75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

müßte Fadinger=der Held sein, der für Recht und Glaube kämpft, nicht der teuflische Rebell, als welcher er von Kaltenbrunner und noch immer vom katho¬ lischen Standpunkt aus verurteilt wird. Mir stellt sich der o. ö. Bauernkrieg als eine Tragödie vor, deren Ausgang den größten Teil unseres heutigen Elends verursacht hat, und ich wage gar nicht, Ihnen gegenüber, Herr Pfarrer, hierüber meine Gedanken des weiteren zu entfalten. Vor 7—8 Jahren haben Matosch Commenda und ich den Plan einer solchen Dichtung besprochen; aber Matosch besitzt die Ausdauer nicht, um das Werk zu schaffen. Inzwischen ist Keims Stefan Fadinger, allerdings schriftdeutsch, erschienen — allein verunglückt. Am 24. 11. des Jahres antwortete Hanrieder: „Die Bauernbewegung hat die Berechtigung der ausbrechenden Naturgewalt für sich und ist mir Fadinger kein Rebell, sondern eine gewaltige historische Erscheinung, die wie alle geschicht¬ lichen Personen, an welche tragischer Mißerfolg sich heftete, von der Mit- und Nachwelt den Eselstritt erhalten hat. Ich denke an die beiden Gracchen, an Catilina, an Josef II. und andere. Ich lasse mir von niemandem ein x für ein u vormachen und glaube damit um so katholischer zu sein, je gerechter zu urteilen ich mich bemühe. Einen sehr wichtigen Kernpunkt für das Epos bildete die Frage, inwieweit der Dichter gezwungen ist, sich an den geschichtlichen Ablauf der Ereignisse zu halten. Hanrieder war für möglichste geschichtliche Treue. Weitzenböck aber schrieb ihm am 19. 3. 1887: „Müßte sich denn übrigens der Dichter der Geschichte völlig unterwerfen? Die Stellung zur Gegenreformation kennzeichnet Hanrieder in seinem Briefe vom 12. 4. 1887 an Weitzenböck mit den Worten: „Ich bedauere wie Sie die gewaltsame Gegenreformation in Oberösterreich, die bequeme Berufung auf den protestantischen Grundsatz: cuius regio, illius et religio, widerstrebt mir nicht minder als der Hinweis auf die gleichartigen Vorgänge auf Seiten der Nefor¬ mation. Man hätte der von Adel und Geistlichkeit gleich geschundenen Bauern¬ schaft Zeit lassen sollen, ob sie auch richtig im „evangelischen Lichte“ ihr Genügen fände, und zunächst ihre berechtigten zeitlichen Forderungen erfüllen sollen. Bis hieher gehe ich mit Ihnen. Im gleichen Briefe äußerte er sich auch bereits über die Form des Epos: „Das Fadinger-Lied, höchstwahrscheinlich im Mühlviertel entstanden, doch durch täppische Zusätze entstellt, die für den unterlegenen Teil den Eselstritt bedeuten gäbe etwa auch das Muster der Form ab, die wenig verbessert zu werden brauchte und leichte Beweglichkeit zuließe. Vorläufig kocht der gewaltige Stoff noch in wirrem Durcheinander in meinem Gehirn. Einzelne Episoden haben sich jedoch bereits abgeklärt und hätte ich fast Lust, sie abzuschöpfen.“ Hiezu vergleiche die Bauernkriegslieder in der Sammlung „Der Zeiten Widerhall“ (Linz 1944). drei In den Ferien des Jahres 1887 besuchte Weitzenböck Hanrieder in Putzleins¬ dorf. Die persönliche Aussprache der beiden Heimatfreunde war für die Ge¬ staltung des Epos von besonderer Bedeutung. Nun begann Hanrieder mit der Niederschrift und anfangs 1889 konnte er den ersten Gesang an Weitzenböck ab¬ senden. Hierüber berichtet Hanrieders Brief vom 27. 2. 1889: „Bezüglich des Stoffes und der Behandlung war ich im allgemeinen lange im reinen. Ich trage ihn, so ziemlich geordnet, seit Jahren mit mir herum und hatte nur bezüglich der Form meine Bedenken. Das Vorwort arbeitete ich in Hexametern aus, wie ich 67

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