75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
innigen frommen deutschen Magd!), und bitten ihn, sein herrlich klingendes Gegenswort doch über sie zu sprechen. Ich bin über Nacht vom 31. 10. auf den 1. November mit den Fahnen¬ korrekturen fertig geworden. Am Abend um 9 Uhr setzte ich mich zur Arbeit und arbeitete ununterbrochen bis 6 Uhr früh. Dann eilte ich in die Seminar¬ kirche in die 7 Uhr-Messe. Es war eine mir wundersam festliche Stunde ich war noch ganz voll der Bilder, denen ich den letzten Glanz soeben gegeben hatte, und als die Alumnen mit ihren kraftvollen Jungmännerstimmen das Pange lingua anhoben, kam es mir vor, als müßten ungesehen Jenenser-Burschen unter ihnen sein und ihren Chor verstärken. Den weiteren Rest des Allerheiligentages habe ich aber der Rast gewidmet, die Augen fielen mir zu, ich war in meinem Leben fast noch nie so müde, aber es war eine wohlige Müdigkeit und heute bin ich schon wieder ganz riegelsam. Alles Schönste Ihrer wertesten Familie und all meinen liebwerten Freunden. Herrn L. Sch. J. Dr. Berger und Herrn L. R. R. Narbeshuber hoffe ich nächsten Montag bei mir zu sehen. Ich bin sehr glücklich, daß sowohl Sie, mein teuerster Meister Samhaber, als auch der liebenswürdige Dr. Krako?) sich so trefflich erholt haben. Der alte unvergeßliche Kaiser Franz Josef sagte, als man ihn an einem 80. Geburstag in geziemender Untertänigkeit bat, seinen Arbeitseifer zu dämpfen: „Was wer i dann machn, wann i alt bin.“ Ja, diese alten Jahrgänge ind vom besten Holz geschnitzt, niemand von den Jüngeren wird ein Patriarchen¬ alter in solch überragender geistiger Kraft erleben, wie z. B. unser Samhaber und unser Krako. Treulichst und dankbarst grüßt E. H. 13. Am 13. 1. 1927. Hochverehrtester teurer Meister! Wie soll ich Ihnen für die wunderbare Geburtstagsgabe danken, die Ihr Genius mir auf den Fest¬ tisch legte? Das ist gewiß das Reifste, das Edelste, das Ergreifendste, was über meine lieben Kinder Sand und Else noch geschrieben wurde. Eine solche Prägnanz der Gedankenführung! O, teurer Meister, Sie sind ein glorreicher Jüngling in der Kunst. Nicht eine betagte Hand schrieb diese himmlisch schöne Predigt von Schuld und Sühne, Haß und deutscher Liebe. Der Jüngling Samhaber war es, der meine lieben Herzenskinder belauschte. Die rauschende Fülle beschwingten Wortes der Jugend besitzt er, neben der tiefen, harmonischen Reflexion der Reife des beschauenden Alters. Heil ihm, möge er uns noch lange erhalten bleiben, möge er noch lange klassische jugendfeine Blüten deutscher Kunst uns schenken, wie es diese unvergleichliche Studie ist. Es freut mich so unendlich, daß Sie gerade Stellen, Szenen in volles Licht rückten, bei deren Formung ich innerlich am tiefsten empfand. Geradezu grandios ist die Deutung der beiden Nitte Walchs. So viele lesen über diese finstere — aber Waldszenes) hinweg, die ich spät nachts mit klopfenden Pulsen schrieb Sie, teurer Meister, folgen den Spuren meiner Gedanken, meiner Visionen, und Sie sind der erste, der es entdeckt und es tiefpsychologisch ausdeutet, daß der Neiter 1) Gestalten in Samhabers Drama „Die Wiedertäufer“. 2) Landesarchivdirektor Dr. Ferdinand Krackowizer. Vgl. Deutsche Passion, Kap. VIII. 79
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