75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

in meiner Seele und in meinem Geiste vorfinde.“ — „Mit dem hl. Thomas könnte ich durch dick und dünn gehen. Denken Sie sich, ich finde meine ganze olaristisch-perspektivistische Philosophie, mein ganzes polaristisches System, das ich selbständig gefunden habe, in ihm wieder. Ich bin todunglücklich, daß ich nicht vor Abschluß meiner philosophischen Trilogie auf ihn gestoßen bin. Manches wäre besser und klarer ausgefallen.“ Die stärkste Wirkung dieser Freundschaft liegt im Persönlichen. In dem Briefe vom 6. 2. 1929 heißt es: „Sie haben gewaltig aufwühlend in mein Leben eingegriffen. Ich könnte heute nichts mehr gegen die katholische Kirche unter¬ nehmen. Ich habe die Überzeugung gewonnen, daß es tatsächlich die katholische Kirche ist, die uns heute vor dem Untergang rettet. Und im Dezember 1929: Ich trete heute der Neligionslosigkeit in jeder Form entgegen. „Durch — Sie habe ich Ihre Kirche lieben gelernt, ohne mich eindrängen zu wollen. Von der Verehrung, die Stern seiner Freundin entgegenbrachte, zeugen die Worte: „Sie sind für mich das Maß meines äußeren und inneren Lebens geworden! Sie haben eine so feine, zarte, unwiderstehliche Art, erzieherisch zu wirken, daß dagegen die Erziehung, die ich genossen habe, als die reine Bar¬ barei erscheint. Stern ist sich seiner Freundespflicht stets bewußt: „Nichts liegt mir ferner, als Sie in Ihrer Bahn zu stören. Im Gegenteil, ich will Sie auf dieser Ihrer „Sie sollen wissen, Bahn fördern und Ihnen nützen, wo immer ich kann. was Sie an mir haben. Nicht einen charakterlosen Satelliten, der sich an Ihnen onnen will, sondern einen treuen, tapferen, Ihnen von Herzen ergebenen Freund, der Ihrer nicht unwürdig ist. Wenn's anders wäre, so wäre alles wertlos, was ich über Sie geschrieben habe. Das ist es aber nicht. Ich bin stolz auf die absolute Neinheit und sachliche Unanfechtbarkeit meiner Einschätzung Ihrer großen mensch¬ lichen und künstlerischen Persönlichkeit. Stern schätzt Handel-Mazzetti als Kritikerin ersten Ranges, vor allem gegen sich selbst. „Das ist nämlich der Höhegrad jeder Kritik. Aber auch sonst ist mir kaum jemand im Leben begegnet, der ein so unabhängiges, unbestechliches, un¬ konventionelles Urteil hätte wie Sie. Und dabei verleugnen Sie doch nie die Güte, die in Ihrem Herzen wohnt. Er sieht in Handel-Mazzetti nicht bloß einen „großen, gewaltigen Künstler“ sondern auch „einen großen, guten, noblen und edlen Menschen, den Freund nennen zu dürfen die herrlichste meiner Lebenstrophäen bildet“. Er ist voll Bewunderung ihrer großen Erfolge: „Goethe sagt zunächst einmal, daß sich in der Stoffwahl schon der Meister zeige. Das allein bedingt den großen, echten Erfolg aber noch lange nicht. Der Erfolg Ihrer Dichtungen erklärt sich aus drei wichtigen Faktoren: 1. Aus Ihrer gewaltigen, frei gestaltenden Künstler¬ kraft, die mit ehernem Fleiß und größter Gewissenhaftigkeit gepaart ist. 2. Aus dem tiefen religiösen Ernst, aus der Inbrunst der Liebe, Wahrheit und Gerechtig¬ keit und aus der Nesonanz, die Sie dadurch in der machtvollen Organisation Ihrer Kirche finden. 3. Aus der klug gewählten, aber doch zugleich innerlich, organisch bedingten Stofflichkeit Ihrer Dichtungen. Mit innerster Anteilnahme verfolgt er das Werden und Fortschreiten des großen Nomanes „Frau Maria“, er fühlt mit Maria von Bronnen, mit Schubarth und mit dem oherösterreichischen Franzmeier, dieser „Prachtgestalt“. 83

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