75 Jahre Enrica von Handel-Mazzetti 1946

Linz verlegte Landschaftsschule die geistige Hochburg, der als bürgerliches Gegen¬ tück die 1567 in Steyr errichtete deutsche Schule entsprach. Bezeichnend für den Willen des Landes ob der Enns auch in religiöser Hinsicht seine Selbständigkeit zu wahren, ist die heftige Ablehnung der niederösterreichischen Kirchenordnung, ein Vorgehen, das sich für die Rechtsstellung des obderennsischen Protestantismus verhänignisvoll auswirkte, da die Neligionskonzession die Abnahme der Agende voraussetzte. Eilte der Protestantismus dem Höhepunkte seiner Entfaltung zu, so trug auch auf der anderen Seite, der katholischen Kirche, der Reformgedanke die ersten Früchte und verhinderte nicht bloß den völligen Untergang des alten Glaubens, ondern setzte die Kirche sogar in die Lage, der weiteren Verbreitung der Lehre Luthers einen wirksamen Widerstand entgegen zu setzen. Der Beginn der ge¬ wöhnlich als Gegenreformation bezeichneten Erneuerung setzt mit dem Einzug des neuen schlagkräftigen Ordens der Jesuiten in Wien ein (1551), an deren Spitze anfänglich kein Geringerer als Petrus Canisius stand. Die Seele der Erneuerung des katholischen Glaubenslebens in Oberösterreich war der Passauer Bischof Urban von Trenbach (1561 — 1598). Die ersten praktisch wirksamen Anfänge der Gegenreformation gehen jedoch weniger auf kirchliche Reformen als auf das Eingreifen des Landesfürsten zurück. Zuerst begann man mit einer Visitation der Klöster durch landesfürstliche Kom¬ missäre (1561/66). Dann wurde durch die Errichtung des Klosterrates (1568) die notwendige bürokratische Stelle geschaffen, die mit der im Jahre 1576 er¬ gangenen Verfügung, daß künftighin alle Neligionssachen nicht mehr durch die mit größtenteils protestantischen Ständemitgliedern besetzten provinziellen Landrechte, ondern entweder das landesfürstliche Kammergericht oder den Klosterrat zu behandeln seien, eine sichere rechtliche Grundlage erhielt Kaiser Maximilian II. hatte vergebens versucht, zwischen den beiden sich bekämpfenden Konfessionen zu vermitteln (+ 1576). An seine Stelle trat mit Rudolf II. ein Fürst, der eine entschiedene katholische Haltung zeigte. In einem dramatischen Vorstoß versuchten die protestantischen Stände Oberösterreichs an¬ läßlich der 1578 stattfindenden Huldigung durch einen allgemeinen Fußfall den Landesfürsten moralisch zum Nachgeben zu zwingen. Da sie auch damit nichts erreichten, beschritt die städtische Opposition den Weg der parlamentarischen Obstruktion, indem sie einfach die Landtage nicht mehr besuchten, sodaß der Landesfürst im Jahre 1588 das Erscheinen als Pflicht erklären mußte. 6. Oberösterreich im Brennpunkt der europäischen Spannungen. Aber nicht bloß die oberen Schichten, Adel und Bürgertum, führten durch ihre Haltung eine immer kritischer werdende Lage herbei, auch die Bauernschaft erfaßte an allen Enden des Landes eine Unruhe, die sich zunächst in kleinen ört¬ lichen Aufläufen Luft machte. So war es im Garstentale, zu Reichenstein im Mühlviertel und zu Steyr um 1570 zu Bauernerhebungen gekommen, die alle auf wirtschaftliche Gründe zurückgingen. Ab 1580 jedoch kommt es allenthalben zur Vertreibung der von der landesfürstlichen Gegenreformation eingeführten Pfarrer und im „Sierninger Handel“, der sich von 1588 bis 1592 hinzog, haben 53

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