75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Epos über eine Zeit, die der Österreicher, der Katholik und namentlich der Geist¬ liche mit ganz anderen Augen zu betrachten pflegte ein Komparativ auf den andern Schon die Kühnheit des Unterfangens war darnach angetan, dem Beurteiler das Abgehen von der Schablone rätlich erscheinen zu lassen, indem es für ganz neue Erscheinungen im Reiche der Poesie auch die Berechtigung ganz neuer Wege gibt, wenn solche überhaupt eingeschlagen worden wären! Und nun habe ich mein Herz erleichtert. Diese „Klage' habe ich überhaupt an Sie gerichtet, weil ich weiß, daß Sie natürlich empfinden und damit auch gerecht empfinden. Der Stelzhamer-Bund forderte unter anderm auch ein Gutachten von Univer¬ sitätsprofessor Hans Lambel in Prag ein. Das Urteil Lambels ist vom 29. 4. 1894 datiert und an Dr. Zötl gerichtet. Es legt einen sehr strengen Maßstab an hinsichtlich des Stoffes, der Gestaltungskraft und der Verwendung der Mund¬ art. „Der Stoff ist an sich spröde und macht es dem Dichter durch eine Fülle von Einzel- und Teilhandlungen statt einer einzigen Hauptaktion von mächtiger Wirkung nur noch schwerer. Das Urteil Lambels war nicht ohne Wirkung. Es rief zur nochmaligen Be¬ sinnung über das Werk auf. Ich will nur einen späteren Brief Hanrieders an Zötl, den er am 15. 3. 1898 geschrieben hat, soweit er den Bauernkrieg betrifft, im Wortlaut anführen: „Ich bin damit (mit dem Bauernkrieg) nun zu Ende und habe daran nichts mehr zu ändern. Er ist im ganzen sich gleich geblieben und verträgt auch eine wesentliche Umgestaltung nicht. Dafür bin ich ihm dort gewissenhaft auf den Leib gerückt, wo ich nach strenger Erforschung meines ästhetischen und Standesgewissens sowie auch in Rücksicht auf historische Treue einen Abstrich oder eine Zutat für nötig hielt. Ich erinnere mich noch recht gut, daß das Urteil über den anfäng¬ lichen Nahmen des Gedichtes (1., 2. und letzter Gesang) von allen, die Einblick nahmen, ein gleich günstiger war. Der 3. Gesang wurde auch noch mit unge teilter Anerkennung entgegen genommen. (Hüat di Baur, i kum; Schlacht bei Peuerbach.) Beim 4. und 5. (Lagerszenen und Lagerspiel) begann die Zurück¬ haltung, stets unter Reserve, aber ebenso übereinstimmend und ich fühlte wohl heraus, daß daran nicht bloß das absichtliche Hinhalten der epischen Entwicklung schuldtragend sei, sondern daß vielmehr die konfessionelle Nichtung verstimme, ob¬ wohl ich mich mit Recht auf kulturhistorische Außerungen bewährter Männer über den fraglichen Wert des damaligen Protestantismus berufen konnte. Wenn ich auch gegenwärtig beide Gesänge beibehalten habe, weil ich Fadinger, solange es angeht, als Hauptperson festhalken muß, so habe ich doch auf das historisch nicht ganz sichere Hostienspektakel, das zugleich auch unästhetisch ist, verzichtet und noch andere Stellen, die meine objektive Auffassung in Frage stellen könnten, unterdrückt. Der Grund des Scheiterns der Bewegung — die Uneinigkeit und Unersättlichkeit der Bauern — mußte ich wie einen roten Faden durch die ganze Epopöe gehen lassen; darum ist auch das Nachspiel des 7. Gesanges (Fadinger in Steyr) notwendig; aber ich habe auch dort abgeschwächt und ausgleichende Striche angebracht. 71

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