75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946
ganze Sorge richtete Karl VI., der keine männlichen Erben besaß, darauf, durch teuer erkaufte Verträge seiner Tochter Maria Theresia die Erbfolge zu sichern Die Stände Oberösterreichs unterzeichneten unter den ersten Ländern die für den taatsrechtlichen Aufbau der österreichisch-ungarischen Monarchie später so grund¬ legende Pragmatische Sanktion schon im Jahre 1720. Alle diese scheinbaren Er¬ folge Österreichs waren mit einer fortschreitenden inneren Zerrüttung, besonders in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht erkauft. Die im benachbarten Erzbis¬ tum Salzburg ausgebrochene Bewegung der im Verborgenen ihrem Glauben wei ter treu gebliebenen Protestanten (1731) ergriff in den folgenden Jahren auch das Salzkammergut. Unterstützt von den Emigranten erhoben die Protestanten auf dem Neichstage zu Regensburg ihre alte Forderung nach Religionsfreiheit oder aber das Necht zur Auswanderung. Diesmal wurde ihnen aber nicht mehr eine Aus¬ wanderung in das Neich bewilligt, sondern bloß in die noch schwach besiedelten, den Türken abgewonnenen Gebiet Ungarns und Siebenbürgens, wo die „Transmi¬ granten“ als Kolonisten angesiedelt wurden, um dem österreichischen Staate nicht verloren zu gehen Das große Vertrauen, das Karl VI. in die Rechtsmäßigkeit und Wirksamkeit der von ihm abgeschlossenen Verträge, die ihm so große Opfer gekostet hatten, setzte, erwies sich als ein Trugbild; denn kaum hatte er seine Augen geschlossen, als alle an einer Auflösung Österreichs interessierten Staaten unter der Führung Friedrichs II. von Preußen über Österreich herfielen, das sie für eine leicht zu ge¬ winnende Beute hielten. Der Kurfürst von Bayern verbündete sich nach bewährtem Muster mit Frankreich, das ihm Oberösterreich, Böhmen, Tirol und den Breisgau versprach und begann mit der am 31. Juli 1741 bewerkstelligten überfallsartigen Besetzung von Passau den Krieg gegen Österreich. Die schwachen Truppen, welche Maria Theresia zur Verfügung hatte, waren nicht geeignet Oberösterreich mit Er¬ folg zu verteidigen und wurden daher kampflos zurückgenommen. Somit konnte die bayerisch-französische Armee am 14. September ohne Widerstand in Linz ein marschieren, wo der bayerische Kurfürst unter dem Titel eines Erzherzogs von Österreich die Huldigung der Stände entgegennahm. Von hier wandte er sich nicht nach Wien sondern nach Prag und ließ sich dort zum König von Böhmen ausrufen. Maria Theresia ließ trotz ihrer scheinbar hoffnungslosen Lage den Mut nicht fallen und ihrem persönlichen Einfluß gelang es, die Rückgewinnung der verloren gegangenen Gebiete zu organisieren. Während eine ungarische Armee unter der Führung ihres Gemahls Franz Stephan von Lothringen in Böhmen einrückte, marschierte eine zweite Streitmacht unter dem Befehl des Generals Khevenhüller in einem Winterfeldzuge um die Jahreswende 1741/42 nach Oberösterreich, wo sich der Feind unter dem Kommando General Gegurs nach Linz zurückzog; am 23. Jänner begann die Beschießung der Landeshauptstadt, die schon einen Tag später übergeben wurde. In raschem Tempo rückten die österreichischen Truppen dem Feinde nach und besetzten München. Ein Aufstand der Bayern erforderte den Rückzug bis an den Inn und es bestand sogar die Gefahr eines neuerlichen bayerischen Einfalles nach Oberösterreich. Doch wurden die Franzosen aus Böhmen verdrängt und Maria Theresia, die über die bei dem Einmarsche der Bayern gezeigte überaus feige Haltung mancher Ständemitglieder und Beamten sehr ungnädig war, nahm am 25. Juni 1743 in Linz die Huldigung entgegen. 61
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