75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Landschaft, Tier, Pflanze, Ding. Um alle diese darzustellen, kam es Busch auf kein Modell an, er hatte vor seiner Arbeit abertausend Modelle in sich verarbeitet, beobachtet, zergliedert, auf das wesentlichste gebracht. Das Ergebnis stellt er nit ein paar Federstrichen, dem absolut Mindesten an Aufwand, dar. Busch wird o zum wahren Souverän der Wirklichkeit, jener konfliktgeladenen Dingwelt, der nur ein einziges wahrhaft überlegen ist bis ins kleinste: Humor. Der Humor von Busch ist im Grund jene Sachlichkeit, von der jede Kinderzeichnung bestimmt wird. Er ist aber auch jenes Überbrückende, das tagtäglich an einfachen Menschen, die einander begegnen, jungen Burschen und Mädchen, Liebesleuten als die ge¬ gebene Gesprächsform zu beobachten ist. Wie Spitzweg aus den Romantikern emporsteigt, Busch aus den Nieder¬ ländern, so Greil aus der Alt-Wiener Schule des Biedermeier. Das Wiener Sittenbild, das mit Danhauser, Waldmüller und Amerling zu europäischer Be¬ deutung geführt wird, findet in gewissem Sinn in Greil seine letzte Vollendung. Er wurde in Linz von Adalbert Stifter entdeckt, der ihm ein Stipendium an die Wiener Akademie erwirkte. Dort kommt er geradewegs in die große Münchner Historienmalerei nach Peter Cornelius hinein, dessen Schüler Christian Ruben ihn in die Lehre nimmt. Nur mühsam hat sich Greil von den Geschichtsbildern losgerungen und seinen Platz innerhalb der Wiener Malerei gewonnen. Er fand zum Sittenbild und, gleichfalls höchstentwickelter Wiener Tradition folgend, zur Aquarellmalerei. Nach seiner Ausbildung ist er nur wenige Jahre von Wien erngeblieben, lebte in Linz und Stuttgart. Als er sich 1873 für immer in Wien niederließ, hatte er sich selbst gefunden un begann die lange Neihe der Werke einer höchsten Kraft. Obwohl er damals noch fast ein ganzes Menschenalter vor sich hatte, währte diese höchste Blüte nur knapp ein Jahrzehnt. Nur wenige Bilder aus dem tausendfach geschilderten Wiener Volksleben hat er geschaffen, seine unverdrängbare Welt war die seiner Kindheit, das Bauernvolk von Ober¬ österreich. So ist auch Greils Humor ein Konflikt mit der Wirklichkeit, er lebt in der Großstadt, ohne sich mit ihr abzufinden, in seinen lustigen Bäuerlein macht er sich über sich selbst lustig. Wie Spitzweg in romantische Vergangenheit flüchtet er in die Romantik der Jugendzeit und sein Humor ist von Güte, Verstehen, ächelnder Nachsicht erfüllt, die Selbstverspottung eines Herzens. Die Wirkung des Humors liegt wesentlich in der Prägnanz. Greil ist jedoch gleichzeitig prägnant und weitschweifig. Wie die Bilderfolgen von Busch zu betrachten sind, so ein einzelnes Bild von Greil. Hier wird auf einem Blatt in aller Breite erzählt, aber jede Einzelheit ist mit der vollen Schärfe des Humoristen gesehen. Während Spitzweg mit dem Pinsel, Busch mit der Zeichenfeder bewußt über die Wirklich¬ keit hinausgehen, gibt Greil mit unheimlich sicherem Aquarellpinsel scheinbar un¬ veränderten Augenschein, pralle und unerbittliche Außenwelt. Er verwandelt sie also nicht in Humor, sondern deckt nur ihre latente Komik auf. Wie ernst er diesen Vorgang genommen hat, ist dadurch erwiesen, daß er von jedem Aquarell eine völlig durchgeführte Studie anlegte, in der durch graue Lavierung auch die Licht¬ und Schattenwirkungen eingetragen sind. Schon diese erscheinen als vollendete Meisterwerke und werden trotzdem durch die endgiltige Ausführung noch bei weitem übertroffen. 97
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