75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Auch die Wiener Presse war der Anerkennung voll und vergaß, wie sie es gewohnt, von „Provinz“ zu sprechen, etwa anläßlich der Würdigung der Uraufführung des „Franzl“ (22. 12. 1900).21) Der Theaterintendant des Landes, Dr. Ebenhoch, elbst als Bühnenautor tätig, war Cavar ein fördernder Freund nicht alle seiner Nachfolger haben diesen Sinn für die dramatische Kunst bekundet Der folgenden Doppeldirektion Oskar Schramm und Karl Wallner (1903—1906) gelang es nicht, die erreichte Höhe zu halten — Doppeldirektionen sind selten gut, das Theater ist eine Monarchie —; gewiß ist auch ihre Zeit nicht ohne Verdienst, sie brachten die „Weber“ und die „Rose Bernd“ nach Linz, den „Cyrano von Bergerac“ und das „Nachtasyl“, „Nienzi" und Wolf-Ferraris „Neugierige Frauen“, aber Dr. Görner, die Stimme des künstlerischen Gewissens, warf ihnen ein Überwiegen der „leichten Reizungen“ der Operette vor??) und eine gewisse Ziel- und Ratlosig¬ keit im Repertoire?3), auch verfielen sie in den Fehler einer Abhängigkeit des Spielplans von Wien und Berlin, welcher Vorwurf freilich gegen fast alle Linzer Direktoren erhoben werden müßte. Schließlich kam es zu einem offenen Zwist zwischen Schramm und der Presse, und so wurde die neue Direktion Hans Claar 1906—1918) allgemein als Wohltat empfunden. Sie war auch eine, nicht um¬ sonst hat Claar das Landestheater durch 13 Jahre geführt, ein Kunststück, das nurmehr dem tüchtigen Brantner gelungen. Claars Wirken ist noch nicht ver¬ gessen, er ist für den älteren Linzer von heute die Verkörperung der „guten alten Zeit“ des Landestheaters. Sein Spielplan war beachtlich: er hat in der Oper u. a. Puccini und d'Albert in Linz eingebürgert, in der Operette Lehar, im Schauspiel Hauptmann (Biberpelz, Kollege Crampton, Michael Kramer, Gabriel Schillings Flucht) und Sudermann, den Erfolgdramatiker, hat Schönherr und Wildgans, Bahr und Shaw gepflegt und einen Spielplan voll reicher Ab¬ wechslung geboten. Ein Blitzlicht nur: im Spieljahr 1907/08 hat er 12 Klassiker, 20 Opern, 21 Operetten gegeben. Die Kritik war ihm hold (sie mußte es sein), sie war mit seinen Ensembles ebenso zufrieden wie die Mitglieder des Hauses mit der sozialen Einstellung des Direktors24), dem es gelang, das Theater mit bestem Geschäftsgang, zu dem allerdings die Tanz- und Schlageroperette das meiste beitrug, durch den Krieg zu bringen. Nach dem Tode des verdienten, müd gewordenen Mannes kam Max Höllers erste Direktion (1918 —20): sie bedeutet im Vergleich zu Claars Periode gewiß keinen Fortschritt, anderseits aber doch auch eine Leistung im Vergleich zur Zeit und den mißlich gewordenen Verhält¬ nissen: sie sind durch die Worte Kino, Inflation, Arbeitslosigkeit und Verelendung des Mittelstands genügend gekennzeichnet. Es gab Klagen über den Spielplan 25), über Lücken im Ensemble, über zu starke Beanspruchung der Solisten aber — man darf auf der andern Seite nicht übersehen, daß Höller mit der „Kleinen Bühne“ im Redoutensaal 1919 der Stadt ein Kammerspieltheater schenkte und 21) Ul. a. s. „Öst. Volksztg.“ 1900, v. 22. 12. („das Cavarsche Ensemble von großstädtischem Niveau“), oder „Wiener Ztg.“ v. 24. 12. 1900 („Landestheater Linz in der ersten Neihe der der öst. Bühnen"). 22) S. Tages-Post 1905, Nr. 219, 23) Derselbe Vorwurf wiederholt sich, s. u. a. Tages-Post 1906, Nr. 95. 24) S. Tages-Post 1915, Nr. 245. 25) S. Tages-Post 1919, Nr. 107, „Die abgelaufene Theaterspielzeit“ 87
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2