75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
nicht erfolgreich war. Selbst Claar ist dieser Vorwurf nicht erspart geblieben. 38) Mehr Gewinn hat die Nähe Wiens und auch Münchens im Gastspielwesen gebracht. — Wer nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen! Selbst die größten Mimen haben den Weg nach Linz nicht gescheut (Lewinsky 1903, Girardi 1916, Moissi 1929, Bassermann 1936, Dr. Tyrolt des öftern, die Paula Wessely, noch bevor sie berühmt war, Siegfried Breuer, Lingen und Kemp 1945) Gastspiele auswärtiger Truppen haben Ibsen in Linz durchgesetzt, der Begriff einer gültigen Klassikervorstellung verband sich mit den Eindrücken der Gastspiele des Burgtheaters, der des Musters von Kammerspielinszenierungen ergab sich aus solchen der Josefstadt oder des Deutschen Volkstheaters, und Wiener Sänger haben oft der Linzer Oper aufgeholfen. — Selbständig blieb das Linzer Theaten noch in anderer Hinsicht: es besaß und besitzt einen Fundus, der allen normalen Ansprüchen genügt und den der schlaue Brantner auch über die Fährnisse des Krieges hinübergerettet hat; freilich spielte dieser Fundus insolange eine un¬ erfreuliche Rolle, als die Direktoren ihn dem Lande ablösen mußten, ein Umstand, der etwa bei der Berufung Paul Wredes mitentschieden hat All dem nun stehen freilich auch negative, oft und oft beklagte Schattenseiten gegenüber: da ist zunächst die viel zu geringe Fassungskraft des Zuschauerraums zu nennen, die in keinem Verhältnis zur Größe des Bühnenraums, in gar keinem zu den Bedürfnissen der Stadt steht. So ist die Geschichte des Theaters begleitet von immer wieder einsetzenden 1 und immer wieder gescheiterten Versuchen, einen der Größe der Stadt entsprechenden Neubau zu erstellen; das Land hat in dieser Frage bisher noch nie die nötige Initiative aufgebracht, vielleicht tut dies einmal die Stadt — ein Linzer Stadttheater würde die Verwirklichung einer natürlichen Idee bedeuten. Der Klage freilich, daß das Theater zu klein sei, steht die ebenso oft ausgesprochene andere gegenüber, daß es zu groß sei — zahlreich sind die unmutigen Ausrufe der Direktoren wie der Kritiker, daß die Linzer ein amusisches, schweraufzurüttelndes, schwungloses Volk sein. Anläßlich einer vorzüglichen Aufführung von Grillparzers „Treuem Diener“ muß R. S. (= Dr. Nichard Schubert) 39) feststellen: „Es ist nun einmal das Los der sogenannten klassischen Stücke, daß man sie gern bewundert, ohne sie zu kennen.“ 1930 muß die Presse mit Entrüstung die Tatsache verzeichnen, daß die Konkurrenz eines Zirkusses den Besuch guter Schauspielaufführungen wesentlich beeinträchtigte, so daß sogar ein Burgtheatergastspiel „Faust“ vor leerem Haus stattfand.4°) Das Scheitern der Maifestspiele 1927, die abgebrochen werden mußten, ist allein auf das man¬ gelnde Verständnis des Publikums zurückzuführen, die Presse erhob scharfe An¬ klagen und beschwor, vergeblich, das Kunstgewissen der Linzer Bevölkerung.4 Und mit welch zögerndem Unverstand wurde ein Dichter wie Ibsen aufgenommen! In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß auch alle Versuche, Linz eine Theaterzeitschrift zu geben, ebenso fehlschlugen??) wie manche Bemühungen, den 38) Tages-Post 1908, Nr. 118. 30) Tages-Post 1910, Nr. 25. 40) Tages-Post 1930, Nr. 86. 41) Tages-Post 1927, Nr. 109. *2) Dezember 1919 erschienen, von Ludwig Aichinger herausgegeben, „Die Maske“, ging aber nach einem Heft wieder ein! 92
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2