderat den Antrag, der Orden der Barmherzigen Schwestern solle über den Bericht der Spezia !kommiss ion in Abschrift informiert und ersucht werden, binnen vierWochen sic hzu äußern, ob er auf Grundlage neuer Verträge bereit sei, die Krankenpflege in St. Anna und die Betreuung der Pfründner im Sondersiechenhause fernerhin zu übernehmen. Der Orden müßte sich allerdings mit dem Zuweisungsrecht des Magistrates und dem stiftsbriefmäßigen Aufsichtsrecht einverstanden erklären . Am 16. November 1869 machte Bürgerme ister Pöltl, aufgrund des Gemeinderatsbeschlusses vom 14. November, der Schwesternschaft den Vorschlag, die Stadt Steyr wolle dem Spital 30 Heller Verpflegsgebühr pro Tag und Kranken zahlen, die Honorare für d ie Ärzte und die Apothekenkosten übernehmen, dagegen aber die zuletzt bestehende Pauscha lsubvent ion von 2310 Gulden im Jahr einstellen. Die Antwort kam von der Ordensle itung in Wien: Die Barmherzigen Schwestern könnten einem Verpflegssatzvon 30 Hellern wegen der Teuerung auf dem Lebensmittelmarkt nicht zustimmen, sie würden jedoch zu den früheren Bedingungen, jedoch unter Ausschluß der Siph iliskranken, bei einer aufgebesserten Subvention die Spita lsregie zu St. Anna sowie d ie Honorierung der Ärzte und die Übernahme der Apothekenkosten fortsetzen. Hinsichtlich des Sondersiechenhauses jedoch b leibe die Kündigung vom 15. März 1869aufrecht. ,, Es wolle daher d ie Einleitung getroffen werden, daß d ie daselbst bed iensteten Schwestern ba ldmöglic hst abberufen werden." Der Streit, der sich fast zwei Jahre hingezogen hatte, fand mit beidsei ti ger Einsicht ein schnell es Ende.Am 7.Dezember Primarius Dr. Vikfor Klotz 1869 ri c htete Bürgermeister Pöltl folgendes Schre iben an die Leitung der Barmherzigen Schwestern zu St. Anna : ,, In Erledigung der mit schätzbarer Zusch rift am 4. d . Mts. mitgetheilten Schreiben der lnstitutsvorstehung der Barmherzigen Schwestern in Wien vom 3. d. Mts. beehre ich mic h die Mittheilung zu machen, daß der Gemeinderath in seiner Sitzung vom 6. d . Mts. den einhelligen Beschluß gefaßt habe, daß die sifilitisch Kranken vom Sondersiechenhause entfernt, und in einem anderen städtischen Gebäude untergebracht und behandelt werden, und daß es bezüglich der Krankenpflege im St. Anna Spitale so wie im Sondersiechenhause nach den bisherigen Modalitäten mit Ausnahme der sifilit isch Kranken sein verb leiben habe. Auf Grund dieses Beschlußes erwartet demnach derGemeinderath, daß die geehrte lnstituts-Vorstehung die veranlaßte Kündigung der Verträge zurückziehen werde." Kurz und bündig war auch das Einverständnis des Ordens mit Schreiben vom 15. Dezember 1869 an die löbliche Gemeinde-Vorstehung : ,,Zu Folge des Beschlußes des löblichen Gemeinderathes in der Sitzung vom 6. Dezember 1869 erklärt die lnsti tutsvorstehung der Barmherzigen Schwestern, daß sie die frühere Kündigung der Verträge zurückziehe, und die fernere Besorgung des St. Anna Spital s und Sondersiechenhauses bereitwil lig übernehme nach den bisheri - gen Modalitäten." 9

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