75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Linz 1902) und durch seine freundschaftlichen Beziehungen zu den hervorragendsten Geistern unseres Landes. Stern kannte die weite Welt, er kannte Amerika, wo er sich als Arbeiter, als Journalist sein Brot verdiente. Er war als Vorkämpfer der sozialen Ge¬ rechtigkeit jahrelang in der Schweiz (Zürich) tätig und lebte seit 1898 fern allem großen Getriebe in seinem Höflein, wo er 1938 starb. Seine Freundschaft mit Handel-Mazzetti währte ein Jahrzehnt. In der ersten Zeit vermittelte Landes¬ echnungsrat Rudolf Narbeshuber die Verbindung, deshalb auch scherzweise von uns als der „Götterbote“ bezeichnet. Die Lyrik Sterns im letzten Jahrzent seines Lebens stand vollständig unter dem Einfluß Handel-Mazzettis. Der „leidenschaftliche Schwung“ dieser Lyrik, so schreibt er selbst in einem Briefe, „stelle eine persönliche Huldigung“ für die Dichterin dar. Sie zeichnet sich aus durch „tiefe Beseeltheit neben Wortpracht und musikalischem Wohlaut“. Er wehrt sich dagegen, daß er bisher ein „relativ seelenloser Formkünstler gewesen“ sei. Man könne bei ihm nicht von einer „stim¬ mungsvollen Lyrik“ sprechen. Die Lyrik seiner früheren Jahre sei vielmehr ein einziger leidenschaftlicher, wilder, revolutionärer Schrei gewesen, der Sie erschrecken und wohl auch erschüttern würde, wenn Sie ihn hörten. Er dachte hiebei z. B. an die „Proletarierlieder“ (1885), die in zweiter Auflage unter dem Titel „Stimmen im Sturm“ (1888) erschienen und in vielen Tausenden von Exem¬ plaren verbreitet wurden. Seine letzte Sammlung der Gedichte, die unter dem Einfluß Handel-Mazzettis entstanden sind, sollten unter dem Titel „Auf Gold¬ grund erscheinen. Die Ausgabe kam nicht zustande. Das beste Zeugnis der Musikalität seiner Lyrik ist der Hinweis, daß Hun¬ derte seiner Lieder komponiert wurden, allein das „Es ist ein armes Wörtchen nur“ elfmal von elf verschiedenen Komponisten, in aller Welt verstreut (auch von Franz Neuhofer). „Manche meiner größeren Dichtungen, „Meeresstimme', „Tod des Sardanapal', „Schwüre im Walde', sind für Männerchöre und großes Or¬ B. vor chester vertont und mit großem Erfolg aufgeführt. „Meeresstimme' z. mehr als zehntausend Menschen beim eidgenössischen Sängerfest in Basel 1893“ Der Verfasser der Deutsch-österreichischen Literaturgeschichte (IV. Bd., S. 1173) sagt von ihm: „Stern legt einen zu strengen Maßstab an sich selbst an, als daß er je Nichtiges, Unbedeutendes veröffentlichte. Aus vielen seiner Gedichte strahlt die Schönheit seiner Wahlheimat Oberösterreich wieder, wenn ihm auch sein baltisches Jugendland unvergessen und unvergeßlich im Sinn liegt. Durch die Freundschaft mit Handel-Mazzetti kam Stern in engste Berührung mit dem katholischen Geistesleben, auch auf philosophischem Gebiete. Seine philo¬ ophischen Ansichten hat er niedergelegt in der Trilogie: 1. Weltanschauung. Er¬ jebnisse freien Denkens. 2. Das Weltvakuum. 3. Theorie des Unbewußten. Linz 1921—1928.) In mein Widmungsexemplar schrieb er: „Nicht die Meinungen, sondern die Gesinnungen trennen oder verbinden. Das „Drei¬ gespann des hl. Franziskus, Thomas von Aquino und Augustinus stehen ihm etzt nahe. Der Erstere ist seinem Herzen schon durch seine Tier- und Naturliebe lieb und wert. Er ist ihm der große Freund aller Lebewesen, der den Wind seinen Bruder, das Wasser seine Schwester und die Erde seine Mutter genannt hat. Im Briefe vom 9. 5. 1929 schreibt er: „Ich bin erschrocken, ergriffen über die Übereinstimmung mit Augustin und besonders mit Thomas von Aquino, die ich 82
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2