75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

bestand, da die Städte in die Religionskonzessionen nicht eingeschlossen waren. Die Bekehrung war vorläufig eine ganz äußerliche, weil infolge des großen Mangels an geeigneten Priestern — die aushilfsweise verwendeten „Wälschen“ begegneten schon als solche dem Widerwillen des Volkes — die Herbeiführung einer wirklichen Umkehr gar nicht im Bereiche der Möglichkeit lag. Die Opposition war jedenfalls noch lange nicht gebrochen, wie die offenkundige, sogar bewaffnete Sabotierung der landesfürstlichen Anordnungen in Steyr und der ungleich hin¬ und herwogende Kampf zwischen dem Landeshauptmann Löbl und den Ständen um die 1599 verfügte Schließung des Linzer evangelischen Landhausgottesdienstes und der Landschaftsschule zeigt. Die erste Welle der gewaltsamen Bekehrung konnte als Ergebnis die Abschaffung des protestantischen Gottesdienstes und Schulwesens in den Städten buchen; auch in den Hauptkirchen auf dem Lande wurde jetzt nach einem halben Jahrhundert der katholische Gottesdienst wieder eingeführt. Jedoch waren diese Maßnahmen oft nur ein Schlag ins Wasser, da die Prädikanten sich auf die Nebenkirchen (Spitalkirchen) und die Schloßkapellen und Adelskirchen zurückziehen und weiter wirken konnten, zu denen die prote¬ stantisch gläubigen Bürger und Bauern oft von weither „ausliefen“ Hatte sich das Land ob der Enns Löbls Gegenreformation wenigstens schein¬ bar unterworfen, so erhob sich das Salzkammergut gegen das scharfe Vorgehen des neuen katholischen Salzamtmannes Veit Spindler im Jahre 1601 zu einem offenen Aufstand, dessen Führer der Ischler Marktrichter Joachim Schwärzl war. Da die Vermittlungsversuche des um Hilfe angerufenen benachbarten Erzbischofs von Salzburg infolge der unklugen Haltung der landesfürstlichen Kommissäre ehlschlugen, wurde der Aufstand durch salzburgische Truppen militärisch ge¬ brochen. Eine Anzahl von Nädelsführern wurde hingerichtet, doch Schwärzl selbst kam mit der Gefangenschaft davon, aus der er infolge der Ereignisse des Jahres 609 schließlich ganz entlassen wurde. Die weitere Entwicklung der inneren Verhältnisse in Österreich war außer den schon bestehenden Spannungen noch von der zunehmenden Verwirrung bestimmt, welche von dem krankhaften Geisteszustand Kaiser Rudolf II. ausgelöst wurde. Mit Recht befürchteten die übrigen Erzherzoge, daß bei einer weiteren Herrschaft Rudolfs dem Hause Österreich ein schwerer Schaden erwachsen könne, und erklärten deshalb im Jahre 1606 Matthias zum Haupte der Familie. Der ehrgeizige Fürst verstand es mit Hilfe der Stände Ungarns, Mähren und Öster¬ reichs, mit denen er zu Preßburg 1609 eine Konföderation abschloß, Rudolf zum Verzichte auf die Regentschaft in diesen Ländern zu zwingen und begab sich damit völlig in ihre Gewalt. Zum Lohne mußte er den Protestanten, die sich schon mit der Union im Reiche in Verbindung gesetzt hatten, eine sehr weitgehende Auslegung der früher erteilten Religionskonzession zugeben. Unter der Führung des politisch außerordentlich gewandten Georg Erasmus von Tschernembl, eines glänzenden Redners von beachtenswerter humanistischer Bildung, hatten die Stände ob der Enns den protestantischen Gottesdienst im Landhause wieder eröffnet, das Linzer Schloß in ihre Gewalt gebracht und den Landeshauptmann abgesetzt; sie schlossen Bündnisse mit den auswärtigen protestantischen Mächten, welche das Haus Habsburg als Hauptmacht des Katholizismus stürzen wollten. Kaiser Rudolf II. aber sann auf Mittel und Wege, den ihm abgerungenen Verzicht wieder rückgängig zu machen und reizte Erzherzog Leopold, der Bischof 55

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