75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

7. Das Land ob der Enns in der Großmacht Österreich. Kaum war der innere Zwist im Reiche sowie in den österreichischen Ländern nach langem, überaus verderblichen Ringen notdürftig überbrückt, als neue Sieges¬ züge der Türken das unglückliche Land nicht zu der ihm so notwendigen Ruhe kommen ließen. Der Landtag von 1663 mußte bereits über Verteidigungsma߬ nahmen beraten, da die Türken in Ungarn weit vorgestoßen waren; der für Öster¬ reich erfolgreiche Ausgang der Schlacht bei St. Gotthard (1664), die der in Linz begrabene Feldherr Montecucculi leitete, wendete die Gefahr vorläufig wieder ab. Zwanzig Jahre später (1683) gelang es den Türken, die sich mit dem „allerchrist¬ lichsten“ König Ludwig XIV. von Frankreich gegen das Haus Habsburg verbündet hatten, die Hauptstadt des Abendlandes, Wien, einzuschließen. Das Land Ober¬ österreich bezog wiederum die uralte Wacht am Ennsflusse, denn türkische Scharen streiften bis Waidhofen a. d. Ybbs und Weyer herauf. Die auf den Entsatz von Wien folgenden glänzenden Feldzüge unter der Führung Prinz Eugens verjagten die Türken für immer aus ganz Ungarn und bannten die für das Abendland seit 300 Jahren stets drohende Gefahr. Die große Auseinandersetzung mit dem wegen des spanischen Erbes gegen Habsburg so verfeindeten Frankreich hielt aber weiterhin an. Der vorher mit dem Kaiser verbündete Kurfürst von Bayern wandte sich plötzlich zum Gegner und traf 1702 an der österreichischen Grenze verdächtige militärische Vorkehrungen, die auch auf österreichischer Seite mit entsprechenden Maßnahmen erwidert wurden, Im Jahre 1703 erfolgte der Angriff auf die bayerischen Linien, wobei es bei Schärding zu einem für die Bayern erfolgreichen Zusammenstoß kam. Die Bayern richteten ihren Hauptangriff dann gegen Tirol, verloren aber durch den erbitterten Widerstand der Tiroler Bauern den Großteil ihrer Truppen, sodaß sie Österreich vorübergehend nicht bedrohen konnten. Am Anfang des Jahres 1704 kam es wieder zu einem starken Vorstoß der Bayern gegen das Land ob der Enns, in welchem sie über Niedau, Peuerbach und Waizenkirchen gegen Eferding vorrückten Die über das grausame Vorgehen der bayerischen Truppen auf das Außerste er¬ bitterten Landler leisteten hartnäckigen Widerstand und zwangen damit die Bayern zum Rückzug, sodaß die Österreicher selbst bald an der bayerischen Grenze standen Alle diese hin- und herwogenden Gefechte nahmen ein rasches Ende, als die fran zösisch-bayerische Hauptarmee durch Prinz Eugen bei Höchstätt empfindlich ge¬ chlagen wurde. Bayern kam nun gänzlich in die Hand der Österreicher, die mit ihrer Besatzungsmacht einen starken Druck auf das Volk ausübten. Doch bayerische Bauern erhoben sich schon bald (1705) zu einem allgemeinen Aufstand, dessen Hauptschauplatz das Innviertel war. Die kaiserlichen Truppen waren davon so völlig überrascht, daß Braunau und Schärding in kürzester Zeit in die Hände der Aufständischen fielen; schließlich aber wurden doch die Aufständischen von den öster¬ reichischen Truppen bei München und Vilshofen vernichtend geschlagen und gaber ihren Widerstand gegen die österreichische Herrschaft, die nur bis zum Jahre 1713 dauerte, auf Leider nur zu kurz währte die Regierung des auf Leopold folgenden Kaisers Josef l. (1705—1711); nach ihm übernahm Karl VI. die Regentschaft. Für kürzere Zeit blieb das Land ob der Enns zwar von Kriegssorgen verschont, doch bereitete die 1713/14 wütende Pest der Bevölkerung schwere Verluste. Seine 60

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2