75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
Der briefliche Verkehr zwischen den beiden hervorragenden Künstlern währte Es war die Zeit, in der von 1922 bis zum Tode Samhabers im Jahre 1927. „Heliand“ arbeitete, in Samhaber an seiner Übertragung des althochdeutschen der Zeit, in der Handel-Mazzetti die Welt mit ihrer Sand-Trilogie beschenkte. Im „Rosenwunder“ hatte sie „dem greisen Barden ein Denkmal gesetzt in jenem alten Emigranten, der als Schutzgeist des mordbesessenen Sand, als Warner im Weinberg' auftritt. Die Werke Samhabers, die der Verlag Georg Müller in München in Bänden ausgegeben hatte, waren längst vergriffen, eine Neuauflage nicht in Aussicht. Es war unser aller Wunsch, daß eine Auswahl des Schönsten aus einen Werken einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht würde. Zunächst wollte Reclam den Verlag übernehmen. Doch scheiterten die Verhandlungen. So bemühte ich mich, nach der Feier des 80. Geburtstages des Dichters, im Verlage Feichtinger in Linz einen Auswahlband herauszubringen, der auch bisher Unver¬ öffentlichtes bringen sollte, wie die epischen Dichtungen „Alberto. Aus dem Leben eines Malers“ und „Der Weg durch Dornen. Aus dem Leben eines Tondichters“ Anton Bruckner), ferner die dramatischen Dichtungen „Hekastus. Ein Spiel von dem reichen sterbenden Menschen“ und die „Wiedertäufer. Drama in 9 Bildern“. Es sei mir hier gestattet, aus den Briefen Handel-Mazzettis jene Stellen zu veröffentlichen, die geeignet erscheinen, das Freundschaftsverhältnis der Dichterin zu dem „greisen Erzpoeten“ zu beleuchten. Am 20. 4. 1922. Hochverehrtester Herr! Durch Herrn Narbeshuber 1. habe ich zu meiner größten Freude Ihr wundervolles Lebensbild und das kost¬ bare Bruchstück ihrer herrlichen Christus-Dichtung erhalten. Ihr Leben mutet an wie eine versonnene Stifter-Novelle, Ihre Verse sind reinstes Gold, aus dem Schacht einer vornehmsten Künstlerseele gehoben. Ich drücke Ihre gütige Hand in Dank und Verehrung Ihre E. H. Verehrtester Meister! Mit größtem 2. (Donnerstag. Ohne Datum.) Proben aus dem kostbaren Heliand - Konvolut Genusse habe ich soeben einige gekostet. Das ist etwas ganz Feines und eine Zierde der „Deutschen Rundschau“. Auch Narbeshubers einführende Studie ist prächtig. Was Sie, verehrtester lieber Herr Doctor, über „Hucbalds“ Entstehen erzählen, kann man an passender Stelle in die Einführung verflechten. Ich bin bei „Dido“ und will mich ganz ihrem Zauber hingeben. Welch lebendiges, von Geist und Feuer durchströmtes Werk haben Sie aus der klassischen Legende geschaffen! Schön illustriert müßte diese Dido hinreißen. Wie wunder¬ voll, gerade shakespearisch charakterisierend ist die Szene zwischen den Schwestern! Wie viel Weisheit steht da zwischen den Zeilen geschrieben, welche intensive Kenntnis des weiblichen Denkens und Fühlens! In treuester Verehrung stets Ihre E. H. Am 4. 10. 1922. Hochverehrtester Herr Doctor! Mit größter Freude 3. werde ich die Dedikation Ihrer erhabenen Heliands-Dichtung, von der Sie mir in Ihrem liebenswürdigen Schreiben wieder ein ergreifendes, herrliches Bruchstück mitteilen, annehmen. Ich hoffe, der wunderbaren Epopöe die Wege ebnen zu 75
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