75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
im tiefen Wald, der Walch von seinem Kinde entfernt hielt, jene Kraft ist, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, ebenso wie er, der Fürst der Finsternis, Sands reine Liebe noch in letzter Nacht verwirren und herabsinken lassen will — aber er baut ihr nur eine Stufe empor zur Liebesreue. Teurer Meister! Neulich, als wir in trautem Verein (Hofrat Dr. Berger, L. N. R. Narbeshuber, L. A. D. Krako) beisammen waren, sprachen wir so viel von Ihnen — immer wieder. Es war die Ansicht aller, daß Sie im Frühjahr gewiß noch an dem gemütlichen Plaudertisch sitzen werden. Wissen Sie, lieber, verehrter Herr Ehrendoktor, auch unsere Christine ist dieser Ansicht, und wenn die's sagt, dann ist es sicher so, denn von ihren Ahnherrn, die in den Hussiten¬ kriegen als Taboriten gekämpft haben, hat sie eine gewisse Prophetengabe über kommen. In treuer herzlichster Freundschaftsgesinnung, in tiefster Hochverehrung E. H Samhabers Kräfte begannen aber trotz allem langsam zu schwinden. Sein letztes ausführlicheres Schreiben an die Dichterin war ein tiefernstes Bekenntnis seiner Seele, ein Ruf zu Gott. Am 23. Jänner 1927 schrieb er noch eigenhändig folgende Zeilen: „Ich könnte jauchzen und dann wieder weinen, jauchzen über Ihren herr¬ lichen Brief, weinen, daß ich nicht der bin, der ich Ihnen scheine Was ist aller Erdenruhm gegenüber dem Frieden der tiefgläubigen Seele? Sie aber haben beides; den Ruhm auf Erden, das Himmelsgeschenk, Werke zu schaffen, wie sie nur der wahre Genius zustande bringt, und das Glück des Friedens. Und ich? O, wie meine Muse, wenn sie sich der Ihres Herzens ver¬ gleicht, immer kleiner und kleiner wird, ein zwerghaft Weiblein — und der Friede? Vor vielen Jahren in Laibach schrieb ich ein Gedicht, darin die Stelle: Heim¬ kehr des Sängers vom Wald in die Stadt: Mir ist, als ob die stillen Bäume im Walde mich allein verstünden, ich kann, vertieft in meine ernsten Träume, in diese Menschenwelt mich nimmer finden. Und jenen Alten könnt“ ich fast beneiden der dort ein Holz mit seinem Beile spaltet: Fast wird mir's schwer, von jenem Kind zu scheiden, das zum Gebet die frommen Hände faltet Denn was schon längst aus meiner Brust geschieden, in ihnen lebts! Ich suche deine Spur, Allmächtiger — und süßen Frieden, vergebens doch am Herzen der Natur. Der alte todreife Mann faltet die Hände und ruft „Gott, Gott! Gib mir den Frieden der Seele, meine Seele schreit nach Dir. So sehnt sich der Wanderer nach dem Grün der Oase und dem belebenden Quell Am 27. 3. 1927 schied er im Frieden, mit Gott versöhnt, von dieser Welt: „Ein golden Herz, eine kinderreine Seele“. Maurice Reinhold von Stern widmete ihm die Worte: 80
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