75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

es zu einer künstlerischen Höhe führte, die es bis heute nicht wieder erreicht hat; Strindberg, Wedekind, Ibsen und der Expressionismus zogen, in viel debattierten Aufführungen, ein. Durch ein Politicum kam Paul Wrede ans Nuder (1920—22), und so bedeutet denn auch wirklich die Zeit dieses jungen, freundlichen, aber der Situation nicht gewachsenen Mannes einen Abstieg. Er erlag den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit, aber er wäre auch den künstlerischen Forde¬ rungen erlegen, trotz mancher beachtlicher Versuche wie etwa dem einer Parsival¬ Darbietung; das Schauspiel stagnierte. 6) Eine zweite Direktion Max Höller 1922—24), in der schon der idealistische Heinrich Hagin das Schauspiel leitete, brachte zwar einige beachtliche Werke wie Hofmannsthals „Elektra, Strindbergs „Rausch“, Büchners „Woyzek“ und Calderons „Großes Welttheater“ nach Linz war aber im ganzen kein Gewinn, weder für Linz noch für Höller, der schließlich, nach heftigen Kämpfen mit der Bühnenorganisation, die Sache aufgab und Heinrich Hagin (1924 — 25) überließ. Selten hat ein Direktor mit solch heiligem Ernst und künstlerischer Hingabe eine Bühne übernommen — er ist an Linz und den äußeren Hemmnissen der Zeit gescheitert, sein Selbstmord (4. 9. 1925) ist ein Fanal in der Kulturgeschichte von Linz. Nach interimistischen Lösungen blieb Albert Hugelmann (1925—30) — ein dunkles Blatt in der Geschichte des Linzer Landestheaters; keiner war so gut mit Subventionen dotiert und vom Vertrauen des Landes getragen wie er (ausgerechnet ihm hat es den Phantasietitel eines „Intendanzrates“ verliehen!), und das Ergebnis gerade seiner Direktion war ein finanzielles Chaos und eine nicht unbegründete Theaterverdrossenheit der Linzer. Hagin hatte genug Fähigkeit gehabt, aber kein Geld, Hugelmann das Geld, aber geringere Fähigkeiten.?) Freilich hatte er auch gegen schwierige Verhältnisse anzukämpfen — der Tonfilm war erstanden und zum stärksten Nivalen der Operette geworden, und dem Schauspiel war nach dem Zusammenbruch des Mittelstandes noch kein neues Publikum gewonnen; sogar eine glänzende „Faust“-Aufführung des Burgtheaters blieb unbesucht. Trotzdem war die Erkenntnis seiner Kritiker richtig — und sie ist richtig geblieben —, daß eine Wiedergeburt des Theaters nur vom Schauspiel kommen könne. Wieder folgte eine Doppeldirektion Dominik Löscher und Karl Meizner (1930—31); sie begannen guten Willens, scheiterten aber am Geldmangel, und eine Direktion Hugo Lischka-Raul blieb eine flüchtige Episode. Stadt wie Land brachten nicht genug Kulturwillen auf und Linz wäre ohne Theater geblieben, hätte sich nicht eine oberösterreichische Theatergemeinde, mit dem begeisterten Schuldirektor Horninger (+ 1945) an der Spitze, gefunden und das Theater gerettet: Ignaz Brantner (1932 — 45) wurde Direktor, später Intendant, und er, ein Praktiker und Organisator mit sicherem künstlerischen Gefühl, fand den Weg aus dem Abgrund wieder, er gewann dem Linzer Theater seinen alten Ruf wieder und führte es auch, geschickt lavierend, durch die Fähr¬ nisse und Zugriffe der nazistischen Zeit. Unter ihm ist 1940 das Haus umgebaut worden (der Zuschauerraum freilich nicht zu seinem Vorteil), und 1942 wurden die Kammerspiele wieder eröffnet, allerdings mehr, um der leichten Ware als 26) Leidenschaftlich wendet sich K. N. (= Karl Neumayr) am 15. 4. 1922 im „Tagblatt““ gegen die „Bequemlichkeitsausrede der Herren Höller und Wrede, mit dem Schauspiel lasse sich kein Geschäft machen“, und im selben Blatt muß Dr. Koref am 27. 6. 1922 ein Stück („Morphium“ von L. Herzer) als „aufgelegte Schundware“ bezeichnen. )So Tages-Post 1930, Nr. 166, in: „Das Linzer Theater 1930/31. 88

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