75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
zur Geschichte der Literatur in Oberösterreich. Dr. Franz Berger. 1. Norbert Hanrieders Bauernkrieg. Die Geschichte der Bauernkriege, vor allem der Ablauf der Ereignisse des Jahres 1626 hat die Gemüter niemals ruhen lassen. Die Dichter meinten, aus ihr den besten Vorwurf für ein Drama oder für einen Noman entnehmen zu können, die Politiker betrachteten das furchtbare Ereignis als geeignetes Kampf¬ mittel zur Niederringung des Gegners. Besonders wenn die Wogen der Zeit¬ ereignisse hochgingen, mußte auch der „Bauernkrieg“ herhalten. So hat zum Beispiel die abgelaufene Periode unserer heimatlichen Geschichte ihn als Kampf¬ mittel gegen die religiöse Überzeugung der Katholiken in schroffster Weise benützt. In Nomanen, auf der Bühne, in Kalendern wurde das „Martyrium“ gefeiert. Die Jungen und die Alten meinten damit Lorbeeren zu verdienen oder der „Zeit' zu gefallen, ob sie nun Itzinger, Watzinger oder Ortner heißen oder ob schon längst Gras gewachsen ist über den Ackerboden der Scheichl, Nordmann, Grohman oder Keim. Diese Literatur der älteren Zeit ist hinreichend gekennzeichnet durch Georg Prader, Norbert Hanrieder in seinen Dichtungen (1912), S. 96 — 105. Die Erzeugnisse der Jungen sind in lebhafter Erinnerung unserer Zeitgenossen: zum größten Teil „Tendenzliteratur ge¬ Doch unsere Heimat besitzt ein Kunstwerk, das „d'Liab zu da Hoamat' schaffen und das der „Wahrat“ dienen will: das volksmundartliche Epos „Der oberösterreichische Bauernkriag“ von Norbert Hanrieder, herausgegeben vom Stelzhamerbund. (Aus da Hoamat, XV. Bd., Linz 1907. Über das Entstehen dieses Werkes liegt ein reichhaltiger Briefwechsel vor, der einen Beitrag zum Literaturleben unserer Heimat im letzten halben Jahr¬ hundert bietet. An diesem Gedankenaustausch sind beteiligt der Dichter selbst, erner Primarius Dr. Franz Schnopfhagen der Landes - Heilanstalt in Linz (1848 —1925), Professor Georg Weitzenböck in Graz, der Mundartforscher des Innviertels, dessen Lebenswerk (Die Mundart des Innviertels) 1942 in Halle erschien, und Dr. Hans Zötl (1846 —1938), der Stelzhamerapostel. Drüben im schönen Waldneukirchen wirkte in den Jahren 1873 —1898 ein Pfarrherr, dessen mundartliche Verserzählungen nicht bloß die engeren Dorf¬ genossen, sondern auch alle Freunde der heimatlichen Dichtkunst begeisterten, Norbert Purschka. Hanrieder bezeichnete in einem Briefe dessen Dichtungen als „die schönste Inkarnation unserer kernigen obderennsischen Volksseele“. Im Jahre 1882 war der Stelzhamerbund gegründet worden, die Kunst der mundartlichen Dichtung im Volke zu verbreiten. Da konnte man an dem bescheidenen Purschka nicht vorübergehen. Hanrieder hatte wohl seinen Freund Zötl auf ihn hingewiesen. Am 25. 6. 1884 berichtet dieser an Hanrieder, „daß Professor Commenda und ich Herrn Dechant Purschka bereits unseren Besuch abgestattet haben. Wunder¬ 65
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2